Manchmal ist die Schweiz ziemlich weit. Walter Pfeiffer etwa, in unserem Nachbarland ein Fotograf mit Kultstatus, kennen in Deutschland nur wenige. Dies wird sich vielleicht mit dem Erscheinen eines neuen Buches ändern, das jetzt vom Steidl-Verlag herausgegeben wurde, als Begleitband einer großen Schau im Fotomuseum in Winterthur:
Walter Pfeiffer, 1946 geboren, in Zürich lebend, ist einer jener Kreativen, die sich nicht entscheiden wollen: Er arbeitete als Plakatgestalter, Zeichner, Illustrator, als Theaterautor, als Filmemacher und Bildender Künstler. Schließlich und vor allem wirkte er in den vergangenen Dekaden als Fotograf, der in ungewöhnlicher Weise Lifestyle abbildet und dabei immer wieder (sehr lässig und ganz nebenbei) die Sphären der Kunst streift.
Links: Walter Pfeiffer. Ohne Titel, 2005. C-Print, 116 x 79 cm. © Walter Pfeiffer / Pro Litteris
Rechts: Walter Pfeiffer. Ohne Titel, 1976. C-Print, 59 x 39,5 cm. © Walter Pfeiffer / Pro Litteris
Was als erstes ins Auge fällt, sind seine Farben: Satt, leuchtend, verspielt, von erotischer Ausstrahlung. Glamourös und sinnlich sind seine Bilder, die noch bis zum 15. Februar 2009 im Fotomuseum in Winterthur zu sehen sind diese Bilder von den jungen Schönen, von Männern und Frauen, die er seit den frühen siebziger Jahren fotografiert. Bilder voller skurriler, komischer Momente. Vor allem aber ist Pfeiffer tatsächlich In Love With Beauty, wie die Ausstellung in Winterthur heißt. Das Schöne festzuhalten, schöne Momente voll Glanz, Witz und Besonderheit, das ist seine Idee von Kunst. Das ist sein Leben. Eine Art zu Leben, eine Art, durch das Leben zu gehen, die ein wenig an Andy Warhol erinnert.
Andy Warhol verstaute einst in seinen legendären „Time Capsules“, in 610 Kartons, all das, was ihm wichtig war. Kleines und Großes, Bedeutendes und Unbedeutendes. War eine „Zeitkapsel“ voll, wurde sie von Warhol verschlossen. Und so ist es auch mit den Fotografien von Walter Pfeiffer: Er sammelt alles, was ihm wichtig ist und auch hier gibt es keinen Unterschied zwischen Hochkunst und Gebrauchskunst, zwischen high und low, zwischen Kleinem und Großem, zwischen Bedeutendem und Unbedeutendem.
Walter Pfeiffer. Ohne Titel, 1973. Aus „Carlo Joh.“. Silbergelatine-Abzug, 11 x 15,5 cm. © Walter Pfeiffer / Pro Litteris / Sammlung Fotomuseum Winterthur
Und: Auch Pfeiffer hatte eine eigene „Factory“. Eine Freundesgruppe, die er an ihrem Treffpunkt, einer Zürcher Abbruch-Villa, fotografierte: junge, androgyne Menschen, Bohème, mit Sinn für Stil und Schönheit. Bekannt wurde Pfeiffer 1974, als er in Jean-Christophe Ammanns legendärer Gruppenausstellung „Transformer Aspekte der Travestie“ die Serie „Carlo Joh., Juli 1954 bis Jan. 1974“, Bilder eines jungen Mannes in Frauenkleidern zeigte: Transformation, das Spiel mit den Geschlechterrollen, ein populäres Thema dieser Jahre. Bald entwickelte er seinen Stil, der an Zeitgenossen wie etwa Nan Goldin erinnert, der jüngere Fotografen wie Wolfgang Tillmans beeinflusst haben könnte: Fotografie als Tagebuch, Fotografie, die genauso Schnappschuss sein konnte wie perfekte Inszenierung, Fotografie voller Bildwitz, voller Unbeschwertheit, voll mit spannendem Alltag, voller Verlorenheit und oft homoerotischem Reiz. Modefotografie? Ja, aber noch viel mehr.
Links: Walter Pfeiffer. Ohne Titel, 2004. C-Print, 59 x 39,5 cm. © Walter Pfeiffer / Pro Litteris
Rechts: Walter Pfeiffer. Ohne Titel, 2006. C-Print, 59 x 39,5 cm. © Walter Pfeiffer / Pro Litteris
Wie wenig man oft braucht für gute Fotografie: Pfeiffer arbeitet bis heute mit einer analogen Sucherkamera. Ein Objektiv, ein Blitz. Mehr ist nicht nötig, wenn die Bildideen stimmen. Zumeist entstehen seine Bilder in nächster Nähe: in der eigenen Wohnung, in Zürich, um die Ecke.
Zehn Jahre hatte Pfeiffer, der ewige Grenzgänger, aufgehört, zu fotografieren, malte lieber eine Dekade. Seit einigen Jahren arbeitet er wieder als Fotograf für manche der besten Magazine weltweit. Und jetzt stellt er in den besten Museen aus Dank des neuen Interesses am Miteinander von Werbung, Lifestyle und Kunst. Das jetzt im Steidl-Verlag erschienene Buch verknüpft Pfeiffers Zeichnungen und Notizbuch-Einträge mit seinem fotografischem Werk.
(Marc Peschke)
Ausstellung:
Bis 15.2.2009
In Love with Beauty Walter Pfeiffer
Fotomuseum Winterthur
Grüzenstrasse 44-45
8400 Winterthur, Schweiz
Buch:
Walter Pfeiffer
In Love With Beauty (bei amazon.de)
360 Seiten
Steidl-Verlag. Göttingen 2008
ISBN 978-3-86521-857-5
58 Euro
…
Ich sach hier mal nix, sons Gips wieda nur Ohrlaschen!
Allen einen guten Rutsch!
Sie haben recht.
Das ist wirklich eine typische Verhaltensweise, die man in der heutigen Zeit oft sieht.
Das ist aber wie im Märchen aus uralter Zeit …
Jeder sieht was und denkt sich was dabei. Aber keiner sagt was. Und man fühlt sich im Schweigen geborgen. Offensichtlich finden alle die Produkte des Künstlers ganz toll.
Aber wehe wenn dann einer kommt und ganz laut “der kaiser ist ja nackt” ruft!
Dann braucht man urplötzlich eine Meinung … dann zerbrechen Weltbilder … und dann wird die Kunst (ganz entgegen der Lehre aus dem Märchen) aus Eigenschutz ins Unermeßliche überhöht. Und die, die die Nacktheit erkennen, sind ganz schnell die Banausen.
PS: Ich finde die Bildbeispiele seltsam ausdruckslos. Wenn das die Kunst sein soll, ohne Ausdruck zu bleiben, dann kann man auch Parkuhren ablichten. Aufgrund der hier gezeigten Beispiele ist der Fotograf für mich nicht interessant.
Die Fotos gefallen Senfi.
Allen einen guten Rutsch,
—–
senfi
Das ist also Kunst!?!
Offenbar wird Kunst heutzutage nur noch davon definiert, mit Hässlichem zu provozieren. Je provokanter und je technisch dilettantischer, desto hochgelobter wird man als “Künstler”. Diese ganzen Walter Pfeiffers, Jürgen Tellers & Co. haben alle eins gemeinsam: Abgefuckte Models (androgyne Typen und irgendwelche Koks-Girlies) in abgefuckten Posen vor abfuckten Hintergründen – und das alles in einem abgefuckten “Stil” fotografiert. Wieviel Koks muss man sich als Kunstkritiker/-experte herein ziehen, um so überschwänglich von dieser gesammelten Trash-Kunst zu schwärmen!?!
Ruhig, Herr Boeres
wischen Sie sich erstmal die Sabber ab. Ich glaube nicht, dass diese Fotos provokant sind, da habe ich schon provokantere gesehen. Und Hässlichkeit sitzt allenfalls im Auge des Betrachters.
Auch Ihnen einen guten Rutsch und feiern sie mal ordentlich, das befreit… :-}