Anfang Februar hat Sony eine neue Objektiv-Serie für das E-Mount angekündigt, die „G Master“-Familie. Merkmal der neuen Objektive ist laut Sony unter anderem ein „schönes Bokeh“, eine Eigenschaft, die für ein Porträtobjektiv wie das FE 85 mm F1.4 GM besonders wichtig ist. Ich hatte die Gelegenheit, dieses Objektiv bei einem Model-Shooting einzusetzen und rund eine Woche lange ganz allgemein auszuprobieren. Dabei stand für mich die Frage im Vordergrund, ob Sony die hohen Erwartungen erfüllen kann, die das FE 85 mm F1.4 GM sicherlich auch nicht zuletzt aufgrund seines Preises von rund 2.000 Euro weckt.

Das Sony FE 85 mm F1.4 GM ist Teil einer neuen Objektivfamilie für das E-Mount, die Sony im Februar vorgestellt hat. Das Kürzel „GM“ steht für „Gold Master“, eine Bezeichnung, die Sony seinen Top-Objektiven vorbehält. Oder wie es Yosuke Aoki, Head of Digital Imaging Product Group bei Sony Europe, in schönstem Marketingsprech ausdrückt: „Die neue ‚G Master‘ Marke steht für die beste und eindrucksvollste Auswahl an Objektiven, die Sony jemals auf den Markt gebracht hat“.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM

Ausprobiert habe ich das FE 85 mm F1.4 GM vornehmlich an einer
Alpha 7 II (24 Megapixel) sowie einer Alpha 7R (36 Megapixel).

 

Für das 85er GM, dem ich eine gute Woche lang auf den Zahn fühlen konnte, verspricht Sony „eine perfekte Balance zwischen erstklassiger Auflösung und Bokeh“ – Eigenschaften, wie man sie sich für ein Portraitobjektiv nur wünschen kann. Bereits von der Papierform her scheint Sony alles getan zu haben, um das Versprechen auch zu erfüllen: So weist FE 85 mm F1.4 GM zum Beispiel elf Blendenlamellen auf, die Unschärfescheibchen so kreisrund wie nur möglich abbilden sollen – eine Grundvoraussetzung für ein schönes Bokeh. Und ein völlig neu entwickelte „extra asphärische“ (XA-) Linse soll dafür sorgen, dass Spitzlichter außerhalb der Fokusebene möglichst gleichmäßig und ohne Farbsäume wiedergegeben werden.

Objektive mit angenehmen Bokeh

Doch was ist überhaupt ein „schönes Bokeh“, also die Art und Weise, wie Bildbereiche außerhalb der Fokusebenen wiedergegeben werden? Messtechnisch lässt sich das nur schwer erfassen. Selbst die Beschreibung in Worten fällt nicht leicht, jeder Fotograf und Betrachter hat da so seine eigenen Vorstellungen (eine ausführliche, englischsprachige Einführung in das Thema Bokeh gibt zum Beispiel Paul van Walree). Diese Problematik war Sony auch bei der Entwicklung der G-Master-Objektive bewusst, wie der oberste Objektiventwickler, Motoyuki Ohtake, dem amerikanischen Online-Magazin Imaging Ressource erzählt hat.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

„Bokeh“ beschreibt, wie Bildbereiche außerhalb der Schärfeebene
(hier vor allem die Spitzlichter im Vordergrund) wiedergegeben werden.

 

Sony hat ganz zu Beginn der Entwicklungsarbeiten zunächst einmal evaluiert, welches Bokeh als schön empfunden wird und welches nicht. Das Verfahren dazu war laut Motoyuki Ohtake ganz klassisch, mit vielen Beispielbildern und Fragebögen, auf denen die Betrachter die unterschiedliche Bokeh-Wiedergabe numerisch bewertet haben. Die dabei gewonnenen Daten flossen dann im nächsten Schritt in die Entwicklung einer Software, mit der sich das Bokeh eines Objektivs simulieren lässt – und zwar bei unterschiedlichen Brennweiten und Fokusdistanzen.

Bei der Konstruktion ist allerdings auch Sony auf ein Problem gestoßen, das Objektiventwickler immer wieder einholt: Asphärische Gläser (die chromatische Aberrationen minimieren sollen) und ein weiches, angenehmes Bokeh sind zwei Anforderungen, die sich gegenseitig nahezu ausschließen. Zeiss verzichtet daher beim Milvus 1.4/85 auf Asphären; andere Hersteller wie Leica und Panasonic betreiben einen sehr hohen Fertigungsaufwand, um den negativen Einfluss asphärischer Elemente auf die Bokeh-Wiedergabe so gering wie möglich zu halten.

FE 85 mm F1.4 GM: Linsenschnitt

Mit einem „extrem aspherical“-Element will Sony den Zielkonflikt zwischen
CA-Vermeidung und einem angenehmen Bokeh gelöst haben.

 

Kurz gesagt, ist es für ein schönes Bokeh sehr wichtig, dass die Oberflächen der Glaselemente so glatt wie nur eben möglich sind. Um das zu erreichen, hat das Team von Motoyuki Ohtake ein spezielles Verfahren zur Glasschmelze von Asphären entwickelt. Damit entstehen die XA-Elemente der GM-Objektive, deren Oberfläche eine Rauheit von lediglich 0,01 Mikrometer aufweist – üblich sind 0,02 bis 0,03 Mikrometer. Vorteil dieses Verfahrens soll es zudem sein, auch große asphärische Gläser (wie sie im FE 85 mm F1.4 GM benötigt werden) zu noch akzeptablen Kosten produzieren zu können.

Abbildungsleistungen

Grau ist alle Theorie, was zählt, ist bekanntlich „auf’m Platz“; im Falle des FE 85 mm F1.4 GM „on location“. Seine erste Bewährungsprobe hatte Sonys neues Porträtobjektiv an einer Alpha 7 II bei einem Shooting mit Lina Deerman zu bestehen. Mit von der Partie war eine Sony Alpha 7R gepaart mit einem Zeiss Milvus 1.4/85. Mir kam es dabei vor allem darauf an, die Eigenheiten des Objekts herauszuarbeiten.

Die Aufnahmen mit Lina entstanden zwischen dem Nachmittag bis zum Sonnenuntergang – Gegenlicht (und damit auf Wunsch ordentliche Kontraste) gab es also in Hülle und Fülle. Doch in Sachen chromatische Aberration zeigte sich das 85er GM davon weitgehend unbeeindruckt: Farbquerfehler (laterale chromatische Aberration), also Farbsäume an Kontrastkanten, die innerhalb der Schärfeebene liegen, sind praktisch nicht auszumachen. Das mag mit daran liegen, dass Sony diesen Abbildungsfehler bereits in der Kamera digital korrigiert und die entsprechenden Korrekturdaten auch in den RAW-Dateien ablegt.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

Laterale chromatische Aberration zeigt das FE 85 mm F1.4 GM praktisch nicht,
allerdings werden diese Farbquerfehler auch in der Kamera „zwangskorrigiert“.

 

Bei einem Portraitobjektiv wie dem SEL85F14GM kommt es allerdings auch darauf an, dass möglichst keine Farbsäume an den Kontrastkonten auftreten, die außerhalb der Schärfezone liegen. Sie zeigen sich, wenn ein Objektiv anfällig für Farblängsfehler (longitudinale chromatische Aberration, „LoCAs“) ist. Dieser oft auch recht treffend als „Bokeh-CA“ bezeichnete Abbildungsfehler ist besonders lästig, weil er sich im RAW-Konverter kaum korrigieren lässt. Das neue 85er von Sony ist zwar nicht ganz frei davon, in der Praxis treten LoCAs aber glücklicherweise sehr selten in Erscheinung.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

Derart ausgeprägte „Bokeh-CAs“ wie hier (links) habe ich nur bei einem Foto
von rund 450 Aufnahmen ausmachen können. Dieser Abbildungsfehler lässt sich in
Lightroom nur unvollkommen korrigieren.

 

Langediente Fotografen werden bei einem Portraitobjektiv vielleicht vor allem an eine Linse denken, dass nicht auf allerhöchstes Auflösungsvermögen sowie eine knackige Kontrastwiedergabe gezüchtet ist. Derartige Objektive sind gnädig zur Haut des Models, weil sie nicht jede Unreinheit gnadenlos herausschälen.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

100%-Ausschnitt: Bereits bei F1.4 wie hier bildet das neue 85er von Sony
detailreicher ab, als es so manchem Model lieb ist.

 

Das FE 85 mm F1.4 GM zählt allerdings nicht dazu, es bildet auch feinste Details unbestechlich ab. Zudem differenziert es Farben und kleinste Tonwertabstufungen so gut, dass mich die Aufnahmen damit schon fast an die mit dem doppelt so teuren Zeiss Otus 1,4/85 erinnern. Das gilt übrigens auch schon bei Offenblende, Sonys neues 85er ist selbst bei Blende F1.4 gut zu gebrauchen, wenn es denn sein muss. Weich zeichnet es nur im direkten Gegenlicht, wenn die Lichtquelle sich soeben am Bildrand außerhalb davon befindet. Doch der damit einhergehende kontrastarme Look wird ja von vielen Porträtfotografen durchaus geschätzt, sodass sie sich diese Eigenheit des FE 85 mm F1.4 GM durchaus zunutze machen können. Davon einmal abgesehen zeigt sich das Objektiv von Gegenlicht völlig unbeeindruckt: weder kommt es zu Ghosting-Effekten noch zu Flares.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

Im direkten Gegenlicht bildet das SEL85F14GM etwas kontrastarm ab.
 

Wie sieht es denn nun mit der Wiedergabe des Bokehs aus, die Sony ja bei der neuen G-Master-Serie entscheidend vorangebracht haben will? Kurz und knapp: phantastisch! Unscharfe Bildbereiche bildet das FE 85 mm F1.4 GM wunderbar weich ab, jedoch keineswegs flach und flau. Das gilt gerade insbesondere auch für die Wiedergabe von Spitzlichtern außerhalb der Fokusebene. Hier gibt es nicht die geringste Spur von Zwiebelringen oder Kringeln im Bokeh – unscharfe Punktlichtquellen werden einfach nur soft wiedergegeben, ohne dass das Objektiv ihnen eine wie auch immer geartete Struktur hinzufügt. Das gilt übrigens für Vordergrund- wie Hintergrundunschärfe gleichermaßen und keineswegs nur bei weit geöffneter Blende. Selbst bei F/2.8 wirkt das Bokeh nicht harsch oder unruhig, sondern bleibt schön ebenmäßig.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto
Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM: Beispielfoto

Das FE 85 mm F1.4 GM bildet ein Bokeh ab, das völlig gleichmäßig und praktisch fehlerfrei ist.
Die leichten Störungen im 50%-Crop (unten) sind der hohen ISO-Zahl und dem damit
verbundenen Bildrauschen geschuldet. (F/2.0, ISO 2500)

 

Ausstattung und Handhabung

Rund 2.000 Euro will Sony derzeit für das FE 85 mm F1.4 GM haben. Ein Preis, der für mich angesichts der Abbildungsleistungen des Objektivs völlig in Ordnung geht. Das 85er von Sony mag nicht einen ganz so robusten und wertigen Eindruck vermitteln wie sein Gegenspieler von Zeiss, das Milvus 1.4/85. Aber billig oder gar klapprig tritt auch das SEL85F14GM nicht auf. Sein Tubus ist aus Metall gefertigt, nur die mitgelieferte Streulichtblende besteht aus Kunststoff, allerdings aus einem hochwertigen. So kommt das 85er auf ein Gesamtgewicht von gut 820 Gramm, womit es an der Alpha 7 II so gerade noch gut zu handhaben ist. Die kleinere und leichtere Alpha 7R sollte man dagegen besser mit dem optionalen Batteriegriff versehen, damit die Kamera-Objektiv-Kombination nicht zu kopflastig wird.

Besonders gut gefallen hat mir, dass Sony das FE 85 mm F1.4 GM mit einem klassischen Blendenring versehen hat. Er lässt sich übrigens auf eine stufenlose Steuerung der Blende umschalten, was für Videofilmer interessant ist. Der Fokusring von Sonys neuem Porträtobjektiv arbeitet nach dem Prinzip „focus by wire“, er überträgt also lediglich Steuerbefehle an die Stellmotoren. Das funktioniert leidlich gut, manuelles Scharfstellen bereitet jedoch mit dem Milvus deutlich mehr Freude. Bei dem Objektiv von Zeiss ist man allerdings auch auf den satt und sämig laufenden Foksuring angewiesen, auf einen Autofokus verzichtet es nämlich.

Porträtobjektiv Sony FE 85 mm F1.4 GM

Sony hat das FE 85 mm F1.4 GM mit einem Blendenring ausgestattet,
er vereinfacht die Handhabung des Objektivs merklich.

 

In dieser Hinsicht ist das 85er von Sony seinem Zeiss-Pendant voraus, es stellt nämlich auch automatisch scharf. Unverkennbar ist allerdings, dass die Stellmotoren dazu eine große Glasmasse bewegen müssen – der AF des FE 85 mm F1.4 GM arbeitet etwas träge und keineswegs lautlos. Nicht, dass es jetzt unangenehm schaben oder brummen würde, aber vernehmbar ist die Arbeit der Fokusmotoren schon – Videofilmer sollten das im Hinterkopf behalten. Solange vor Ort Tageslicht herrschte, habe ich den AF als hinreichend schnell empfunden. Wenn das Licht schwindet, lässt seine Leistung jedoch nach. Da kam es mehr als einmal vor, dass der Autofokus übers Ziel hinausgefahren ist, ganz weit, bis zur Unendlichstellung, um dann ganz gemächlich wieder zurückzukommen. Immerhin hat Sony das Objektiv mit einer Fokus-Stopp-Taste versehen, mit der man derartige Irrfahrten sofort abbrechen kann. Eines muss man dem Autofokus des Objektivs und der Alpha 7 II jedoch lassen: Der Fokus sitzt immer perfekt dort, wo ich die Schärfe hingelegt habe – auch bei Offenblende.

FE 85 mm F1.4  GM: Beispielfoto

Die relativ große Nahdistanz beim SEL85F14GM verhindert es,
ein Hundeporträt formatfüllend aufnehmen zu können.

 

Für die Aufnahme menschlicher Porträts mag der kleinste Fokusabstand von 80 Zentimetern mit dem daraus resultierenden Abbildungsmaßstab von 1:8,3 sicherlich völlig ausreichen. Bei Porträts von Hund und Katz‘ hätte ich mir indes durchaus eine kürzere Nahdistanz gewünscht – das Antlitz meiner Labrador-Hündin bekomme ich mit dem FE 85 mm F1.4 GM nicht formatfüllend abgebildet. Andererseits: Mit dem Nikon Nikon AF-S 85 mm 1.4 G kommt man auch nicht näher ran ans Motiv, beim Canon EF 85 mm 1.2 L USM II liegt die Naheinstellgrenze gar bei 90 Zentimeter.

Mein Fazit

Das FE 85 mm F1.4 „Gold Master“ von Sony ist ein Objektiv, dessen Abbildungsleistungen mich ähnlich begeistert haben, wie seinerzeit die des Zeiss Otus 1.4/85 (dem das Milvus 1.4/85 kaum nachsteht). Während jedoch die Zeiss-Objektive vor allem auf eine hohe Schärfe und eine mustergütige Kontrastwiedergabe getrimmt sind, stand bei den Sony-Entwicklern die Bokeh-Wiedergabe im Vordergrund. Und in dieser Hinsicht hat mich das SEL85F14GM nicht nur überzeugt, sondern geradewegs begeistert.

FE 85 mm F1.4  GM: Beispielfoto

Das FE 85 mm F1.4 GM zählt sicherlich zu den besten Porträtobjektiven, die derzeit zu haben sind.
 

Sony hat jedoch zugunsten einer außergewöhnlich feinen Bokeh-Wiedergabe keineswegs andere Abbildungs-Tugenden beim FE 85 mm F1.4 GM vernachlässigt. Das Porträtobjektiv bildet scharf und sehr detailreich ab, verkneift sich abgesehen von seltenen Bokeh-CAs Abbildungsfehler und lässt sich auch von fiesem Gegenlicht fast nicht aus der Ruhe bringen.

Während die optischen Qualitäten des FE 85 mm F1.4 GM exzellent sind, hat mich der Autofokus nicht restlos überzeugt – insbesondere bei schwierigen Lichtverhältnissen ist er mir zu langsam und erratisch. Für Tierporträts hatte ich mir zudem eine etwas geringere Naheinstellgrenze gewünscht – die es allerdings beim Milvus und den 85er-Pendants von Nikon und Canon auch nicht gibt.

Ein Schnäppchen ist das Sony FE 85 mm F1.4 GM mit seinem Preis von 2.000 Euro sicherlich nicht, aber bei der Aufnahme anspruchsvoller Porträts ist es jeden Cent wert!

Positiv Negativ
sehr gute Abbildungsleistungen, exzellente Bokeh-Wiedergabe langsamer Autofokus (aber sehr treffsicher)
gutes Handling (Blendenring) etwas geringe Naheinstellgrenze
Metalltubus und insgesamt hochwertige Verarbeitung  

 

(Martin Vieten)