In Krisensituationen, wie derzeit im Iran, bedienen sich die Nachrichtenredaktionen zunehmend alternativer Informationsquellen. Die New York Times etwa nahm kürzlich ein Amateurfoto aus dem Iran auf die Titelseite. In Zeiten der Krisen erweist sich der „Bürgerjournalismus“ als Quelle aktuellen Bildmaterials:
Wie schwierig es für ausländische Medienvertreter ist, an aktuelles Bildmaterial zu den Geschehnissen in Teheran heranzukommen, beweist das Beispiel der New York Times, die kürzlich sogar das Foto eines sogenannten „Hobby-Journalisten“ auf der Titelseite des eigenen Blattes veröffentlicht hat. Ursprung des verwendeten Materials ist einem Guardian-Bericht zufolge das Online-Fotocommunity-Portal Demotix, das seine Inhalte ausschließlich von freischaffenden Journalisten oder Amateurfotografen bezieht und gegenwärtig einen regelrechten Boom erlebt.
„Die ausländischen Medien erleben im Iran zurzeit eine echte Krisensituation, die es dem professionellen Journalismus im Moment so gut wie unmöglich macht, an Bildmaterial zu den aktuellen Ereignissen heranzukommen“, bestätigt Gunter Reus, Professor am Institut für Journalistik und Kommunikationsforschung der Hochschule für Musik und Theater Hannover. Der sogenannte „Bürgerjournalismus“ sei in dieser Hinsicht zumeist der einzige Hoffnungsschimmer. „Dieser Bereich wird insbesondere in Bezug auf die Berichterstattung in den Krisenregionen der Welt sicherlich noch eine stärkere Bedeutung erlangen. In politisch stabilen Ländern wie Deutschland wird das meiner Einschätzung nach aber auch auf lange Sicht eher ein komplementäres Phänomen bleiben, das den professionellen Journalismus nicht ersetzen, sondern lediglich sinnvoll ergänzen kann“, meint Reus.
„Wir sind als Webseite eigentlich keine primäre Anlaufstelle, sondern ein kleines Fotounternehmen. Im Laufe des vergangenen Wochenendes hat sich das aber schlagartig geändert“, zitiert der Guardian Jonathan Tepper, Chief Operating Officer bei Demotix. Das Portal, das aktuell so ziemlich alle großen Nachrichtenagenturen der Welt mit Bildmaterial beliefert, habe in letzter Zeit einen enormen Traffic-Zuwachs verzeichnet. Ausschlaggebend hierfür seien in erster Linie Fotos aus Teheran, die von den Demotix-Korrespondenten erfolgreich an der Medienblockade der iranischen Regierung vorbeigeschleust worden sind. Seitdem die Führung des Landes zunehmend auf Gewalt setze, um zu verhindern, dass Bilder von den Auseinandersetzungen zwischen Bevölkerung und Regierungstruppen das Ausland erreichen, müsse sich Tepper aber um die persönliche Sicherheit der eigenen Fotografen Sorgen machen. So versuche die iranische Regierung derzeit, verstärkt alle Personen auszuforschen, die ausländische Agenturen mit Fotos beliefern, schildert der Demotix-COO.
Dass die Regierung unter dem umstrittenen Präsidenten Mahmud Ahmadinejad inzwischen einen regelrechten Kampf gegen Journalisten führt, beweisen aktuelle Zahlen, die Reporter ohne Grenzen (RSF) vergangenen Sonntag in Paris vorgelegt hat. Demnach sind seit Beginn der Proteste gegen die Präsidentenwahl im Iran bereits 23 Journalisten und Blogger festgenommen worden. Andere, wie Jon Leyne, ständiger Korrespondent des britischen Rundfunksenders BBC, wurden generell des Landes verwiesen.
(pte / Markus Steiner)
Profifotos aus dem Iran
siehe:
http://alles-schallundrauch.blogspot.com/2009/06/wie-die-medien-die-berichterstattung.html
mfg
W.W.
So what?
Selbst Journalist, finde ich den Umstand gar nicht so ungewöhnlich, dass die Medien in außergewöhnlichen Situationen zu außergewöhnlichen Maßnahmen greifen. Für mich ist zwischen dem “Amateurfoto” auf der Titelseite der New York Times und dem, was Schrottmedien wie BILD regelmäßig als “Bürgerjournalismus” betreiben, ein Riesenunterschied.
Von ersterer Lösung hoffe ich, dass die Macher der New York Times die Quelle so gut wie möglich auf ihre Zuverlässigkeit hin gecheckt haben. Dann sind sie ihrer Verantwortung als Zeitungsmacher gerecht geworden. Das Ausweichen auf ein Amateurbild geschah ja nicht, um Kosten zu sparen, sondern um weiterhin über ein totalitäres Regime berichten zu können, das die Pressefreiheit mit Füßen tritt und eine professionelle Berichterstattung behindert und/oder verhindert.
Bei BILD & Co, und dem sogenanten “Bürgerjournalismus” oder “user generated content” liegt der Fall anders. Hier versuchen Verlage auf Kosten professioneller journalistischer Qualität schlicht ihre Kosten zu senken, indem sie Hinz und Kunz bei der Eitelkeit packen und deren Geschreibsel oder Bilder für lau publizieren oder einen Preis dafür bezahlen, der weit unter dem üblichen Marktpreis für Profis liegt.
Im Falle der Iran-Berichterstattung akzeptiere ich selbst jedes lausige Handy-Foto in einer Qualitätszeitung, sofern die Verantwortlichen dort alles tun, um die Qualität der Berichterstattung dennoch so gut es geht sicherzustellen.
Bei BILD & Co, und dem
[quote=Gast]Bei BILD & Co, und dem sogenanten “Bürgerjournalismus” oder “user generated content” liegt der Fall anders. Hier versuchen Verlage auf Kosten professioneller journalistischer Qualität schlicht ihre Kosten zu senken, indem sie Hinz und Kunz bei der Eitelkeit packen und deren Geschreibsel oder Bilder für lau publizieren oder einen Preis dafür bezahlen, der weit unter dem üblichen Marktpreis für Profis liegt.[/quote]Das stimmt tatsächlich, allerdings ist diese Entwicklung nicht mehr rückgängig zu machen.
Und was den professionellen Fotografen angeht – Stichwort “Stockfotografie”.
Eigentlich auch eine ganz üble Geschichte, aber jetzt schon Realität. Da muss man wohl neue Wege beschreiten, oder sich eben anpassen. Ich kenne 3 Fotografen, die schon ganz gut von Stockfotografie leben können, da sie sich angepasst haben. Sie bekommen zwar nicht mehr tausende von Euro für einen Auftrag, aber die Anpassung war doch profitabel (neben anderen Ausrichtungen, die jetzt eben nötig waren/sind, die “normale” Stockproduzenten nicht machen können)
Ob man das gut finden mag sei dahin gestellt, die Gegebenheiten sind jetzt nun mal so.
Was die Berichterstattung samt Fotos aus Krisengebieten angeht stimme ich Ihnen vollkommen zu. Letztens las ich zu diesem Thema einen Blogeintrag, wo jemand schrieb zum STichwort “Twitter” schrieb: “Welcher Journalist hat denn heute noch den Arsch in der Hose und riskiert etwas und fährt trotzdem hin?”