Ausschnitt aus einem Foto von Hiroshi Sugimoto„Es geht darum, in die Vergangenheit zurückzugehen und sich zu erinnern, woher wir kommen und wie wir entstanden sind“

Der Besuch eines Wachsfigurenkabinetts macht Gänsehaut. Denn die künstlichen Menschen wirken sonderbar lebendig – gerade in ihrer totenähnlichen Starre. Nach seinen bekannten Theaterbühnen, Seebildern und Fotografien aus naturhistorischen Sammlungen hat der japanische Schwarzweiß-Fotograf Hiroshi Sugimoto in Madame Tussauds Wachsfigurenkabinetten in London und Amsterdam, sowie in einem japanischen Wachsmuseum fotografiert.
 

Foto Hiroshi Sugimoto

Kaiser Hirohito

 
Das Ergebnis ist betörend. Sugimoto zeigt lebensgroße Portraits historischer Persönlichkeiten in  klassischer Strenge, effektvoll ausgeleuchtet vor schwarzem Hintergrund – und tatsächlich scheint das Medium der Fotografie den starren Figurinen neues Leben einzuhauchen. Sugimotos Portraits blicken zurück in die Vergangenheit der Portrait-Malerei – doch auf ganz und gar fotografische Art und Weise.
 

Foto Hiroshi Sugimoto

Henry VIII

 
Auch jene rätselhafte Serie „Wax Museums“ wird nun in einem opulenten Katalogbuch vorgestellt. Es zeigt den 1948 in Tokio geborenen Hiroshi Sugimoto als Chamäleon der Fotografie. Seine verschwommenen Architekturaufnahmen, die grauen Meereshorizonte, die über ganze Filmlänge belichteten Fotografien von Kinoleinwänden: All diese Serien lassen auf den ersten Blick wenige Gemeinsamkeiten erkennen.
 
Es ist vor allem der Faktor Zeit, der Sugimotos Serien miteinander verbindet: Der Fotograf belichtet oft mehrere Stunden mit einer Großbildkamera – und seine Motive verändern sich in dieser Zeit zu transzendental anmutenden Chiffren. Sehr lange arbeitet Sugimoto an seinen Serien: Sein Zyklus „Wax Museums“ entsteht seit 1976, seine „Theaters“ und „Dioramas“ –  Fotografien von naturwissenschaftlichen Schaukästen – seit 1978, die „Seascapes“ seit 1980.
 

Foto Hiroshi Sugimoto

 
So unterschiedlich die Serien anmuten, so eint sie doch dies: Aus allen strahlt Ruhe und kontemplative Schönheit. „Mein Anliegen ist es“, sagte der seit 1974 in New York lebende Sugimoto einmal, „mit den Mitteln der Fotografie eine uralte Stufe der menschlichen Erinnerung sichtbar zu machen … Es geht darum, in die Vergangenheit zurückzugehen und sich zu erinnern, woher wir kommen und wie wir entstanden sind.“
 
Jetzt ist erstmals eine hervorragend gedruckte, elegant gestaltete Monografie Sugimotos in deutscher Sprache erhältlich, welche ausgewählte Arbeiten aus allen wichtigen Werkgruppen vorstellt. Ein stilles, spirituelles Fotobuch eines zeitlosen Fotokünstlers.
 
(Marc Peschke)
 
 
Buch:
 
Hiroshi Sugimoto (bei amazon.de)
Texte von Hiroshi Sugimoto, Kerry Brougher und Pia Müller-Tamm
Deutsch, Leinen mit Schutzumschlag, 26 x 28,5 cm
384 Seiten mit 221 Abbildungen, davon 39 farbig, 181 in Triplex
Hatje Cantz Verlag. Ostfildern 2007
ISBN 978-3-7757-1934-6
68 €
 
 
Ausstellungen:

Hiroshi Sugimoto Retrospektive; Neue Nationalgalerie, Berlin, 4.7.2008 – 5.10.2008
Hiroshi Sugimoto Retrospektive; Kunstmuseum Luzern, 25.10.2008 – 25.1.2009