
Weiße Elefanten – ein Fotobuch von Christian Helmle:
Ein weißer Elefant, ein Albino mit sehr blasser Haut, das ist etwas ganz Besonderes. Eine selten vorkommende Anomalie im Tierreich, in Thailand bis heute ein königliches, heiliges, prestigeträchtiges Symbol, das einer besonders intensiven Pflege bedarf. Der glorreiche König, so steht es in einem alten Text aus dem Königreich Siam, besitzt sieben Dinge: eine perfekte Ehefrau, einen fähigen Schatzmeister, einen weisen Minister, ein pfeilschnelles Pferd, ein Rad des Gesetzes und einen wertvollen Edelstein um seine Aktionen zu leiten, außerdem den nobelsten der Weißen Elefanten.
Wie an vielen S-Bahnhöfen in Berlins Osten wurde auch an der Landsberger Allee ein Büro- und Einkaufszentrum gebaut, mit bis zu 13 Etagen und 67 Meter hoch. Die Landsberger Arkaden, konzipiert vom Mailänder Architekten Aldo Rossi, kosteten 150 Millionen Euro, der Rohbau steht seit 1997 leer. Es existieren Pläne für den Umbau zu einem Hotel. (D, 2005)
Ende des 19. Jahrhunderts berichtete der amerikanische Reiseschriftsteller Frank Vincent erstmals über jene königlichen Tiere doch seitdem hat sich die Bedeutung des Begriffs grundlegend verändert: Heute spricht man von Weißen Elefanten, wenn man Großprojekte der Entwicklungshilfe meint, die zwar viel versprachen, doch in wirtschaftlicher, ökologischer oder humanitärer Hinsicht mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Der Jenaer Zeithistoriker Dirk van Laak hat in seinem 1999 in der Deutschen Verlags Anstalt erschienenen Buch Weiße Elefanten. Anspruch und Scheitern technischer Großprojekte im 20. Jahrhundert die wirtschaftliche Seite des Phänomens beleuchtet, jetzt legt der Thuner Fotograf Christian Helmle einen Bildband vor, der europäische Beispiele jenes unsinnigen Gigantismus vorstellt.
Ein beinahe unbenutzter, von Santiago Calatrava geplanter Flughafen-Bahnhof bei Lyon, an dem kaum ein Zug hält, das monumentale Gerippe eines von Aldo Rossi entworfenen Einkaufszentrums in Berlin, ein Autobahnzubringer im Nichts, Neubauruinen, leere, bisweilen megalomanische Architekturen, nach denen die Natur greift, verlorenen Raum zurückerobert. Surreal, absurd, wirken viele der Fotografien des 1952 geborenen, 2006 mit dem Fotopreis des Kantons Bern geehrten Fotografen: Ungeheuer der Technikgläubigkeit, die auf packende Weise den Zwiespalt des technologischen Fortschritts vor Augen führen.
Sieben Jahre jagte Helmle seine Weißen Elefanten und wurde fündig: im Mystery Park bei Interlaken, bei Wien, wo das Atomkraftwerk Zwentendorf nie in Betrieb genommen wurde oder auch im Tal der Saône, wo er den stillgelegten Flusshafen Pagny im Nebel fotografierte. Ein stilles, im Jahr 1999 entstandenes Bild, das nun das Cover seines Buches ziert. Gemeinsam ist all diesen Bauten, so Helmle in einem Interview, dass sie nicht zu dem geworden sind, wozu sie gedacht waren. Ich schaue sie als Wesen an, die eine bestimmte Aura haben. Das ist es, was mich anzieht … Sie sind Zeugen gescheiterter Visionen aber lohnenswerte fotografische Sujets.
Jenseits des wirtschaftlichen Scheiterns (und des Scheiterns der architektonischen Vision) ist eine besondere Schönheit in vielen dieser sachlich-zurückhaltenden Farbfotografien. Rohbauten haben etwas Skulpturales sagt Helmle, dessen Atelier in einem ehemaligen Produktionsgebäude einer Thuner Rüstungsfirma zu finden ist und so wirken auch seine fotografierten Architekturen nicht wie Planungsleichen sondern wie reichlich nutzlose, doch würdevolle Ruinen der Gegenwart. Zerfallen mitunter, doch beseelt durch feine Melancholie. Ein kenntnisreicher Essay von Konrad Tobler führt in die Bildwelt des Fotografen ein.
(Marc Peschke)
Buch:
Christian Helmle
Weiße Elefanten. White Elephants (bei amazon.de)
Mit einem Essay von Konrad Tobler
Deutsch / Englisch
128 Seiten mit 60 Farbabbildungen. 20,5 x 26,5 cm. Gebunden
Berlin 2007
Jovis Verlag
ISBN 978-3-939633-19-8
25 Euro.
Ausstellung:
Christian Helmle Weiße Elefanten
Kunstmuseum Thun, Projektraum enter, 8. Dezember bis 13. Januar 2008
Hofstettenstrasse 14
3600 Thun
Schweiz
www.thun.ch
Visionen
Beeindruckendes Buch und sehr schöner Artikel, danke für den Tip!
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Warum hat Christian Helmle das bloß nicht in Olympus Two-Thirds fotografiert? Wäre das dann nicht noch viel schärfer und zukunftsweisender? – Ich meine, gerade zum Thema weißer Elephanten!
Hat er nicht?
Wohl weil das Buch doch eher rückschauend denn visionär ist. Es ist auch schön, daß die Seiten nicht zu groß geraten sind.
Jetzt mußte ich aber erst mal nachdenken und dann nachschauen, was Sie meinen und dann mußte ich feststellen, daß Sie ein Schelm sind, denn leo.org meint:
white elephant [coll.] [fig.] – lästiger Besitz / nutzloser Gegenstand / etw., was mehr Arbeit oder Unkosten verursacht als es wert ist / wertvoller Besitz, der keinen Nutzen bringt
Aber zum Thema Weiße Elefanten fällt mir auch noch ein, daß unser Stoiber dem amerikanischen Präsidenten ausgerechnet einen weißen Porzellan-Elefanten aus der Nymphenburger Manufaktur überreciht hat – auch sehr passend.
Zumindest schärfer als
Canon, Nikon und Konica-Minolta 2/3-Zoll bzw. Two-Thirds-Zoll-Sensor-Kameras.
http://archiv.chip.de/artikel/Canon-PowerShot-Pro1_archiv_17106739.html
Die da wären, z.B.
E-20: http://www.dpreview.com/reviews/olympuse20/
C-8080WZ: http://www.dpreview.com/reviews/olympusc8080wz/
2/3, 4/3, usw.
Danke
dafür, daß Sie solche Bücher vorstellen!
M.R.
Ich vergaß ….
… ist das ein gesponsorter Amazon-Link, d.h. wenn ich darüber bestelle, hat dann photoscala auch was davon?
M.R.
Genau so
ist das. (an der Stelle allen ein Dankeschön, die so einem LInk schonmal gefolgt sind)
(thoMas)