Foto des Kino SchriftzugesDas japanische Unternehmen Kino Precision Industries war in den 1970er Jahren als OEM-Produzent von Fotoobjektiven ein Vorreiter bei der Entwicklung und Produktion hochwertiger Zoomobjektive. Nachdem das Unternehmen ab 1980 mit der Eigenmarke Kiron einen weiteren rakentenhaften Aufstieg erlebt hatte, waren seine Qualitäten mit der Einführung der AF-Objektive immer weniger gefragt und das Unternehmen verschwand ebenso aus der Fotowelt wie seine Vertriebspartner:

Das Unternehmen Kino Precision Industries Limited wurde am 13. Juni 1959 von Tatsuo Kataoka zusammen mit einer Gruppe ehemaliger Mitarbeitern von Nippon Kogaku K.K. (Nikon) in Tokio gegründet. Unternehmenszweck war die Fertigung von Aufnahmeobjektiven für 8-mm-Filmkameras, was sich auch im Firmennamen widerspiegelt. In der Erwartung, dass sich Zoomobjektive auch im Bereich der Photographie gegen Festbrennweiten durchsetzen sollten, begann das Unternehmen schon Mitte der 1960er Jahre die Ausweitung von Entwicklung und Fertigung auf das Kleinbildformat. Begonnen wurde mit zwei eher konventionellen Telebrennweiten (2,8/135 und 3,5/200 mm), kurz darauf gefolgt von zwei Weitwinkeln ( 2.5/28 und 3.8/20 mm). Mit der Fertigung eines 85-205-Zoomobjektivs begann man nicht nur mit der Kannibalisierung des eigenen Festbrennweitengeschäftes, sondern sorgte erstmals für einen allgemeinen Verkaufsrückgang bei festen Telebrennweiten von 135 und 200 mm. Dies nahm man bei Kino offensichtlich in Kauf, da sich auch die nächste Zoomentwicklung zum wahren Kassenschlager entwickelte. Das 3,5/70-210 mm Schiebezoom kam 1970 als Vivitar Serie 1 Objektiv auf den Markt. Es zählte schnell zu den beliebtesten Zoomobjektiven und wurde unglaubliche 10 Jahre lang mit nur geringen Änderung (VMV Mehrfachvergütung) gebaut, bevor es bei Vivitar durch eine neue Rechnung und einen neuen Lieferanten abgelöst wurde. Als Kiron 4/70-210 mm ohne die von Vivitar gewohnte Makro-Einstellung, dafür jedoch teilweise mit Zoom-Lock, wurde es ab 1980 über die Kino Precision Tochter Kiron zuerst in den USA und später auch in Europa vermarktet.
 

Kiron 4/70-210 mm vorne, dahinter Vivitar 3,5/70-210 mm

Ungleiche Schwestern: Kiron 4/70-210 mm vorne, dahinter Vivitar 3,5/70-210 mm

 
Nachdem Kino in den 1970er Jahren weitgehend von der Abnahme seiner Produkte durch Vertriebsunternehmen mit Marken wie Vivitar und Soligor abhängig war, die in sehr unregelmäßigen, für die Fertigung kaum kalkulierbaren, Abständen Fertigungsaufträge erteilten und auch sprunghaft zwischen verschiedenen Lieferanten wechselten, wollte man mit der Etablierung der Eigenmarke „Kiron“ eine kontinuierlichere Auslastung der eigenen Fertigungsanlagen ermöglichen. Erste Erfahrungen hatte man zu diesem Zeitpunkt in Europa schon mit der Marke Panagor gewinnen können. Mit Kiron sollte für Kino alles noch besser werden. Man baute die Marke in den USA neu auf, stellte erfahrene US-Manager bei der US-Vertriebstochter ein, beauftragte mit Chiat/Day eine etablierte Werbeagentur und erreichte in nur 12 Monaten nach der Markteinführung im Verkauf den Rang 4 unter 64 Fremdobjektivmarken in den USA (Kiron Lenses – How to go from 0 to 4 in 12 months).

Neben den zumeist als Schiebezoom ausgeführten Objektiven lieferte Kiron auch sogenannte Variofocus-Objektive, bei denen die Fokussierung bei jeder Brennweitenänderung neu erfolgen musste.
 

Foto des Kiron Variofocus-Objektivs 28-105 mm

 

Foto des 2,0/28 mm von Kiron

Foto eines Umkehrrings con Kiron

Kiron lieferte in der Folge Glanzstücke wie das 2,0/24 mm oder das 2,0/28 mm. Im Telebereich glänzte man neben dem schon erwähnten 70-210 mm mit einem kompakten 70-150-mm-Objektiv und einem 80-200 mm Zoom, für das man spezielle Telekonverter anbot, die die Brennweite um 1,5 bzw. 2 verlängerten. Daneben lieferte man auch nicht spezifisch gerechnete 2fach Telekonverter und Umkehrringe, z.B. für Nikon Kameras.

Zu den bekanntesten Objektiventwicklungen von Kino Precision zählte das 2,8/105 mm Makroobjektiv. Hiervon gibt es neben der Kiron-Version auch Vivitar- und Soligor-Varianten. Auch Rollei hatte für seine Kleinbildkameras (neben anderen Objektive aus der Kino-Fertigung) ein Objektiv dieser Baureihe in seinem Sortiment.

Vom US-Lieferanten für Dentalbedarf Lester Dine gab es eine spezielle Dentisten-Version des 2,8 /105 mm Objektivs als Lester A. Dine 2,8/105 mm. Bei dieser Ausführung fanden sich auf dem inneren Tubus, der bei der Einstellung auf kürzere Entfernungen frei wurde, weitere Angaben zum Abbildungsmaßstab, die dem Zahnarzt die Anwendung erleichtern sollten. Diese Objektive sind nur in den USA vertrieben worden und werden gebraucht heute für 300 – 400 US-Dollar angeboten.
 

Foto von zwei Kiron-Objektiven 28-210 mm

 
Am Wettlauf um immer größere Brennweitenbereich beteiligte sich Kiron erfolgreich bis zur Leistungsklasse 28-210 mm. Das Unternehmen zählte zu den ersten Anbietern, die Zoomobjektive mit 28-210 mm anboten. Die erste Version mit dem für damalige Verhältnisse gewaltigen Brennweitenbereich hatte eine Lichtstärke von 4,0. Bei der zweiten Variante (vorn im Bild) konnte man die Lichtstärke marginal auf 3,8 steigern.

Der Erfolg von Kiron hatte zum damaligen Zeitpunkt schon seinen Höhepunkt erreicht. Die zunehmenden Forderungen der Kunden nach Autofokus-Lösungen versuchte man bei Kino Precision noch mit eigenständigen Autofokusobjektiven wie dem 3,5/200 mm AF für Vivitar zu erfüllen, konnte damit jedoch nicht mehr an die alten Erfolge anknüpfen.

Nach der Hoch-Zeit der manuellen Fotomechanik und mit dem Aufkommen der Autofokustechnik waren die mechanisch robusten, aber auch schweren, Objektive von Kino Precision immer weniger gefragt. Da zahlreiche für den Bau der AF-Objektive benötigten Techniken und Verfahren von ihren Entwicklern patentrechtlich geschützt waren, konnten die neuen Objektive nur unter Lizenz oder aufgrund eigener Umgehungsentwicklungen (wie von Sigma realisiert) gebaut werden. Kino Precision hat sich 1987 offensichtlich entschlossen, die eigene Objektivfertigung einzustellen und hat zur Erfüllung von bestehenden Lieferverpflichtungen mit Distributoren im Ausland für einige Zeit noch Objektive von Tokina bezogen, die als Kiron verkauft wurden.

Letzte verfügbare Informationen weisen darauf hin, dass Kino später noch optische Komponenten als Zulieferer für andere Hersteller produzierte. Ob die Produktion derzeit noch fortgeführt oder das Unternehmen inzwischen geschlossen wurde, ließ sich bislang nicht ermitteln. Auch die Spuren zu den damaligen Vertriebspartnern laufen ins Leere.

(CJ)