Zu bestaunen ist zumeist Verlorenes: Lebenswelten, die es heute nicht mehr gibt. – Anmerkungen zu Fotografien von Marion Gräfin Dönhoff:
„Reisebilder“, so der schlichte Titel eines Fotobuchs mit fotografischen Arbeiten von Marion Gräfin Dönhoff, das vor zwei Jahren im Verlag Hoffmann und Campe erschienen ist. Fotografien und Texte aus vier Jahrzehnten finden sich in diesem heute vergriffenen Buch, Bilder der bekannten Autorin, Journalistin, „Zeit“-Chefredakteurin und -Herausgeberin, die ihre Leidenschaft für die Fotografie pflegte viele lange Jahre.
Marion Gräfin Dönhoff im Irak
Diese „Reisebilder“ sind nach einer Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe nun im Frankfurter Literaturhaus zu sehen. Darunter auch Fotos von Reisen, welche die 1909 geborene, im Jahr 2002 verstorbene Gräfin Dönhoff bereits in den dreißiger Jahren, als junge Frau in dieser Zeit sensationell gemeinsam mit ihrer Schwester Yvonne unternahm: in einem weißen Cabrio und mit einer Leica, ihrem Abiturs-Geschenk aus dem Jahr 1928. Präsentiert werden Bilder aus Ostpreußen, dem ehemaligen Jugoslawien, Albanien, Russland, Masuren, dem Mittleren Osten, Asien und Afrika, die viel von der Lebenswirklichkeit der bereisten Länder erzählen. Zu bestaunen ist zumeist Verlorenes: Lebenswelten, die es heute nicht mehr gibt.
Die Qualität der postum durch Dönhoffs Großneffen entdeckten Fotografien ist hinsichtlich Kompositionen und Bildideen weit überdurchschnittlich, beinahe hervorragend. Wie etwa die frühen in Ostpreußen entstandenen Landschaften, die schwere Melancholie atmen. Wie schade, dass Dönhoff in den frühen sechziger Jahren die Fotografie ganz aufgab, weil sich das Bildermachen, wie sie meinte, nicht mit dem Schreiben vertrug: „Wenn man es richtig machen will, kann man als Journalistin nicht sowohl fotografieren als auch schreiben.“
Marion Gräfin Dönhoff und ihre ältere Schwester Yvonne
Anlässlich der Eröffnung der Ausstellung las Klaus Harpprecht ehemaliger Berater von Willy Brandt aus seiner neuen, bei Rowohlt erschienenen Biografie „Die Gräfin. Marion Dönhoff“ und rief einige Stationen ihres Lebens in Erinnerung: ihr Studium der Volkswirtschaft, die Flucht vor den sowjetischen Truppen aus Ostpreußen in den Westen, die Arbeit in Hamburg bei der „Zeit“, ihren Einsatz für die Versöhnung von Ost und West: eine Zeugin des 20. Jahrhunderts. „Die Welt ist so, wie man sie sieht“, sagte Marion Gräfin Dönhoff einmal. Jetzt hat man in Frankfurt die Möglichkeit, die Welt durch ihre Augen zu sehen.
(Marc Peschke)
Ausstellung:
Literaturhaus Frankfurt
„Marion Gräfin Dönhoff. Reisebilder Fotografien und Texte aus vier Jahrzehnten“
Bis 19. Dezember 2008
Montag bis Freitag, 11 bis 18 Uhr
Im 1. Stock des Literaturhauses Frankfurt
Die Welt ist so, wie man sie sieht?
Gott sei Dank ist die Welt nicht so wie sie die Dönhoff gesehen hat !!!
Wie wäre es mal mit einem Beitrag über August Sander, oder Weegee ? h.
Weltsichten
[quote=Gast]Gott sei Dank ist die Welt nicht so wie sie die Dönhoff gesehen hat !!![/quote]
Aber die Welt ist so, wie Sie sie sehen?
Jeder hat seinen eigenen Blick auf die Welt.
Sonst gäbe es auch nicht so viele verschiedene “Fotosichtweisen”, die uns so fesseln können.
Ob das ein Glück ist (war) …
[quote=Gast]Gott sei Dank ist die Welt nicht so wie sie die Dönhoff gesehen hat !!![/quote]
Sie ist (war) AUCH so, wie sie die Dönhoff sah.
ed