Der Fotodienstleister aus Bitterfeld-Wolfen gibt sich optimistisch für das Geschäft in diesem Jahr. Man spricht mit potentiellen Großkunden und will im Frühjahr mit einem Fotogroßlabor in Dänemark die Produktion aufnehmen. Von uns gibt‘s Hintergründe und Geschichtchen dazu:

Über den digitalen Fotodienstleister ORWO Net AG aus Bitterfeld-Wolfen (Landkreis Anhalt-Bitterfeld) wird derzeit berichtet, dass er für das Geschäft in diesem Jahr optimistisch sei, dass Gespräche mit potenziellen Großkunden liefen, um weitere Kooperationspartner zu gewinnen, und dass außerdem im Frühjahr ein Fotogroßlabor in Tønder (Dänemark) die Produktion aufnehmen solle. Vom Eintritt in den skandinavischen Markt erwarte ORWO Net als Konzern einen 20-prozentigen Umsatzsprung. Im vergangenen Jahr habe das Unternehmen einen Umsatz von 23,2 Millionen Euro erreicht. Das waren 6,5 Prozent mehr als 2007. ORWO Net hat derzeit 178 Beschäftigte. Angaben zur Ertragslage machte das Unternehmen, das gerne auf die lange Tradition der Marke ORWO zurückblickt, nicht.

Mit der Marke ORWO nutzt das im Ortsteil Thalheim angesiedelte Unternehmen die seit 1964 in der damaligen DDR vom ehemaligen Agfa-Werk aus de Bestandteilen ORiginal WOlfen entwickelten Wortmarke ORWO. 1909 hatte die Farbenfabrik AGFA in ihrem 1895 errichteten Standort Wolfen eine Filmfabrik errichtet, die 1912 schon 20 Mio. Meter Kinofilm produzierte und 1936 das Agfa-Color-Verfahren vorstellte. Zu DDR-Zeiten arbeiteten in den 1970er und 80er Jahren ca. 14 500 Menschen im Fotochemischen Kombinat Wolfen, davon 5800 in der Filmabteilung.

Nachdem eine erste Privatisierung zu Beginn der 1990er Jahre gescheitert war, wird der Bereich „Konfektionierung“ von Filmen im Oktober 1995 von Heinrich Mandermann übernommen, dem Eigentümer von Schneider-Kreuznach und Käufer der Praktika-Herstellung in Dresden (damals: Schneider Feinwerktechnik). Mit dem 1. April 1996 gab es wieder Filme von ORWO, die allerdings nicht mehr am Standort produziert, sondern nur konfektioniert wurden. Das Sortiment umfasste drei Farbfilme und zwei Schwarzweißfilme. Die Jahreskapazität lag bei drei bis fünf Millionen Stück.

Im Gegensatz zu seinen anderen Unternehmen hatte Mandermann mit ORWO und dem im November 1997 eröffneten Foto-Großlabor kein Glück. Schon im März 1998 beantragt die Orwo AG die Gesamtvollstreckung, das im Osten der Republik damals übliche Insolvenzverfahren.

Die damals am Neuen Markt notierte Lintec Computer AG aus Taucha erwirbt im Oktober 1999 alle Immobilien, die gesamte technische Ausrüstung und die internationalen Markenrechte der Orwo AG. Die Lintec Computer AG geht zurück auf einen zur Wendezeit von Hans Dieter Lindemeyer als 1-Mann-Unternehmen gegründeten regionalen Computerhandel in Taucha. Der Betrieb des Großlabors geht auf die neu gegründete Orwo Media GmbH über. Die Lintec-Tochter PixelNet AG unterzeichnete in der Folge einen Kooperationsvertrag mit der Orwo Media, für einen Internet-Direktvertrieb der Großlabor-Produkte. Da man sich auf den reinen Produktabsatz über das Internet zum damaligen Zeitpunkt noch nicht verlassen wollte, griff man zu, als der belgische Eigentümer Spector die vor dem Zusammenbruch stehende Photo Porst AG, für den in solchen Fällen üblichen niedrigen einstelligen Betrag, zum Verkauf stellte. Allein, es half der damals an die Börse gebrachten PixelNet AG nicht viel.

Im Juni 2002 stellte PixelNet wegen drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenzantrag. Davon betroffen war auch die 100-prozentige Tochter Orwo Media. Der Aufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Lindemeyer hatte schon Ende 2001 mit sofortiger Wirkung und ohne Angabe von Gründen sein Mandat als Aufsichtsratsvorsitzender der PixelNet AG niedergelegt.

Die Marke „Photo Porst“ ging daraufhin an Ringfoto und die Porst-Marke „Königsbild“ an Kodak.

Durch Einbringung der Anteile der ORWO Net GmbH am 02.10.2007 mit Eintragung in das Handelsregister Stendal am 10.10.2007 (HRB 6896) wurde die ORWO Net AG gegründet. Die ORWO Net GmbH wiederum war am 25.09.2002 gegründet worden und sicherte sich damals über den Erwerb der Vermögenswerte der insolventen PixelNet AG und deren Tochter ORWO Media GmbH ab 01.10.2003 die Markenrechte an „ORWO“ und „PixelNet“.

In der ORWO Net AG hat heute auch Hans Dieter Lindemeyer, der Gründer der Lintec AG, die nach seinem Ausscheiden im Jahre 2008 Insolvenz anmeldete, als Vorsitzender des Aufsichtsrates wieder eine Funktion. Als derzeitige Aktionäre der ORWO Net AG nennt die AG die beiden in Taucha angesiedelten Unternehmen KAM Treuhand GmbH (62,60%) und LAM GmbH (32,40%) sowie die AMF GmbH (5,00%). Auch sonst gibt man sich eher verschlossen. In der Rubrik „Finanzberichte“ steht nur: „Veröffentlichungen werden im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben vorgenommen.“

(CJ)