Diesen Monat wagen wir einen Blick auf die Ränder, auf das Subjektive, auf die schwierigen Themen:
Im vergangenen Monat berichteten wir über den „Monat der Fotografie“ in Berlin. Dieser Monat ist nun vorbei und in Pressemeldungen erfahren wir, wie spitze alles war: Besucherrekord, na klar. Gerne überschlägt sich die Fotokunst in Superlativen: immer höhere Preise auf dem Kunstmarkt, immer mehr Besucher in Ausstellungen, immer mehr Galerien, die sich der Fotografie widmen.
Das ist alles sehr spannend, zweifellos, doch sollte man den Blick auf die Ränder, auf das Subjektive, die schwierigen Themen nicht vergessen. Da gibt es etwa eine Ausstellung im Kunstmuseum in Bern, die aufhorchen lässt. „Ego Documents“ heißt sie und der Untertitel: „Das Autobiografische in der Gegenwartskunst“. Bis zum 15. Februar ist die Schau zu sehen, für die Kuratorin Kathleen Bühler Kunst zusammengestellt hat, die sich mit Selbstdarstellung, Narzissmus, Vergänglichkeit, biografischer Rückschau und Selbstfindung befasst. Es sind auch einige fotografische Arbeiten zu sehen, subjektive Werke wie etwa jene von Jack Pierson, dessen Selbstporträts kurioserweise nicht den Fotografen selbst zeigen, sondern andere Menschen, die den Künstler in einem bestimmten Lebensalter repräsentieren sollen.
Jack Pierson: Self Portrait 1, 2003, Pigment print. Ed. of 7, 137,2 x 111,8 cm – Self Portrait 6, 2003, Pigment print. Ed. of 7, 137,2 x 111,8 cm
Gezeigt werden Werke von Louise Bourgeois, Martin Kippenberger, Dieter Roth, Nan Goldin, Xiaoyuan Hu, Jack Pierson, Sadie Benning, Anri Sala, Annelies Strba, Zarina Bhimji, On Kawara, Mona Hatoum, Darren Almond, Nicolas Nixon, Isabelle Krieg, Ana Strika, Laura Lancaster und vielen anderen. Zur Ausstellung ist ein Katalog im Heidelberger Kehrer-Verlag erschienen: ego documents – Das Autobiografische in der Gegenwartskunst.
Das Subjektive, das Autobiografische ist auch ein wichtiges Thema für die Ausstellungen, die Petra Rietz seit einiger Zeit in ihrem Berliner „Petra Rietz Salon“ organisiert. Jetzt ist unter dem Namen „Wurzeln“ ein Buch erschienen, der einige Künstler des Salons vorstellt: „Die Beschäftigung mit den eigenen Wurzeln ist per se ein schöpferisches Unterfangen. Ihr Motiv und Ziel ist die Idee die ebenso sehr Versprechen wie Risiko ist , sich selbst neu zu entwerfen, sich eine neue Identität, eine neue Legende zu geben. Den Stoff der Vergangenheit neu zu weben, um sich eine Heimat für die Zukunft zu bauen.“ Im Buch sind Arbeiten von Edith Winner, Volker Eich, Dinu Li, Karen Oostenbrink, Petra Rietz, Florian Schwarz und SpringerParker versammelt.
Fotoübermalung Gerhard Richter, 7. April 05, 10,0×14,8 cm
Fotoübermalung Gerhard Richter, 1. Juli 94, 14,9×9,8 cm
Subjektiv, ungesehen ist auch der bei Hatje Cantz erschienene Band über Gerhard Richters Fotoübermalungen. Kaum bekannt sind diese kleinformatigen Arbeiten, bei denen der Maler-Star Fotoabzüge mit Ölfarbe übermalt. Was am Anfang wie eine ziemlich wahllose Kleckserei anmutet, entwickelt bei näherer Betrachtung einen überraschenden, wilden Sog. Die Arbeiten sind bis zum 18. Januar 2009 auch im Museum Morsbroich in Leverkusen zu bestaunen.
Haben wir uns an dieser Stelle eigentlich schon einmal über den oft so unverständlichen Ton vieler Katalog- und Buchtexte über Fotografie beschwert? Bisweilen macht es wenig Spaß, all diese Ergüsse zu lesen. Das Schreiben über Kunst und Fotografie, so könnte man sagen, steckt in einem Dilemma so auch das Fazit eines Workshops der Montag Stiftung Bildende Kunst, die jetzt ein kleines Buch zum Thema herausgegeben hat: Sprache als Tarnung? Das Dilemma der Kunstkritik.
Und sonst? Natürlich, es weihnachtet sehr. Wollen Sie vielleicht Fotokunst verschenken? Dann wagen Sie doch einmal den Gang durch die Galerien Ihrer Stadt. Gerade jetzt gibt es oft kostengünstige Editionen und Kleinpreisiges. Doch vergessen Sie dabei den Blick auf die Ränder nicht!
(Marc Peschke)