Sento, Foto Julia BaierSchon im Jahr 2002 beschäftigte sich die Berliner Fotografin Julia Baier in ihrer Serie „Die öffentliche Badeanstalt in Deutschland“ mit dem Thema der Badekultur. Drei Jahre danach fotografierte sie „Sentõ“, ihre Serie über das Baden in Japan – über traditionelle japanische Badehäuser in städtischen Wohnvierteln, die jetzt als Buch erschienen ist:

Im Gegensatz zu deutschen Badeanstalten ist das bis ins 13. Jahrhundert zurück gehende japanische Sentõ – das öffentliche, oft ein wenig versteckt liegende Waschhaus in unmittelbarer Nachbarschaft – kein Ort des Schwimmens, sondern ein Ort der Körperpflege. Ein Ort der Reinigung und Kommunikation. Der Besuch in einem der unzähligen kleinen Sentõs ist für viele Japaner gelebter Alltag. Ein Alltag, der gefährdet ist: Viele der historischen Badehäuser sind bereits verschwunden. Neue Anlagen an den Stadträndern sollen ein jüngeres Publikum ansprechen.
 

Sento, Foto Julia Baier    Sento, Foto Julia Baier

Das Bad im bis zu 56 Grad heißen, oft mineralhaltigen Wasser – zuvor wird der Körper in einem Vorraum gründlich gereinigt – hat eine wohltuende, entspannende Wirkung auf die Menschen, wie man auf den Schwarzweißfotografien sehen kann. Überhaupt: Der Mensch steht im Mittelpunkt der Serie von Julia Baier, denn es ist heute vor allem die soziale Funktion als Treffpunkt, welche die Sentõs erfüllen.

Das nach Geschlechtern getrennte Miteinander der (zumeist sehr entspannt lächelnden) Menschen ist ein Thema Baiers, aber auch der Wandel der Zeit: Zu sehen sind einige sehr traditionelle, noch mit Holz vertäfelte Badehäuser mit ihren Landschaftsgemälden – aber auch modernere, geflieste Sentõs, die teilweise mit Fernsehern, Restaurants, Fitness-Räumen oder Karaoke-Bars ausgestattet sind.
 

Sento, Foto Julia Baier

 
Schon das Blättern in diesem hervorragend gedrucktem und darüber hinaus sehr elegant gestaltetem Fotobuch hat eine entspannende Wirkung: Seite um Seite zieht uns die Fotografin mit einer ungewöhnlichen fotografischen Intimität und Konzentration in ihren Bann – und zeigt uns ein reichlich ungesehenes, unaufgeregtes, nostalgisches, so gar nicht schrilles Stück Japan.
 

Sento, Foto Julia Baier

 
„Mit ihrer Serie hat sie das Glücksgefühl der Japaner eingefangen“, schreibt der japanische Galerist Yoshinori Nomura im Vorwort des Bandes. „Der Moment, in dem wir uns am wohlsten fühlen, ist der Augenblick, in dem wir uns körperlich gereinigt haben und unserem Leib dem heißen Bad hingeben. Auch andere Fotografen haben Bücher über das Sentõ veröffentlicht. Doch niemand hat es vermocht, die vorübergehende Selbstvergessenheit von Leib und Seele so offen einzufangen.“

(Marc Peschke)
 
 

Titelabbildung Sentõ

 
 

Buch:
Julia Baier
Sentõ. Das japanische Badehaus (bei amazon.de)
Mit einem Essay von Rita Zobel und einem Gespräch mit Peter Bialobrzeski
96 Seiten. Fadenheftung, Steifbroschur
40 Abbildungen
Deutsch/Englisch/Japanisch
Peperoni Books. Berlin 2008
ISBN 978-3-9809677-6-1
28 Euro
 
 
Ausstellung:
Japanisch Deutsches Zentrum
Berlin-Dahlem
Saargemünder Str. 2
Bis 5. September 2008
Montag bis Donnerstag 10 bis 17 Uhr, Freitag 10 bis 15 Uhr