Die Fotografie, das neue technische Medium des 19. Jahrhunderts, erlebte ihre Blüte zu einer Zeit, als sich auch die Naturwissenschaften aufmachten, die Welt neu zu vermessen. Die Fotografie wurde zum Werkzeug der Wissenschaft. Davon berichten jetzt ein faszinierender Bildband und eine Ausstellung in Wien:
Mikroskopische Fotografien, Fotografien durch das Teleskop, Röntgenfotografie: Schon bald nach seiner Erfindung wurde das Medium zum Hilfsmittel, das für das menschliche Auge eigentlich Unsichtbare einzufangen. Das unendlich Kleine wurde sichtbar, Bewegungen des Menschen konnten visualisiert werden, Blicke in ferne Galaxien wurden möglich und auch solche in das Innere des Körpers.
Josef Maria Eder and Eduard Valenta; Chamäleon Cristatus, 1896; Kupferlichtdruck
250 fotografische Arbeiten versammelt die Ausstellung in der Wiener Albertina und der dazu erschienene Band, darunter Aufnahmen von Henry Fox Talbot, solche von Auguste-Adolphe Bertsch, Bewegungsstudien von Muybridge, Röntgenaufnahmen von Josef Maria Eder und Eduard Valenta: allesamt Bilder, die in ihrer Zeit für erhebliches Erstaunen gesorgt haben.
Andreas Ritter von Ettingshausen; Querschnitt durch den Stängel einer Clematis, 4. März 1840; Daguerreotypie; © Albertina, Wien – Auguste-Adolphe Bertsch; Männliche Krätzmilbe, um 1853-57; Salzdruck; © San Francisco Museum of Modern Art, Mitglieder des Foto Forums
William Henry Fox Talbot; Mikrophotographie von Mottenflügeln, um 1840; Kalotypie-Negativ; © National Media Museum Bradford, England
A. H. Binden; Blitz, 1888; Silbergelatineabzug; © Stephen White Sammlung II, Los Angeles
Noch erstaunlicher ist aber, dass etwa die Bilder einer männlichen Krätzmilbe (Auguste-Adolphe Bertsch, um 1853-57), eine Mikrofotografie von den Flügeln einer Motte (William Henry Fox Talbot, um 1840), eine Röntgenaufnahme einer Hand mit Ring, (Henri van Heurck, 1896), die Mikrofotografie eines Flohs (Arthur E. Durham, 1863 oder 1864) oder Andreas Ritter von Ettingshausens „Querschnitt durch den Stängel einer Clematis“, entstanden 1840, noch heute in Beunruhigung versetzen: Wir, die wir scheinbar schon alles gesehen haben in dieser Bilderwelt, wundern uns ob der ungesehenen Geisterhaftigkeit dieser Bilder.
Ganz so neu ist die Beschäftigung mit dem Thema freilich nicht. Schon im Jahr 1997 ist bei Hatje Cantz der Band „Im Reich der Phantome, Fotografie des Unsichtbaren“ erschienen, der auf die Pioniere jener frühen Wissenschaftsfotografie aufmerksam machte in deren Tradition sich die künstlerische Foto-Avantgarde des 20. Jahrhunderts von Man Ray bis Anna und Bernhard Blume gerne stellte.
(Marc Peschke)
Eadweard Muybridge; Bouquet mit Reiter, um 1887; Kollotypie
Ausstellung:
Fotografie und das Unsichtbare
Bis 24. Mai 2009
Albertina Wien
Albertinaplatz 1
1010 Wien
Täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch 10 bis 21 Uhr
Buch:
Corey Keller, Monika Faber und Maren Gröning (Hrsg.)
Fotografie und das Unsichtbare 1840-1900 (bei amazon.de)
242 Seiten mit zahlreichen farbigen Abbildungen. Deutsch. Gebunden
Brandstätter Verlag. Wien 2009
ISBN 978-3-85033-271-2
49,90 Euro