Foto, Ausschnitt aus Hubbard + Birchler; No Room to Answer… sonst ist man immer ein Gefangener der Erinnerung; eines Panzers, aus dem es kein Entkommen gibt:

So sieht es aus, wenn die Erinnerung wie eine Wunde immer wieder aufplatzt, wenn die Vergangenheit nicht mehr aufhört zu schmerzen: Die Protagonistin des Videofilms „Single Wide“ von Teresa Hubbard und Alexander Birchler ist gefangen in ihren Erinnerungen. Im Endlos-Loop passiert Folgendes: Die Frau klaubt sich im Haus der Eltern immer wieder einige Spielsachen und Kindheitserinnerungen zusammen, packt alles in eine große Tasche, steigt in ihr Auto, fährt weg, um bald wieder zurückzukommen und vor dem Haus zu parken.
 

Foto Hubbard + Birchler; No Room to Answer

 
Die Frau weint, schlägt mit den Fäusten gegen das Lenkrad – und fährt frontal in das Haus hinein. Dann steht sie vor einem Spiegel, betrachtet die Wunde auf der Stirn und beginnt bald wieder, ihre Spielsachen einzusammeln. Sie steigt sie ins Auto und das Spiel beginnt von neuem. „In einer Zeit, in der das Körpergedächtnis zur Disposition steht – das genetische, das biografische, das sich erinnernde und das kulturelle Gedächtnis – in einer Zeit beschleunigter Gesellschaften konfrontieren uns Teresa Hubbard und Alexander Birchler mit einer archaischen Dimension des Menschen“, schreibt Jean-Christophe Ammann über „Single Wide“.

Was man nicht vergessen kann, das muss man zerstören. Sonst ist man immer ein Gefangener der Erinnerung: eines Panzers, aus dem es kein Entkommen gibt. Auch einige andere Arbeiten des in Austin lebenden Künstlerpaares lassen sich so interpretieren. Auch viele fotografische Werke sind in den vergangenen Jahren entstanden: Wie sehr sich Film und Fotografie heute durchdringen, wie sehr die Fotokunst von der fiktionalen Sprache des Kinos zehrt, führen Hubbard und Birchler immer wieder in geheimnisvoller und faszinierender Art und Weise vor.
 

Foto Hubbard + Birchler; No Room to Answer

 
Video und Fotografie sind gleichberechtigter Teil eines aufwändig inszenierten, kinematografisch-künstlerischen Werkes, wie man in dem jetzt bei Hatje Cantz erschienenen Katalogband „No Room To Answer“ sehen kann: Die Irin Teresa Hubbard und der Schweizer Alexander Birchler sind Meister geheimnisvoll-brillanter Bilder, die sich in einer, so der Verlag, „ätherischen Zone zwischen Realität und Traum“ bewegen.

Der Katalog stellt alle wichtigen filmischen Arbeiten und Foto-Inszenierungen seit den späten 80er Jahren umfassend vor. Auffällig oft sind es Frauenfiguren, in sich gekehrt, verschlossen, in Gedanken, die im Zentrum der Arbeiten von Hubbard / Birchler stehen. Sinnierend, brütend, wartend, ins Leere starrend. Was am Werk des Paares am meisten fasziniert, ist wohl die Ungewissheit: Niemals gibt es ein Ende der Geschichte, alles bleibt offen, vage und ambivalent.

(Marc Peschke)

Titelabbildung Hubbard + Birchler; No Room to Answer

 
 
Pam Hatley (Hrsg.)
Hubbard / Birchler: No Room to Answer (bei amazon.de)
Vorwort von Marla Price, Texte von Sara Arrhenius, Iris Dressler und Andrea Karnes
Gespräch mit den Künstlern von Andrea Karnes
Deutsch/Englisch
Verlag Hatje Cantz 2008
192 Seiten. 230 farbige Abbildungen. Broschur
ISBN 978-3-7757-2267-4
29,80 Euro / CHF 52