Die Finanzkrise soll nach Einschätzung des internationalen Währungsfonds weltweit bis zu 1,4 Billionen US-Dollar Verluste hervorrufen. Konsumabhängige Unternehmen wie die Kamerahersteller sehen den nächsten Monaten des laufenden Geschäftsjahres mit Bangen entgegen:

Der weltweite Wirtschaftsabschwung ist im vollen Gang. Eine Beruhigung der Lage wird nicht vor Mitte 2009 prognostiziert. Diese Finanzkrise trifft vor allem Branchen, die nach schweren Zeiten gerade wieder Hoffnung auf bessere Geschäfte schöpften.

Die Kamerahersteller begründen die schwierige Marktlage und die verschärften Bedingungen mit der weltweiten Konjunktur. Sicherlich konnten in den letzten Monaten die Unternehmen der Kamerabranche die Auswirkungen der Finanzkrise vor allem in den USA spüren. Der amerikanische Konsument ist zutiefst verunsichert, das Leben auf Pump erweist sich als Luftblase. Die schwelende Krise ist nach Europa herübergeschwappt. Der Nachfragerückgang wird auch weitere Anbieter der Unterhaltungselektronik treffen. Laut einer BITKOM-Umfrage, allerdings vom September, fühlten sich aber 86 % der deutschen IT-Unternehmen derzeit noch nicht von der Finanzkrise betroffen. Immerhin gaben 13 % an, dass sie weniger Aufträge als erwartet erhielten.

Hauptsächlich Canon, Nikon und Panasonic konnten sich in den vergangenen Monaten am Kameramarkt behaupten. Sony kämpft, u.a. mit seinem defizitären Telekommunikationsengagement bei SonyEricsson. Nachfragerückgänge bei den Handyanbietern ziehen Auftragsrückgänge bei den Objektivherstellern und Handykameraherstellern, wie Tamron oder Samsung, nach sich. Die Halbleiterindustrie, die gerade auf dem Weg der Erholung war, bricht wieder ein und zieht die Zulieferer wie Sanyo oder Hoya (Pentax-Mutterkonzern) mit in die Tiefe.

Fast alle Kamerahersteller haben ihr Gewinnziel für das laufende Geschäftsjahr gesenkt. Lediglich Panasonic will der Krise trotzen. Die mögliche Übernahme von Sanyo durch Panasonic ließe den größten japanischen Konzern der Unterhaltungselektronik frei nach dem Darwinschen Motto „Survival of the fittest“ entstehen. Fällt der Blick nicht auf einen Mitbewerber, so wird fleißig über Aktienrückkäufe in das eigene Unternehmen und seine Stärke investiert, wie eben bei Canon und Panasonic geschehen. In Zeiten der Finanzkrise dient der Aktienrückkauf bei ausreichender Kapitalstärke auch zur Stützung des Aktienkurses und zur Dividendensicherung für die Aktionäre, deren Vertrauen ein Unternehmen erhalten will.

Gezielte Gegenstrategien sollen die Auswirkungen der Krise abmildern. Die Fokussierung auf den Kerngeschäftsbereich soll in vielen Unternehmen vorangetrieben werden. So hat unlängst die Nachrichtenagentur Reuters berichtet, dass Samsung Techwin das Kamerageschäft auslagern und als Tochtergesellschaft fortführen will. Damit soll vor allem der Aktienwert der anderen, profitablen Geschäftsbereiche von Samsung Techwin gestützt werden. Startschuss für das neue Unternehmen mit Namen Samsung Digital Imaging soll der 1. Februar 2009 sein.

Fast alle Anbieter wollen als Vermarktungsstrategie den Mehrwert ihres Produktes am Markt etablieren. Einzelne hochwertige Produkt- und Alleinstellungsmerkmale sollen aggressiv beworben und herausgestellt werden. Die Marketingbudgets sollen, zum Beispiel bei Casio, auf die Ferien- und Weihnachtszeit konzentriert werden. Schon jetzt sind die Marketing- und Vertriebsausgaben bei etlichen Unternehmen gestiegen, so dass der operative Gewinn sich verringert hat.

Die Fokussierung auf die Umsätze kann kurzfristig Marktanteile sichern, Verkaufsförderungsmaßnahmen wirken stabilisierend. Sie erhöhen aber auch den Konkurrenzdruck am Markt. Die Preisschraube wird sich bei sinkender Konsumentennachfrage weiter nach unten drehen. Wachstum bedeutet dann, erneute Risiken einzugehen, wenn ein Produkt unterpreisig verschleudert werden muss. Es ist aber durchaus möglich, dass in einigen Unternehmen, aufgrund der schlechten Quartalszahlen, die Marketingbudgets gekürzt werden. Die Marketingstrategie wird sich weniger nach dem Gießkannenprinzip, sondern regional verschieden auf wenige Produkte konzentrieren. „Selection & Concentration“ – Auswahl und Fokussierung – ist das neue Motto. So setzt Nikon große Hoffnung auf die russische Vertriebstochter, sieht hohes Wachstumspotential in Russland.

Fujifilm hat erkannt, dass das eigene Lieferkettenmanagement hakt und nicht verzahnt ineinander greift. Das erhöht unnötig die Kosten (zum Beispiel bei zu hohen Lagerbeständen) und senkt die Profitabilität.

Die Senkung von Fixkosten und eine Reduzierung der Vertriebs- und Verwaltungsausgaben steht bei vielen Unternehmen an erster Stelle der einzuleitenden Maßnahmen. Neuausrichtung und Umstrukturierungen werden angekündigt und können, wie es so schön heißt, „Personalfreisetzungen“ nach sich ziehen. Diese Maßnahmen zeigen aber meistens erst mit zeitlichem Versatz – siehe auch das Vierjahres-Restrukturierungsprogramm bei Kodak – einen Erfolg.

Bestes Beispiel für einen noch nicht eingetretenen Effekt bei gleichzeitig gestiegenen Kosten durch die Reorganisation ist Pentax. Die Finanzkrise und die konjunkturellen Auswirkungen erhöhen den Druck auf die Kamerahersteller, die Kosten zu senken. Insbesondere dann, wenn auf der anderen Seite der Verkaufspreis des Produkts weiter fällt. Kapitalinvestitionen, zum Beispiel in Fertigungstechnik oder -hallen, werden in das nächste oder übernächste Geschäftsjahr verschoben. So beschreibt Nikon im Geschäftsbericht, dass das Unternehmen eine Kostenreduktion durch Verkürzung der Fertigungszeiten, Bevorzugung vereinfachten Designs und Übernahme einheitlicher Standards („…shortening manufactoring periods, promoting simplified designs, and adopting common platforms…“) erreichen will.

Inwieweit die nächsten Monate wirklich problematisch für die Kamerahersteller werden, ist nicht absehbar. Das Weihnachtsgeschäft mit einem beträchtlichen Anteil am Gesamtjahresumsatz steht vor der Tür. Aber das Problem der Marktsättigung wird das Weihnachtsgeschäft nicht beheben können. Ein Großteil der von den Unternehmen beschriebenen Probleme ist nicht der Weltkonjunktur anzulasten, sondern ist hausgemacht. Wenn ein riesiges Unternehmenskonglomerat den roten Faden in seiner Geschäftstätigkeit verliert, weil es nicht mehr nah am Kunden agiert, dann handelt es sich um interne, tief greifende strukturelle Mängel. Ein Unternehmen, das seine Vielzahl an Produktneueinführungen gegenüber denen des Mitbewerbers am Markt nicht hervorheben kann, hat ein Managementproblem.

(agün)