Letze Woche hat Sony mit dem FE 100mm F2.8 STF GM OSS ein Objektiv angekündigt, das dank Apodisationsfilter ein besonders weiches Bokeh verspricht – und zwar ohne Einschränkungen bei Schärfe oder Auflösung. Wird das „Smooth Trans Focus“-Objektiv damit zur Erfüllung aller Träume von Porträt- und Hochzeitsfotografen? Ich habe es ausprobiert.

Die Physik des Lichts spielt dem Fotografen schon einmal einen Streich, den Optik-Ingenieur lässt sie bisweilen die Haare raufen. Denn es gibt eine Reihe von Zielen bei der Entwicklung eines Objektivs, die sich nicht oder nur mit extremen Aufwand unter einen Hut bringen lassen. Einer dieser Zielkonflikte besteht in der möglichst scharfen, hochaufgelösten Abbildung der Motive im Fokus einerseits und auf der anderen Seite in einer angenehmen weichen Wiedergabe der Bildbereiche außerhalb der Fokusebene.

SEL-100F28GM von Sony 5

Das Sony FE 100mm F2.8 STF GM OSS ist das erste Objektiv seiner Art, das mit Autofokus und Bildstabilisator ausgestattet ist.

Ein schönes „Bokeh“ ist hier das Stichwort. Gemeint ist damit die Art und Weise, wie ein Objektiv in der Unschärfezone abbildet. Sony hat auf diesen Aspekt bei den E-Mount-Objektiven der letztes Jahr eingeführten „Gold Master“-Serie sein besonderes Augenmerk gerichtet. Bei den GM-Objektiven sorgt ein spezielles Herstellungsverfahren der Asphären dafür, dass die Glasoberfläche extrem glatt ist ­– das hilft, hässliche Kanten und Linien an Unschärfescheiben („Zwiebelringeffekt“) zu vermeiden. Ein Verfahren, das offenbar funktioniert; das Bokeh des FE 85mm F1.4 GM hat mir jedenfalls ausgesprochen gut gefallen.

Das Sony FE 100mm F2.8 STF GM OSS will knackige Schärfe mit einem außerordentlich weichen Bokeh verbinden.

Offenbar war das den Sony-Ingenieuren aber noch nicht genug. Sie haben jetzt mit dem FE 100mm F2.8 STF GM OSS ein Objektiv entwickelt, bei dem ein Apodisationsfilter für ein absolut weiches und gleichmäßiges Bokeh sorgt. Ganz bei null anfangen mussten sie übrigens nicht. Vielmehr konnte Sony auf die Erfahrung der 2006 von Minolta übernommenen Kamerasparte zurückgreifen. Bereits 1996 hatte Minolta mit dem 135mm/2.8 [T4.5] STF ein Objektiv mit Apodisationsfilter herausgebracht (und das es bis heute praktisch baugleich von Sony für das A-Bajonett gibt).

Allerdings gibt es das außergewöhnliche Bokeh der STF-Objektive nicht ganz frei von Risiken und Nebenwirkungen. Welche, das habe ich diesen Mittwoch erfahren, als ich das FE 100mm F2.8 STF GM OSS für rund drei Stunden ausprobieren konnte.

So funktioniert „Smooth Trans Focus“

Herzstück der von Minolta entwickelten „Smooth Trans Focus“-Technik ist ein speziell geformter, radialer Grauverlaufsfilter, der typischerweise direkt bei der Irisblende angeordnet ist. Dieser Apodisationsfilter bewirkt, dass Kontrastkanten an Beugungsscheibchen geglättet werden. Auf diese Weise – das sei bereits jetzt verraten – zeichnet das FE 100mm F2.8 STF GM OSS bei Offenblende tatsächlich ein extrem weiches und gleichmäßiges Bokeh.

APD Wirkungsweise

Herzstück des „Smooth Trans Focus“-Objektivs ist ein Apodisationsfilter (APD-Element), ein radialer Grauverlaufsfilter.

Die Nebenwirkungen des Apodisationsfilters liegen auf der Hand: er verringert die Lichtstärke, allerdings nicht linear. Bei Offenblende F2.8 sind es -2 EV, dann entspricht die Transmissionsrate (T) dem Wert T5.6. Maximal aufgeblendet nimmt das Objektiv eine Schärfezone entsprechend F2.8 auf, belichtet wird aber wie auf F5.6 abgeblendet. Kurzum: Das FE 100mm F2.8 STF GM OSS ist ausgesprochen lichtschwach.

Wie gesagt: Je stärker abgeblendet wird, desto mehr verliert der Apodisationsfilter an Wirkung. Der Blendenbereich des FE 100mm F2.8 STF GM OSS reicht von F2.8 bis F20, der entsprechende Transmissionsbereich von T5.6 bis T22. Sowohl der Belichtungsmesser wie auch der Blendenring nennen zwar die T-Werte, in der Sucheranzeige und den EXIF-Daten erscheinen sie aber als F-Wert.

Ein schönes Bokeh ist natürlich nicht alles. Damit auch die übrigens Abbildungsleistungen stimmen, hat Sony das neue STF-Objektiv recht aufwändig konstruiert. Es besteht aus 13 Elementen (ohne den Apodisationsfilter) in zehn Gruppen. Darunter sind ein ED-Element sowie eine asphärische Linse. Für eine möglichst kreisrunde Wiedergabe von Unschärfescheiben sollen elf Blendenlamellen beitragen.

SEL100F28GM Linsenschnitt

Ausstattung und Handhabung

Bei der Handhabung muss man sich um die Besonderheiten des FE 100mm F2.8 STF GM OSS keine großen Gedanken machen. Die Blende (T-Wert!) stellt man entweder direkt am Objektiv mit dem Blendenring ein. Oder wie gewohnt an der Kamera, nachdem der Blendenring in die Position „A“ gedreht wurde. Videofilmer wird freuen, dass sich die Steuerung via Blendenring mit einem kleinen Schiebeschalter am Objektiv auf stufenlos umschalten lässt.

Das neue STF-Objektiv ist mit einem optischen Bildstabilisator ausgestattet, der sich direkt am Objektiv abschalten lässt. Mit einem weiteren Schalter deaktiviert man bei Bedarf den Autofokus. Apropos: Beim Autofokus setzt Sony auf einen aufwändigen piezoelektronischen Linearantrieb. Der ist schnell, präzise und praktisch lautlos.

SEL100F28GM Fokusantrieb

Ein schneller und äußerst präziser Linearantrieb treibt die Fokusgruppe des STF-Objektivs an.

Auf den ersten Blick mag das FE 100mm F2.8 STF GM OSS vielleicht ein waschechtes Porträtobjektiv sein. Sony hat aber durchaus auch Produktfotografen im Auge und das Objektiv daher mit einer interessanten Eigenschaft versehen: Mit einem kleinen Ring lässt sich der Fokusbereich von 85 cm – ∞ auf 57 – 100 cm umschalten. In dieser „Makrostellung“ beträgt der maximale Abbildungsmaßstab 1:4.

Abbildungsleistung

Ausprobiert habe ich das FE 100mm F2.8 STF GM OSS an einer Alpha 7R II. Sony hatte für den Praxistest eine kleine Schar europäischer Fachjournalisten auf einen Landsitz in die Nähe Londons eingeladen. Das fotografische Thema hieß Steampunk. Bedauerlicherweise waren die interessanten Setups alle mit nicht sehr starkem Dauerlicht ausgeleuchtet, sodass recht hohe ISO-Zahlen erforderlich waren, teilweise bis ISO 6400. Bedingungen, unter denen sich keine abschließenden Aussagen über das Auflösungsvermögen des Objektivs treffen lassen.

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Steampunk wirft eine Sicht auf die Zukunft, wie sie in früheren Zeiten entstanden sein könnte.

Dafür gab es Spitzlichter ohne Ende, im Vordergrund, im Hintergrund und in der Motivebene. Zum Beispiel beim „Taucher“. Hier zeigt das FE 100mm F2.8 STF GM OSS eindrucksvoll, wo seine Stärken (bei Offenblende) liegen: Die Spitzlichter im Hintergrund werden bis in die äußersten Bildecken kreisrund abgebildet. Zudem gibt das Objektiv den Helligkeitsverlauf innerhalb der Spitzlichter sehr sanft wieder. Und die äußeren Ränder sind butterweich, die Lichter gehen gleichmäßig fließend in den Hintergrund über.

Dasselbe Motiv nochmals mit dem ebenfalls neuen FE 85 mm F1.8 fotografiert, bringt die Bokeh-Leistung des STF-Objektivs auf den Punkt. Im Vergleich dazu zeigt das klassische Objektiv bei Offenblende deutlich härtere – aber aufgrund der größeren Blendenöffnung auch größere – Unschärfekreise. Zudem zeigt das deutliche 85er einen ausgeprägten Cateye-Effekt; die Unschärfescheiben wirken zu den Bildrändern hin zunehmend wie die gemeinsame Schnittmenge zweier sich überlappender Kreise.

Aber es müssen ja nicht immer Spitzlichter in der Tiefenunschärfe sein. Beim nachstehenden Foto habe ich auf die Hand fokussiert, das recht flächig ausgeleuchtete Gesicht liegt bei F2.8 (T5.6) deutlich in der Tiefenunschärfe. Hier spielt das FE 100mm F2.8 STF GM OSS eine weitere Stärke bei der Bokeh-Wiedergabe aus: Kontrastarme Unschärfebereiche gibt es absolut soft wieder.

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Die absolut weiche Wiedergabe kontrastarmer Unschärfebereiche (hier das Gesicht) ist für mich die Stärke des SEL100F28GM.

Wie gesagt: Die extrem weiche Bokehwiedergabe des FE 100mm F2.8 STF GM OSS erhält man ausschließlich bei Offenblende. Wird die Blende nur um -1/3 EV (auf T6.3) geschlossen, verliert der Apodisationsfilter bereits sichtbar an Wirkung, ab T8 ist er vollkommen wirkungslos. Das kann man sich durchaus zunutze machen, denn nicht immer ist ja ein Bokeh wie mit dem Gauß’schen Weizeichner bearbeitet gefordert.

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SEL100F28GM bei T5.6
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Bokeh bei T5.6 (Offenblende)
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Bei Offenblende bildet auch in diesem Beispiel das STM-Objektiv unscharfe Bildbereiche gewohnt soft ab.
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SEL100F28GM bei T6.3
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Bokeh bei T6.3
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Wird nur um -1/3 EV abgeblendet, treten die Unschärfescheiben bereits deutlich zu Tage. Sie zeigen jedoch einen sehr gleichmäßigen Helligkeitsverlauf und bleiben bis zu den Bildrändern kreisrund.
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SEL100F28GM bei T7.1
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Bokeh bei T7.1
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Abgeblendet auf T7.1 (-2/3 EV) zeichnet das STF-Objektiv die Unschärfescheiben nochmals kräftiger. Helligkeitsverlauf und kreisrunde Form werden jedoch kaum beeinträchtigt.
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Man hat also auch mit dem FE 100mm F2.8 STF GM OSS durchaus die Möglichkeit, durch Abblenden in die Bokeh-Wiedergabe einzugreifen. Das ist auch gut so, denn mir sagt die absolut weiche und flache Zeichnung der Tiefenunschärfe bei Offenblende nicht immer zu. Gerade auch bei Porträtaufnahmen dürfen für meinen Geschmack Spitzlichter im Unscharfen durchaus einen „fotografischen Charakter“ erhalten. Auch das kann das STF-Objektiv bieten, dessen grundsätzlicher Charakter der Bokeh-Wiedergabe bleibt dabei erhalten.

Wenn es allerdings darum geht, unscharfe Spitzlichter im eigentlichen Motiv so sanft wie möglich wiederzugeben, ist das FE 100mm F2.8 STF GM OSS kaum zu toppen. Das ist vor allem für Fotos von metallenen Produkten interessant, oder überhaupt allen Gegenstand, die glitzern und funkeln. Ob nun Blechblasinstrumente, Trinkgläser, Uhren, oder wie hier einem weiteren Steampunk-Stillleben – bei derartigen Motiven zeichnet das STF-Objektiven einen Look, der einzigartig ist und mich überzeugt. Dass Sony das Objektiv mit einer kurzen Nahdistanz versehen hat, ist da nur konsequent.

SEL100F28GM 03

Wenn es in den unscharfen Partien eines Objekts gleißt und glitzert, beruhigt das FE 100mm F2.8 STF GM OSS das Bokeh ungemein.

Ein schönes Bokeh alleine macht allerdings noch kein (technisch) perfektes Foto. Doch keine Bange, das FE 100mm F2.8 STF GM OSS zeigt auch in Sachen chromatische und sphärische Aberrationen sowie Vignettierung keine Blöße. Und wie sieht es mit dem Auflösungsvermögen aus? Darüber konnte ich mir wie gesagt kein abschließendes Urteil bilden. Die Lichtverhältnisse waren derart schlecht, dass ich die Alpha 7R II in ISO-Regionen betreiben musste, in denen Bildrauschen beziehungsweise der Einfluss der Rauschunterdrückung bereits (deutlich) zu Lasten der nutzbaren Auflösung gehen. Mein erster Eindruck: Es gibt Objektive, die noch knackiger zeichnen als das FE 100mm F2.8 STF GM OSS, sichtbar werden dürfte das indes erst in der 100%-Ansicht am Bildschirm.

SEL100F28GM Schaerfe

Porträt bei Offenblende und ISO 1000: Schärfe und Auflösungsvermögen des SEL100F28GM gehen für mich mehr als in Ordnung. Dass es vielleicht Objektive gibt, die noch knackiger abbilden, steckt das STF-Objektiv angesichts seiner außerordentlichen Bokeh-Qualität locker weg.

Mein Fazit

Mit dem FE 100mm F2.8 STF GM OSS bringt Sony ein Objektiv für das E-Bajonett, dass sich durch eine ganz spezielle Bokeh-Wiedergabe auszeichnet. Bei Offenblende gibt es Unschärfezonen derart weich und kontrastarm wieder, dass sie fast schon wie mit dem Gauß’schen Weichzeichner gefiltert wirken. Ganz leicht abgeblendet, nimmt der Kontrast im Unscharfen zu, ohne dass der grundsätzliche Bokeh-Charakter verloren geht: Spitzlichter werden mit einer absolut fließenden Helligkeitsverteilung wiedergegeben und bleiben bis in die Bildecken kreisrund.

Was auf den ersten Blick eindrucksvoll wirkt, eignet sich nach meinem Geschmack längst nicht für jedes Motiv. Das gilt insbesondere für Spitzlichter im Unscharfen. Sie erscheinen bei Offenblende derart soft und weichgespült, dass sie kaum noch wie fotografiert wirken. Für ein nächtliches Porträt-Shooting in der Großstadt wäre das FE 100mm F2.8 STF GM OSS nicht meine erste Wahl. Bei Fotos von glitzernden und funkelnden Stilllives hat das spezielle Objektiv aber auch mich restlos überzeugt. Wer auf der Suche nach einem Objektiv mit dem ganz besonderen Look ist, sollte das STF unbedingt einmal ausprobieren. Das gilt insbesondere auch für Videofilmer.

Bildstabilisator, schneller Autofokus, auf Wunsch stufenlose Blendensteuerung sowie passable Makrofähigkeiten – die Ausstattung des FE 100mm F2.8 STF GM OSS ist hervorragend. Auf diesem Hintergrund geht der Preis von 1850 Euro durchaus in Ordnung. Ein Manko bleibt indes: Die sehr geringe Lichtstärke von T5.6 bei Offenblende F2.8. Alle Zielkonflikte lassen sich eben bei der Objektivkonstruktion doch nicht lösen.

PRO

  • Bei Offenblende sehr softes, kontrastarmes Bokeh, das selbst bei leichtem Abblenden noch seinen eigenständigen Charakter wahrt.
  • Insgesamt sehr gute Abbildungsleistungen
  • Schneller Autofokus
  • Abbildungsmaßstab bis 1:4

CONTRA

  • Sehr lichtschwach (T5.6 bei Offenblende)
  • Spezielle Bokeh-Wiedergabe eignet sich nicht für alle Motive gleichermaßen