Geht es um hochauflösende Fotos (so 1-4 Gigapixel), dann scheint der augenblickliche Königsweg im hybriden Verfahren zu liegen: Aufnahme analog, dann Digitalisierung und Digitalprint. So hat beispielsweise der Amerikaner Clifford Ross eine „sensationelle Gigapixel Kamera“ entwickelt, manche meinen gar: erfunden, die diesen Weg einschlägt. Doch es gibt noch weitere solcher Projekte – und im Grunde ist das analoger Alltag (fast):

Wir möchten an der Diskussion darüber, inwieweit die R1 nun eine sensationelle Neuheit ist, gar nicht weiter teilnehmen. Nur soviel dazu: Ähnliche Leistungsdaten sind mindestens in Spezialbereichen der analogen Fotografie (Stichwort Luftbild, Aufklärung) mehr oder weniger Standard. (Wer sich für das Für und Wider der R1 näher interessiert, sollte den Beitrag US-Fotograf erfindet Gigapixel-Kamera bei heise.de lesen, und da vor allem in den teilweise interessanten Kommentaren schmökern).

Kurz zur R1: Das ist eine modifizierte Großformatkamera, basierend auf einer Aufklärungskamera aus dem 2. Weltkrieg, Rollfilmkassette mit einem Aufnahmeformat 9×18 inch, Luftansaugung zwecks besserer Planlage. Ross verwendet einen Spezialfilm für Luftaufnahmen. Den für bildliche Aufnahmen zu hohen Kontrast verringert er durch eine Spezialentwicklung, was leider verwaschene Farben ergibt (Genaueres gibt er nicht preis). Die Aufnahme wird dann digitalisiert (eingescannt), um per Photoshop wieder kräftige Farben errechnen zu können. 2,6 Gigabyte hat so ein Scan.

Viel interessanter als der technische Ansatz (das können wir alle, dazu gleich mehr) ist der künstlerische Ansatz: Clifford Ross ist nämlich eigentlich Künstler und suchte nach einer Möglichkeit, möglichst detailreiche Aufnahmen zu erzielen. Er wollte, dass man auf seine Großfotos (1,50 x 3 Meter) zugehen kann, ohne dass etwas unscharf oder unklar wird, und stellte deshalb eine ziemlich kompromisslose Aufnahmekette zusammen: Großformat, Stativ, Sandsäcke zur Stabilisierung, pneumatische Ansaugung. Mehr hier: Clifford Ross und seine Patentanmeldung High resolution photographic system.

Clifford Ross und seine R1 waren uns Anlass, einmal ein wenig über die aktuelle Leistungsfähigkeit analoger Aufnahmeketten zu recherchieren. Besonders ergiebig in diesem Zusammenhang ist die Firma Carl Zeiss, denn die versuchen in Praxistests mit gängigen Filmen und käuflichen Objektiven die Leistungsgrenzen der praktischen Fotografie auszuloten. Anhand von realen Motiven, nicht mit Testmustern unter Speziallicht. Und da tritt laut Carl Zeiss Erstaunliches und Hochinteressantes zu Tage:

• Farbfilme erreichen bis zu 170 Lp/mm Auflösung (Fujichrome Velvia 100 F)
• Schwarzweißfilme schaffen gar bis zu 400 Lp/mm Auflösung (Gigabitfilm)
• Mittelformatobjektive (von Carl Zeiss) sind erheblich höher auflösend als die meisten Kleinbildobjektive

Mehr Lesestoff hier:
Ergebnisse von unvergleichlicher Güte
Das Auflösungsvermögen von Fotofilmen
Gigabitfilm ist kein Bluff

Legt man nun dieses in der Praxis verifizierte Auflösungsvermögen zugrunde und wendet das auf das Aufnahmeformat der R1 an (rund 23×46 cm), dann ist die Gigapixel-Aufnahme analoger Alltag: Mit entsprechend gutem Objektiv und Fuji Velvia sind 170 Lp/mm realistisch, und das ergibt rein rechnerisch eine Datenmenge von über 6 Gigabyte. Oder anders herum: 2,6 Gigabyte lassen sich demnach – eine sehr gute Aufnahmekette vorausgesetzt – bereits mit dem Standard-Aufnahmeformat 8×10 inch (20×25 cm) auf Standardmaterial realisieren. So what, Mr Ross?

Die Schwierigkeit scheint weniger darin zu liegen, diese Daten aufzunehmen (wenn auch nicht unterschätzt werden sollte, dass auch die Aufnahmeseite nicht ganz trivial ist), als sie dann auch wiederzugeben: Herkömmliche Vergrößerungssysteme stoßen hier an Grenzen und auch Scanner können oft gar nicht zeigen, was das Negativ beinhaltet.

Es gibt mindestens noch ein weiteres Projekt, das sich mit ganz ähnlichen Materialien und Kameras auseinandersetzt (Luftbildkamera, 9×18 inch Aufnahmeformat), wie das Clifford Ross tut, und das detailliert dokumentiert ist: Gigapxl Project.

Die Macher des Gigapxl Project meinen übrigens, dass es zwar Schwarzweißmaterialien gäbe, die mehr als 100 Lp/mm auflösen, dass sich aber in der praktischen Großformatfotografie nicht mehr als 30-60 Lp/mm auflösen lassen (bedingt durch die Beugung bei hohen Ortsfrequenzen). Nun, Carl Zeiss legt andere Zahlen vor (nicht für Großformat, zugegeben), und es gilt jetzt nur noch, eine 8×10-inch-Kamera dazu zu bringen, das Leistungsvermögen eines Fujichrome Velvia oder gar eines Gigabitfilm tatsächlich auszuschöpfen, um die Gigapixel-Kamera zu toppen.

Wäre das nicht ein interessantes Projekt für die Wintermonate? (thoMas)