Die einen sind da dafür, die anderen da dagegen. Dafür sind die anderen dort dafür, wohingegen die einen dort dagegen sind. Einig sind sich die Kontrahenten nur in einem: sie alle verteidigen ureigenste Pfründe bis aufs Messer und geben dabei vor, im höheren Interesse zu handeln. Kompliziert? Deutscher Alltag allüberall – zum Beispiel auch dann, wenn es um den sogenannten zweiten Korb der Urheberrechtsreform geht, der auch Drucker(hersteller) betrifft und betroffen macht:
Eigentlich hatte ich mir das so richtig schön vorgestellt: Ich recherchiere die Aussagen und Fakten, gewichte und bewerte und komme zu einer ausgewogenen Meinung, die ich dann hier politisch korrekt preisgebe. Leider hat das überhaupt nicht geklappt, weil die Nebelwerfer überall am Werk sind.
Nichts ist es also mit der ausgewogenen Berichterstattung. Ich will es stattdessen bei einigen Zitaten und Anmerkungen und ein paar weiterführenden Hinweisen (Links) bewenden lassen.
Fassen wir kurz zusammen, worum es geht: Urheberrechtlich geschützte Werke (Texte, Musik, Fotos, …) können kopiert werden. Das kann nicht verhindert werden. Deshalb werden seit 1965 pauschale Urheberrechtsabgaben auf Kopiergeräte und -medien (Rekorder, Bänder, CDs, …) erhoben, die den Verwertungsgesellschaften (VG Wort, VG Bild -Kunst, GEMA) zufließen und jährlich an die Urheber ausgeschüttet werden (jeder Urheber meldet dazu seine Werke und erhält dementsprechend einen Anteil). Die Hersteller argumentieren nun, dass dank Digitaler Rechteverwertung digitale Kopien exakt kontrolliert werden könnten und plädieren für individuelle Abrechnungssysteme.
Soweit, noch so vernünftig.
Unter Kabinett beschließt Novelle des Urheberrechts finden sich die Vorstellungen der Regierung zusammengefasst. Doch der Entwurf ist in sich nicht logisch und stringent. Ein Beispiel: Künftig soll ein Urheber seine Reche vorauseilend auch für zukünftige, heute noch nicht bekannte Nutzungsarten preisgeben (können).
Zitat: Hat zum Beispiel der Autor eines Hörspiels 1966 alle Rechte zur Verwertung einem Verlag übertragen, so umfasst dies nicht die Rechte zur Nutzung seines Werks in damals unbekannten Nutzungsarten. Wenn der Verlag das Werk heute auf CD oder im Internet vermarkten möchte, muss er die Rechte nacherwerben. Das kann nach vielen Jahren, vor allem bei Produktionen, an denen viele Urheber beteiligt waren, sehr schwierig, langwierig oder auch unmöglich sein. Der Entwurf ermöglicht nun die Verwertung in der neuen Nutzungsart und gibt dem Urheber dafür einen Anspruch auf eine gesonderte angemessene Vergütung. Diese Öffnung der Archive liegt im Interesse der Allgemeinheit und der Urheber…
Klingt erstmal gut und vernünftig: Wir wollen das Beste für den Urheber und die Allgemeinheit. Nicht bedacht ist dabei aber: Wenn es so schwierig ist, das Einverständnis der Urheber zu erlangen – warum sollte es dann einfacher sein, ihnen die Honorare zukommen zu lassen? Von Vorteil ist dieser Passus für den Verwerter der Urheberrechte, nicht aber für den Urheber.
Die Süddeutsche Zeitung dazu: Das neue Urheberrecht … wird den Schutz des geistigen Eigentums noch verschlechtern: sorgt sich weniger um die Urheber als um diejenigen, die deren geistiges Eigentum vermarkten. Es achtet vor allem die Interessen der Verwertungs- und Geräte-Industrie; aus dem Urheberrecht wird ein gewerbliches Schutzrecht.
Die Geräteindustrie wiederum – namentlich die Druckerhersteller – sieht den Standort Deutschland in Gefahr. Und das, weil ein paar Drucker (vorgeblich) teurer werden sollen. Zitate der Herstellerinitiative Initiative gegen Urheberrechtsabgaben:
Die Politik ist jetzt gefordert, an dem ursprünglichen Gesetzentwurf festzuhalten und die Abgabenhöhe wirksam auf maximal 5 Prozent des Verkaufspreises zu begrenzen. Wer diesen Kompromiss infrage stellt, beschädigt den Standort Deutschland und insbesondere den IT-Handel.
Regine Stachelhaus, Sprecherin der Initiative und Vice President und Geschäftsführerin IPG HP Deutschland
Deutschland wird mehr und mehr als Investitionsstandort an Bedeutung verlieren. Jedes Unternehmen, das in Forschung und Entwicklung investiert, ist in Deutschland somit einem wachsenden Risiko ausgesetzt.
Jürgen Schmitz, Director Marketing, Canon Consumer Imaging
Es kann nicht unser Ziel sein, den Wirtschaftsstandort Deutschland durch weiter steigende Preise international weniger wettbewerbsfähig zu machen.
Henning Ohlsson, Leiter der Geschäftsführung, Epson Deutschland GmbH
Deutschland benötigt keine alten verkrusteten Systeme, sondern den Mut neue Modelle zu schaffen und umzusetzen.
Reinhold Schlierkamp, Geschäftsführer, Kyocera Mita Deutschland
Man stelle sich vor: Weil ein paar Drucker und Multifunktionsgeräte ein wenig teurer werden – und auch das ist so sicher nicht, sondern allein die Prognose der Druckerhersteller – wird der Standort Deutschland beschädigt und mehr und mehr als Investitionsstandort an Bedeutung verlieren. Natürlich fehlt auch das Argument der (schwindenden) Arbeitsplätze nicht.
Es ist das gute Recht der Hersteller, Drucker (und mehr ja wohl noch: Tinten und Toner) möglichst gewinnbringend verkaufen zu wollen. Aber das mit höheren Interessen und einer Schädigung des Wirtschaftsstandortes zu begründen, das ist unredlich. Seit 1965 gibt es Gerätepauschalen und obwohl manchmal tatsächlich der Eindruck entstehen mag, in Deutschland gehe es bergab – ein Zusammenhang mit der Urheberrechtspauschale ist nun wirklich nicht auszumachen. In Großbritannien etwa sind viele Geräte – auch Drucker – tendenziell teurer als hierzulande. Obwohl es da keine Vergütungsabgabe gibt.
Nach Lage der Dinge scheint mir, dass die Urheber und deren Verwerter noch die stimmigsten – und größtenteils sachlichsten – Argumente vorbringen können: Ein bestehendes System, das soweit ganz gut funktioniert hat und vergleichsweise einfach in der Durchführung war (eine festgelegte Gerätepauschale) soll durch ein System ergänzt / ersetzt werden, das erheblich komplizierter ist.
Beispiel: Für einen Drucker sollen – je nach Leistungsfähigkeit – 10-300 Euro Urheberrechtsabgabe anfallen (das ist noch strittig zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Druckerherstellern). Punkt aus. Damit kann der Hersteller ganz unkompliziert kalkulieren, die Verwertungsgesellschaften auch, und der Verbraucher auch: Er weiß, dass er für die Privatkopien bereits bezahlt hat und muss sich nicht DRM-Systemen ausliefern. Weiten Spielraum für notwendige Anpassungen bieten die Neuverhandlungen über die Höhe der Gerätepauschale.
Und heute? Bzw. dann, wenn es so kommt, wie es kommen soll?
Im Laufe seines Produktzyklus und je nach Händler-Abnahmemenge ändert sich der Abgabepreis eines Gerätes des öfteren – 5% von diversen Stückzahlen zu unterschiedlichen Preisen wollen erfasst und berechnet sein.
Einfache Stichproben bzw. Gegenrechnungen – x Geräte verkauft = x Euro Urheberrechtsabgabe – sind unmöglich.
Es ist nachzuweisen, dass das Gerät in nennenswertem Umfang zum Kopieren von Urheberwerken dient.
Bei einem Nutzungsanteil unter 10% für Privatkopien (wer misst und bestimmt das wie?) soll gar keine Urheberrechtsabgabe gezahlt werden müssen.
Nachweis und Abrechnung werden mithin deutlich komplizierter.
Im Grunde ist die alte Regelung – vielleicht gar erweitert um eine Kulturpauschale – ein verlockend Ding: Wer Geräte besitzt, die zum Vervielfältigen von urheberrechtlich geschütztem Material dienen können, soll dafür etwas bezahlen. Dafür darf er dann aber auch kopieren. Statt den Nutzer in seinem Nutzungsverhalten zu beobachten, zu überwachen und zu kriminalisieren.
Und ich? Ich ziehe mich auf den alten Goethe zurück und halte es mit seinem Faust: Da steh ich nun, ich armer Tor! Und bin so klug als wie zuvor.
Links zum Thema:
Die gemeinsame Initiative gegen Urheberrechtsabgaben…
BITCOM
VG WORT
VG BILD-KUNST
GEMA
Initiative “Ja zur privaten Kopie”
Aktionsbündnis Kopiervergütung
Neuregelung der Urheberabgabe erhält viele schlechte Noten
HP verteidigt geistiges Eigentumsrecht an seinen Druckertinten
(thoMas)
Nachtrag (11.11.2006): Eine Nacht darüber geschlafen, ein Satz gelöscht.
Leider kein Possenspiel, …
sondern knallharte Umverteilung.
Hätte der Bundestag …
… die im Entwurf vorgesehene Regelung bereits 1985 beschlossen, dann läge
–die Gerätevergütung für Kopiergeräte nicht bei, 38,35 Euro sondern bei 1,92 Euro,
–die Einnahmen der VG Wort nicht bei 91,37 Mio. Euro, sondern bei 68,79 Mio. Euro
–die durchschnittliche Ausschüttung pro Kopf also um rund 25 % niedriger!
aus: PDF, download unter
http://www.urheber.info/Neue_Dateien/Praesentation_287KB.pdf
“Völlig anders sehen dies naturgemäß die Vertreter der Unternehmen. Als »eindeutig zu hoch« bezeichnete Till Barleben vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie bei der Anhörung die Begrenzung der Abgabe auf fünf Prozent des Verkaufspreises. Wegen der »dramatisch gesunkenen Umsatzrenditen der Hersteller« müsse die Obergrenze bei maximal drei Prozent liegen. Auch Kathrin Bremer vom Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM) nannte eine Begrenzung auf maximal zwei bis drei Prozent des Verkaufspreises »sachgerecht«. Nur so könnten »eine Abgabenexplosion und damit verbundene Nachteile für den Standort Deutschland« verhindert werden.
Sollte der Verkaufspreis tatsächlich zum Maßstab der Urheberrechtsvergütungen werden, stelle dies »möglicherweise einen enteignungsgleichen Eingriff dar«, argumentierte hingegen Professor Matthias Schwarz für die Spitzenorganisation der Filmwirtschaft. Die Urheber hätten schließlich keinerlei Einfluß auf den Gerätepreis. »Die urheberrechtliche Leistung wird so zum Spielball des Preiskampfes großer Konzerne auf dem Markt elektronischer Produkte«, sagte Schwarz. Auch der Börsenverein des deutschen Buchhandels kritisierte, die Neuregelung werde »für Urheber und Rechteinhaber katastrophale Auswirkungen« haben. »Es ist offensichtlich, daß sie nicht zu dem von der Bundesregierung angestrebten ›fairen Kompromiß‹ zwischen den Interessen von Urhebern und Geräteindustrie führt«, heißt es in der Stellungnahme des Verbands.
Auch das Ansinnen der Regierung, die Vergütungssätze nicht mehr staatlich festzusetzen, sondern von Industrie und Verwertungsgesellschaften aushandeln zu lassen, stieß bei den Sachverständigen auf Kritik. »Es soll ein Systemwechsel stattfinden, in dem die entfesselten Marktkräfte der Kultur- und Geräteindustrie dominieren und der in der Regel ökonomisch schwächere Kreative auf der Strecke bleibt«, so das Fazit von HU-Professor Wandtke.”
aus einem Artikel der jW von heute.
mehr unter:
http://www.jungewelt.de/2006/11-10/024.php?sstr=urheberrecht
http://www.mediafon.net/meldung_volltext.php3?si=4554d1810f8d7&id=454ca1465537a&akt=news_recht&view=&lang=1
Kompliziert oder ‘nur’ verschleiert?
Der Wechsel von einem, wie auch immer, gesetzlich geregelten Vergütungssystem für Urheberrechte soll, so verstehe ich die Argumentation der Gerätehersteller, nicht per Gesetz geregelt werden. Die anteilige Vergütung nach der faktischen Nutzung eines geistigen Eigentums wird von diesen neu in den Raum gestellt.
Im unübersichtlichen Hin und Her der Argumentationen bleibt die Frage: Pro bono? – Für wen schafft eine Neuregelung Vorteile?
Würde künftig beim Gerätekauf nicht mehr pauschal das Urheberrecht abgegolten, dann werden all diejenigen ihre Rechte an Bild, Ton und Text bei den Nutzern einfordern, die in der Lage sind den Gebrauch eines geistigen Eigentums überwachen zu können. Was wäre dafür besser geeignet als DRM? Und die Preise legen diejenigen fest, die die Kontrolle über das Sytem haben, das werden allein die Verlage und die Major Groups der Unterhaltungsindustrie sein, denn kleinere Anbieter werden sich die Kosten für DRM nicht leisten können.
So würde der Markt für das geistige Eigentum refallen in die Großen, die damit Geld verdienenm und in die Kleinen, die außenvor bleiben und kein Geld für ihr geistiges Eigentum einfordern können.
Solcherart kann man aufstrebende Konkurrenz leichthin abwehren, denn wer nicht vermarktet wird, der kann sich dann auch nicht mehr selbst vermarkten.
Nebenbei wäre jede Kopie, selbst wenn dies nicht überall zu kontrolieren ist, ohne DRM illegal.
Es wäre ein brauchbares Druckmittel gegen alle und jeden, denn es ist im Alltag fast unmöglich nicht irgendwo jene Kopien (Texte, Bilder und Ton) zu haben, die ohne Rechtserwerb gesammelt oder abgespeichert sind.
Der Beitrag: Kompliziert oder ‘nur’ verschleiert?,
stammt von mir.
Hatte schlichtweg vergessen mich vorab einzuloggen.
Das geistige Eigentum
ist für meine Begriffe im Zusammenhang mit Druckerherstellern nur eine ablenkende Veranstaltung, die sich juristisch hervorragend eignet, das offensichtlich ursprünglich angedachte “Geschäftsmodell” doch noch durch die Hintertür durchzusetzen.
Ich erinnere mich noch gut, wie die ersten Tintenstrahldruckermodelle mit dem damals revolutionären Tintensystem und der Bildwiedergabe über ein stochastisches Raster heraus kamen. Wir haben uns damals auch ein Modell von Canon, einen “C-10” gekauft. Ein riesen Ding, das, wenn es gut ging, tatsächlich hervorragende Drucke ablieferte. Die Tinten waren schon damals astronomisch teuer und blitzartig verbraucht. Verkauft haben sich diese Teile so gut wie gar nicht. Irgendwie geriet die Sache ins Abseits. Parallel dazu gabs die Laserdrucker, natürlich nur SW. Und sauteuer aber betriebssicher und vor allem schnell. Kein Büro, wo nicht so ein Teil rum stand. Die Tonerpreise hielten sich dafür in Grenzen.
Bei den Tintenstrahlern musste dann einfach ein anderes “Geschäftsmodell” her. Und so wurden die Dinger praktisch über Nacht um ein vielfaches billiger, um nicht zu sagen, beinahe geschenkt. Dafür die Tinten und Verbrauchsmaterialien heftig teuer. Ein nachgekaufter Satz Tinten, in der Höhe des Kaufpreises für den Drucker, oder sogar noch mehr. Auf die Dauer für die Nutzer eine wirklich heftige Sache.
Damit war das “Modell” klar: Sobald der Kunden zubeißt, hat man gehofft, dass er so kiebig drauf ist, dass er auch gleich noch die Preise schluckt. Hat er natürlich nicht. Anfangs gabs nur die teueren Originaltinten. Das hat natürlich sofort die Nachahmer angelockt. Dummerweise ist die Herstellung einer Tintenrezeptur offensichtlich doch nicht so schwierig, wie das am Anfang von den Originalherstellern immer mantrahaft vorgetragen wurde. Der eigentliche Drucker erscheint ohnehin nur als mehr oder minder billige Plasikschachtel mit ein wenig Elektronik.
Also muss man jetzt das “Geschäftsmodell” mit allen Mitteln verteidigen, um den Profit für die “verschenkten” Drucker einzufahren. Die Auswirkungen erleben wir jetzt. Inzwischen ist die Industrie bei den Laserfarbdruckern erknnbar auf ein analoges Geschäftsmodell gegangen: Drucker billig, Verbrauchsmaterialien astronomisch teuer.
Jedenfalls habe ich das all die Jahres so erlebt und beobachtet, und mich schweinemäßig darüber geärgert.
Mit der Verteidigung von “geistigem Eigentum” hat das für meine Begriffe überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil wäre ein Geräteabgabe in dem Fall, da man ja wirklich geistiges Eigentum kopieren kann, ein zuverlässiges Mittel, dass bei geistigen Urhebern wie Autoren, Bildschöpfern und Kulturschaffenden auch tatsächlich mal was ankommt.
Gut Klick!