Nach der photokina ist vor der photokina: Rückblicke und Ausblicke, potentielle Gewinner und Verlierer von heute und morgen.

Die meisten Hersteller auf der photokina waren sich einig darin, dass der Trend auch bei Digitalkameras eindeutig zu Markenprodukten geht. Die Tage der Pixelzählerei neigen sich und der Kunde will was Vernünftiges. Angesichts von rund 1100 verschiedenen Modellen von etwa 100 Anbietern (nicht Herstellern, natürlich) allein auf dem deutschen Markt mag sich kein Mensch mehr vergleichend durch die technischen Spezifikationen ackern und greift lieber gleich zum Markenprodukt, denn das verspricht wenigstens eine gewisse Qualität und ist auch gut fürs Renommee (eine CaNiMiPe macht immer einen besseren Eindruck auf die Mitmenschen als eine AlMeYa). Zumal sich rumgesprochen hat, dass Pixel wenig zählen ohne gute Signalverarbeitung und gutes Objektiv.

Auf der photokina war gleichfalls zu beobachten, dass die Besucher sich besonders da scharten, wo es digitale Spiegelreflexkameras zu sehen gab: Canon, Konica Minolta, Nikon, Pentax und auch Olympus. Die Stände der Hersteller dagegen, die nur digitale Kompakte im Angebot haben (Casio, Kyocera, Panasonic, Sanyo etc.) waren im Vergleich dazu sichtlich weniger bevölkert. Noch ganz gut stehen Kamerahersteller da, die wenigstens einen berühmten Objektivnamen (Leica, Zeiss) in die Waagschale werfen können (Panasonic, Sony etc.). Aber wie lange reicht das alleine aus?

Auch wenn die photokina sicher vor allem fachkundige Besucher anzieht, die sich besonders für Spiegelreflexkameras interessieren, zeigt der unterschiedliche Besucherandrang doch, wo die Kompetenzen liegen bzw. womit sich eine Firma ihre Kompetenz verdient: Es sind die Spitzenmodelle. Die bringen zwar nicht das Geld (Geld wird an der Masse verdient), aber sie sind sehr, sehr gut fürs Image. Der Andrang am Stand von Konica Minolta zeigte, dass diese Firma mit der Dynax 7 Digital wieder in den Kreis der Kompetenzträger zurückgekehrt ist (siehe dazu auch unser Interview mit Konica Minolta).

Kyocera hat die Marke Yashica ja schon längst aufgegeben. Dies vielleicht aus falsch verstandenem Stolz: Kyocera wurde dem doch recht bekannten Markennamen Yashica vorgezogen. Der Name Kyocera hat aber leider kein Gewicht in der Fotobranche.
Und die zugekaufte Marke Contax bzw. deren renommierten (analogen) Spiegelreflexkameras sind anscheinend mehr oder weniger aufgegeben worden. Auf der photokina waren sie nur mit Mühe zu finden und auch im Internet tut man sich sehr schwer, offizielle Seiten zur Contax (Spiegelreflex im Kleinbild- und Mittelformat) zu finden.
Da ist es doch interessant, dass Kyocera jetzt zwei neue Contax-Modelle präsentiert hat: Die Contax i4R und Contax U4R. Die hätten zwar meiner Meinung nach viel besser in die Finecam-Reihe gepasst, doch die Namensgebung scheint mir ein deutliches Indiz dafür zu sein, dass auch Kyocera einsehen musste, dass ein guter Markenname Geld wert ist (bzw. sich auch eine gute Kamera ohne guten Namen nur schlecht oder nur zu niedrigeren Preisen verkaufen lässt). Doch ohne anständige Spiegelreflex wird‘s mit der zugestandenen Kompetenz und dem Image wohl nach wie vor hapern…

Ricoh hat zwar ein paar gute Kameras, aber keinen sehr guten respektive bekannten Namen im Kamerabereich. Es fehlen, behaupte ich einfach mal, die Kompetenzträger: nämlich Spiegelreflexkameras.

Diverse Firmen haben also scheint‘s ein Imageproblem.

Rollei dagegen hat ein Kameraproblem. Mehr und auch weniger gute Digitalkameras, aber nichts so richtig Aufregendes bislang. Massenware aus Taiwan oder sonstwoher.
Dabei gilt der Firmenname nach wie vor etwas: Es ist erstaunlich, dass diese Firma immer noch einen großen Namen trägt, obwohl die in jeder Hinsicht goldenen Jahre lange vorbei sind. Doch die Zweiäugige Rolleiflex aus dem vorigen Jahrhundert spukt auch heute noch in den Köpfen herum und viele, die nicht so mit der Materie bewandert sind, halten Rollei nach wie vor für eine der ganz großen Marken. Der Name Rollei ist ein Pfund, mit dem sich nach wie vor gut wuchern lässt (siehe dazu auch unser Interview mit Rollei).

Vielleicht trifft es sich da ja für die Letztgenannten gut, dass Rollei just jetzt je eine Kamera von Kyocera und Ricoh ins Programm genommen hat: Gute Technik und guter Name, das ist auf jeden Fall eine Erfolg versprechende Kombination. Fehlt nur noch, dass die potentiellen Partner bald auch technisch ein wenig mehr auf die Beine stellen.

Erinnert sich noch jemand an die Ricoh mirai selig? Das war – ebenso wie die baugleiche Olympus AZ-300 – eine so genannte Bridgekamera (nein, keine Bridgecamera und auch keine Brückenkamera, sondern tatsächlich eine B-k, eine Bridgekamera). Darunter verstand man eine kompakte Spiegelreflex mit fest eingebautem Zoomobjektiv (in dem Fall 35-135mm). Vor gut 15 Jahren, als Kompakte noch nicht so ausgeklügelt und Spiegelreflexkameras teurer und vermeintlich kompliziert waren, waren diese Konzepte recht erfolgreich.
Sehen Sie die Parallelen? Heute ist die Situation im Digitalen ganz ähnlich. Kameras wie eine DiMAGE A200 oder eine Cyber-shot F828 sind auch solche Hybridmodelle und bieten im Augenblick sehr viel fürs Geld. Doch die digitalen Kompaktkameras werden immer besser und die digitalen Spiegelreflexkameras auch, und alle werden immer preiswerter. Was sich heute Prosumer oder auch All-in-one Kamera und seltener auch Bridgekamera nennt, könnte deshalb morgen überflüssig sein, weil keiner es mehr haben will. Wenn die Vermutung stimmt, hat auch Sony bald ein Kompetenzproblem bei Kameras.

Letztes Thema für heute: Zwei Jahre ist er nun alt, der Four Thirds Standard von Olympus. Und ist – trotz sehr guter Ansätze – als Standard wohl gescheitert (auch wenn Olympus da ganz anderer Meinung ist – siehe unser Interview mit Olympus). Denn auch zwei Jahre nach Offenlegung des Standards hat sich noch keine Kamerafirma zu 4/3 bekannt (von Olympus selbst mal abgesehen, und von Kodak und Fuji, aber die haben noch keine Kamera vorgestellt bzw. setzen nach wie vor auf Nikon-Gehäuse). Und alle großen Kamerahersteller (Minolta war der letzte) setzen auf ihr eigenes vorhandenes System und Bajonett.
Die werden sich hüten und einen neuen Standard unterstützen. Das kostet nur viel Geld (neue Gehäuse + Objektive) und bringt wenig. Es ist im Gegenteil eher kontraproduktiv, denn das vergrätzt die vorhandene Basis, die schon Objektive hat. Und es verunsichert künftige Kunden, denn auch die wollen die Kontinuität der Vergangenheit sehen.
Olympus dagegen konnte leicht einen neuen „Standard“ schaffen, denn die Firma hatte kaum was zu verlieren. Das analoge OM System war so gut wie nicht mehr existent. Da ist es leicht, Neues zu entwickeln. Und da kann man ja mal versuchen, das zum Standard zu erklären.
Doch 4/3 als Standard, das Thema ist wohl durch. Macht ja aber weiter nichts. Denn auch ein Nikon-Käufer kauft keinen Standard. Und 4/3 bzw. Olympus‘ Lösung hat ein paar wirklich gute Dinge zu bieten. Wie z.B. den Staubschutz und die für digitale Sensoren gerechneten Objektive, die zudem äußerst kompakt sind.
Sollten allerdings die Fertigungsmethoden in der Sensorproduktion weiter verbessert werden, der hohe Ausschuss zurückgehen, und sich die Sensorgrößen deshalb in Zukunft verstärkt am alten Kleinbildformat 24x36mm orientieren – und all das ist ja nicht ausgeschlossen, sondern eher wahrscheinlich -, dann hat Olympus wohl auch ein Problem.
Schon jetzt ist 4/3 mit einer Formatdiagonalen von 22,5 mm der kleinste SLR-Sensor, APS-C ist größer (30,1 mm) und Kleinbild bietet gar 43,3 mm Formatdiagonale und damit die rund 3,5fache Fläche gegenüber 4/3.

In knapp zwei Jahren sind wir dann alle wieder ein bisschen klüger. Und das gilt hoffentlich nicht nur für unser Wissen über Foto. (thoMas)

Nachtrag (12.10.2004): Kommentator L.S. hat völlig recht, wenn er schreibt: „Die Marke CONTAX ist Eigentum von CARL ZEISS!“ Tatsächlich hat Kyocera nicht die Marke Contax gekauft, sondern lediglich eine Lizenz zur Nutzung erworben. O-Ton Carl Zeiss: Die Marke “Contax” gehört Carl Zeiss. Carl Zeiss hat eine Lizenz zur Nutzung der Marke “Contax” an Kyocera – Kyoto Ceramics vergeben. Im Gegenzug hat sich Kyocera verpflichtet, die Objektive für alle “Contax”-Kameras bei Carl Zeiss zu ordern. Danke für den Hinweis.