Logo EuropeanaDas ambitionierte Projekt „Europeana“ – eine digitale Bibliothek bzw. „ein Ort für Inspiration und Ideen“ – ist im Prototypenstatus online. 2010 soll die finale Version 1.0 fertig sein. Hineinschnuppern kann man schon heute, Begeisterung kommt derzeit allerdings wenig auf:

Die von der Europäischen Union initiierte europäische digitale Bibliothek Europeana umfasst derzeit knapp 2 Millionen digitalisierte Objekte – Bilder, Texte, Tonaufnahmen, Videos – die bis zur endgültigen Version im Jahr 2010 auf 6-10 Millionen Belegstücke anwachsen sollen. Was angesichts der allein rund 2,5 Milliarden Bücher, die in europäischen Bibliotheken lagern, ein bescheidener Anfang ist.
 

Screenshot Europeana

 
Der Prototyp der Europeana ist das Ergebnis eines gut zweijährigen Projekts, das am 20. November 2008 freigeschaltet wurde. „Das Ziel der Europäischen Kommission für die Europeana ist, europäische Informationsquellen in einer Online-Umgebung einfacher zugänglich und nutzbar zu machen. Für die Europeana werden multikulturelle und multilinguale Umgebungen mit technologischen Fortschritten und neuen Geschäftsmodellen verbunden.“ (Zitat von der Europeana-Webseite)

Geleitet wird das Projekt von der EDL Foundation, in der wichtige europäische Kulturvereinigungen vertreten sind. Die Mitglieder sollen über ein bereichsübergreifendes Portal Zugang zum kulturellen und wissenschaftlichen Erbe Europas schaffen.

Besonders fleißig diesbezüglich waren bislang die Franzosen – zumindest führten die meisten Suchanfragen zu französischen Anbietern (wobei Europeana sich letztlich als Sammelstelle für Vorschaubildchen und Links auf die Originaldatei bzw. den Originalanbieter entpuppt). Die dargebotenen Dokumente sind von unterschiedlicher Qualität, das meiste scheint nur sehr niedrig aufgelöst zur Verfügung gestellt zu werden. Mehr als ein „ja, das gibt es und so etwa sieht es aus“ lässt sich dem dann nicht entnehmen. Folgt man den Links, gibt es meist auch nicht mehr zu sehen; außer mitunter Werbung. Genauere Untersuchungen bleiben wohl dem vorbehalten, der den „neuen Geschäftsmodellen“ folgt, sprich, beim bereitstellenden Institut hochauflösende Scans gegen Entgelt ordert (soweit sie angeboten werden) und geduldig auf deren Lieferung wartet.

Schade, ein Projekt, in das bis 2010 immerhin rund 120 Millionen Euro investiert werden sollen, sollte mehr leisten: Unter anderem eine wirkliche virtuelle Bibliothek des europäischen Kulturgutes bereitstellen, in der tatsächlich anhand hochauflösender Scans die Originale genauer erforscht und entdeckt werden können. Auch ein Überdenken bzw. eine Regelung der Urheberrechte, auf dass wenigstens das von der Öffentlichkeit Bezahlte, in Museen und Instituten Lagernde bzw. Digitalisierte, auch kostenlos nutzbar ist. Aber, das kommt ja vielleicht noch.

Bis dahin werden Gebühren fällig – zum Beispiel im Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek: für ein Foto (2039×2899) eines Walachischen Kriegers und Weib aus dem Jahre 1855 will die ÖNB 4,55 Euro beim „Download ohne Verwendung“ und 545,45 Euro für dasselbe Foto bei redaktioneller Nutzung im Internet (unlimitierte Präsentation).

So teuer bleibt unser aller europäisches Kulturgut.

Besser macht es die US-amerikanische Library of Congress, die u.a. 11 Millionen Bücher, 61 Millionen Manuskripte, 14 Millionen Microfiches und 12 Millionen Fotografien katalogisiert hat und verwaltet. Werke, deren Rechte abgelaufen sind (oder deren Rechte in Staatsbesitz sind), werden kostenlos, mitunter auch extrem hochaufgelöst, bereitgestellt – da finden sich digitalisierte Werke in Dateien mit 50 Megabyte und mehr. Darunter solche Pretiosen wie frühe Kollodium-Nassplatten aus dem amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), Photochromdrucke aus Europa und dem nahen Osten, und die Fotografien der Farm Security Administration, für die u.a. Walker Evans und Dorothea Lange fotografiert haben.
 

Photochromdruck; Bamberg - Rathaus mit Wasserparthie

Diese Stadtansicht von Bamberg, entstanden zwischen ca. 1890-1900, wurde neben ca. 6000 weiteren Photochromdrucken von der Library of Congress digitalisiert. Davon stehen auch hochauflösende TIFF-Versionen (um 28 MB) zur Verfügung.

 
Das Projekt Europeana hat noch einen weiten Weg vor sich, wenn es wirklich zur multimedialen Online-Bibliothek Europas werden will, auf dass es „die Europäer des 21. Jahrhunderts dazu inspiriert, der Kreativität ihrer innovativen Vorfahren nachzueifern, wie es die treibenden Kräfte der Renaissance taten“, so José Manuel Barroso, Präsident der Europäischen Kommission, anlässlich der öffentlichen Vorstellung.

„Europeana: Kultur. Denkste“ möchte man derzeit noch titeln.

(thoMas)