„Müllkastenfotograf“, so wurde Bernd Heyden von offizieller Seite genannt:
Manchmal ist Fotografie wie ein Wunder. Sie lässt fragen: Wie kann es sein, dass sich die Welt so verändert hat? Beim Betrachten der Berliner Szenen von Bernd Heyden geht es einem so Fotografien des Prenzlauer Bergs, die zwischen 1966 und 1980 entstanden sind und jetzt zu einem Buch vereinigt wurden.
Bernd Heyden, geboren 1940 in Swinemünde und bereits im Jahr 1984 in Berlin verstorben, wuchs dort auf, wo er seit Mitte der sechziger Jahre stets fotografierte, im Viertel des Prenzlauer Bergs. Hier arbeitete er als freier Fotograf, als Chronist des Viertels. Sein fotografischer Nachlass wird heute vom Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz verwaltet.
1984 schrieb Jutta Voigt im „Sonntag“: „Bernd Heydens Prenzlauer-Berg-Bilder sind wie Tagebuchblätter, so persönlich, so bekenntnishaft. Es ist der Blick des Beteiligten, nicht der des Passanten nicht Pose, sondern Wesen.“ Beim Blättern im Buch, das im Leipziger Lehmstedt-Verlag erschienen ist, verstehen wir, was die Autorin meint: Diese Bilder sind so ungekünstelt, so aus dem Leben gegriffen, so ungeschönt, dass man glauben mag, was über Heydens Stellung in der DDR-Fotoszene berichtet wird: „Müllkastenfotograf“, so wurde Heyden von offizieller Seite genannt. Einer, dessen fotografischer Blick nicht Fortschrittsoptimismus predigt, sondern auch die hässlichen, gewöhnlichen Seiten des Alltags einzufangen versucht.
Zerfallene, graue Gründerzeit-Gemäuer in der Schönhauser Allee und im Bötzow-Viertel, viele tragen noch die Einschusslöcher des Krieges, Arbeiter und Handwerker, die ihren Beruf ausüben, Kohleträger, Straßenkehrer, Fleischer und Schornsteinfeger in den dunklen Hinterhöfen, Kneipenszenen, Kartenspieler, Flaschenbiertrinker, Menschen an der Imbissbude, wunderbare Porträts von Kindern und Jugendlichen, verliebte Pärchen: Bilder eines aufmerksamen, empfindsamen Fotografen, die melancholisch stimmen. Denn diese Menschen, diese rührende Welt zwischen Idylle und Trostlosigkeit gibt es nicht mehr im neuen, aufgehübschten, teuren, jungen Berlin. Heyden, der von Arno Fischer und Sibylle Bergmann gefördert wurde, ist heute beinahe unbekannt. Herrlich, dass es solche Entdeckungen zu machen gibt.
(Marc Peschke)
Mathias Bertram (Hrsg.)
Bernd Heyden: Berlin Ecke Prenzlauer (bei amazon.de)
Fotografien 19661980
Gebunden. 176 Seiten
Lehmstedt Verlag. Leipzig 2008
ISBN 978-3937146614
24,90 Euro
heute kaum noch möglich…..
dank dem “Recht am eigenen Bild” wird es sowas von der heutigen Zeit nicht geben.
fotografiert man so heute die Leute auf der Str. (also auch die paar, die nicht in ihren Blechkisten sitzen) wird man eher blöd angemacht.
Komischerweise genau von den Leuten die bei einem Unfall dann mit gezücktem Handy dastehen und Bilder knipsen und dann erst vielleicht auch noch daran denken mit dem Ding einen Krankenwagen oder Polizei zu rufen.
und alle anderen denken sie werden reich wenn ihr Gesicht in einem Buch auftaucht. Schließlich verdient der Fotograf ja eine Wahnsinns Kohle damit….
Zum Glück gibts photoshop
Damit kann man die Menschen ja unkenntlich machen.
Und das nächste Gimmick bei Knipskameras wird eine Gesichtserkennung mit direkter Unkenntlichmachung sein.
nicht so neu
Also das Recht am eigenen Bild ist ja so neu nicht. Es galt schon immer, das Einverständnis der fotografierten Personen einzuholen. Das setzt natürlich eine gewisse Bereitschaft zur Kommunikation voraus.
Allerdings sind, wohl aufgrund so übermäßig vieler Knipser, natürlich heute viele Leute zunächst eher unerfreut… Man weiß ja erst mal nicht, wer einen da so alles beobachten will 😉
Ob’s genau die sind, die dann bei Unfällen fotografieren? Wie so oft, würden halt die dann auffallen. Wahrscheinlich ist die Überschneidung aber Zufall.
Wie das halt so oft ist, was unangenehm auffällt wird halt gern auf die ganze Personengruppe bezogen. Das geht ja schon im Unterbewußtsein los. Weil man sich in so einer Situation natürlich ärgert…
“viele tragen noch die Einschusslöcher des Krieges”
Tun se immer noch.
Danke …
… für den tollen Buchtipp.
🙂