Foto D750Nikon gab uns die Möglichkeit, der neuen, 2150 Euro teuren Kleinbildspiegelreflexkamera D750 auf den Zahn zu fühlen. Hier die zumeist subjektiven Eindrücke:

Nach der D610 und D810 stellte Nikon mit der D750 zur photokina 2014 schon die dritte Vollformat-SLR in diesem Jahr vor. Während die Erstgenannten nur moderate Weiterentwicklungen der D600 und D800 darstellen, handelt es sich bei der D750 laut Nikon um eine Neuentwicklung – mit ihrer inzwischen sechs Jahre alten Namensschwester D700 hat die D750 nicht mehr viel gemein. Rein äußerlich ähnelt sie der D600 und D610 und teilt sich mit ihnen auch die Auflösung des Bildsensors von 24 Millionen Pixeln. Tatsächlich hat der Hersteller aber auch am Gehäuse ein paar Änderungen vorgenommen und etwa den Handgriff etwas schmaler und tiefer gestaltet (was auch bedeutet, dass ein neuer Hochformathandgriff erforderlich ist). Wobei die D750 auch ohne untergeschraubten Zusatzhandgriff satt in der Hand liegt.

Nikon D750 und D610. Bild: Schwenke

Nikon D750 (vorn) und D610 (hinten)

 
 
Gehäuse und Bedienung, Blick aufs Bild

Endlich: Der Monitor lässt sich für Bilder aus der Froschperspektive oder für Überkopfaufnahmen bequem kippen, ohne dass der Bildschirm wie von einigen anderen Herstellern bekannt zur Seite geklappt oder komplett umgedreht werden müsste. So stört kein nach links geklappter Bildschirm beim Griff der linken Hand zum Objektiv und kein nach unten geklappter Bildschirm beim Einsatz vom Stativ oder mit dem Hochformathandgriff. Bei Hochformataufnahmen hilft der Klappmechanismus freilich nur in Ausnahmefällen.

Mit den Menüs sollte man sich ein paar Minuten beschäftigen, um die unzähligen Einstellmöglichkeiten kennen zu lernen. Mit der restlichen Bedienung finden sich Nikon-Nutzer sowieso schnell zurecht. Die wichtigen Funktionen befinden sich im direkten Zugriff – so fällt beispielsweise der schon von der D610 bekannte Drucktaster an der Frontseite positiv auf, der auf dem AF-MF-Umschalter sitzt und der ein schellen Umstieg zwischen den verschiedenen AF-Modi deutlich leichter macht, als das bei einigen Mitbewerbern in dieser Preisklasse üblich ist.

Der Spiegelreflexsucher macht Spaß – hell und klar, wie von den Kleinbildkameras des Herstellers gewohnt. Unterschiede zwischen den Modellen ließen sich spontan nicht erkennen. Mit der 0,7-fachen Vergrößerung ergibt sich ein Bild, dessen Größe nur von Kameras mit elektronischem Sucher oder Mittelformatkameras nennenswert übertroffen wird.

Gemeinsam mit dem Testobjektiv 3,5-4,5/24-85 G ED VR ergibt sich eine rund 1,3 Kilogramm schwere Kombination, die den Eindruck macht, als könne man sie auch bei längeren Einsätzen mit sich herumtragen. Mit 750 Gramm (ohne Objektiv, Akku und Speicherkarte) ist die D750 minimal leichter als die D610 und zählt somit zu den leichtesten Kleinbild-SLR des Marktes.

Autofokus
Im Kurztest fehlte die Zeit, die automatische Scharfstellung an ihre Grenzen zu bringen. Zumindest die mit Phasenvergleichs-AF im Spiegelreflex-Modus. Mit dem AF-Modul Multi-CAM 3500 II kommt eine Weiterentwicklung des Multi-CAM 3500 zum Einsatz, das Nikon beispielsweise in der D4, D800 und D810 einsetzt. Die AF-Felder decken einen für eine Kleinbildkamera recht großen Bereich ab, die Auswahl des passenden Feldes gelingt intuitiv.

Der Kontrast-AF im Liveview-Modus ist mit dem aufgesetzten 3,5-4,5/24-85 G ED VR brauchbar und erheblich besser als zu Liveview-Anfängen, pumpt aber deutlich, bis die Schärfe gefunden wird. Wer viel filmt und dazu Autofokus benötigt oder wer viel aus der Hüfte schießt (welcher Käufer der D750 will das schon?), der sollte besser zu einer Spiegellosen oder SLT greifen.

Liebesschlösser Hohenzollernbrücke

 
 
Geschwindigkeit
Die D750 erreicht – unabhängig vom Bildformat – eine Serienbildrate von konstant 6,5 Bildern pro Sekunde – beeindruckend für eine Spiegelreflexkamera, deren Spiegel zwischen den Aufnahmen das Sucherbild auf dem Mattscheibe werfen und den AF-Sensor mit Licht versorgen muss, und dessen Objektiv dazu seine Blende zwischen den Bildern komplett öffnet. Eine D810 arbeitet noch etwas schneller – aber nur wenn das Bild auf das DX-Format beschnitten und der mit Akkus vollgestopfte Zusatzhandgriff unter die Kamera geschraubt wird. Auch die D750 bietet neben dem Vollformat die Reduktion auf kleinere Ausschnitte, wobei ein auf der Mattscheibe liegendes LC-Display im Sucher die kleineren Formate durch schwarze Rahmen anzeigt. Ob sich der Rahmen auch komplett grau maskieren lässt, wie wir das beispielsweise von der D800 kennen, ließ sich auf die Schnelle nicht herausfinden.

Gewöhnungsbedürftig ist übrigens das freiliegende Flachkabel hinterm Display, das Bildschirm mit Kamera verbindet. Im Dauereinsatz ein möglicher Schwachpunkt? Nikon, der Anschluss lässt sich besser verstecken!

Schnurlos
Nikon folgt dem Trend der drahtlosen Vernetzung: Das WiFi im Gehäuse – statt der rund 500 Euro teuren Lösungen für die D800/810 oder D4 – ist sehr angenehm und eine etwas verspätete aber zeitgemäße Lösung. Das Gefummel mit den „Zuckerstückchen“, den WiFi-Adaptern für die D710/600/610 für etwa 50 Euro, entfällt. Die Bilder der D750 ließen sich nach dem Start von Nikons „Wireless Mobility Utility“ bequem aufs iPhone übertragen, auch das Liveview-Bild wurde augenblicklich angezeigt. Mit der zum Test verfügbaren Version der Nikon-App war jedoch noch kein Auslösen der Kamera möglich, inzwischen gibt es ein Update für die App.

Nikon D750 iPhone. Bild: Schwenke

 
Aber warum musste die WLAN-Integration bei Nikon so lange dauern, warum musste – wie auch bei Mitbewerbern – im Gegenzug das GPS eingespart werden? Ein Geotagger GP-1 lässt sich auf den Blitzschuh stecken und per Kabel anschließen.

Bildqualität
Hier ein Spontanschuss mit der D750 und dem 3,5-4,5/24-85 mm VR Nikkor. Gespeichert wurde in voller Auflösung in der JPEG-Komprimierung „Optimale Bildqualität“, die 10 bis 15 MB große JPEGs erzeugt. An den „Picture Control“ Parametern wurde nichts verändert, denn da lässt sich ja u.a. auch die Schärfe selbst für JPEGs variieren. Was direkt aus der D750 kam, wirkte jedenfalls nicht überschärft…
 

Hohenzollernbrücke und Dom

D750 3,5-5,6/24-85 G ED VR @ 70 mm, 1/400 Sek., Blende 9, ISO 100, unbearbeitet
(Klick aufs Bild!)

 

Mitunter gerne verspottet, ist es ein gutes Gefühl, die ISOs an den Anschlag – 51.200 – zu schieben, um unter Umständen und unbemerkt überhaupt ein unverwackeltes oder bewegungsscharfes Foto zu bekommen. Deshalb wurde in der düsteren Unterführung des Deutzer Bahnhofs schnell improvisiert, und mit ISO 12.800, 25.600 und 51.200 fotografiert, ohne besonders auf die Rauschunterdrückung bei ISO+ in der D750 geachtet zu haben oder nachträglich mit der EBV entrauscht zu haben.

Fußgängertunnel

Iso-Reihe

Gesamtübersicht und 100-Prozent-Ausschnitte ISO 12.800, 25.600 und 51.200

 
Die Empfindlichkeits-Einstellungen erscheinen bis ISO 12.800 sehr gut brauchbar, ISO 25.600 und 51.200 sind mehr als nur ein Notbehelf, erst recht, wenn nicht die volle Bildgröße benötigt wird.

Soweit wir das in der Kürze der Zeit anhand der JPEGs testen können, befindet sich die Bildqualität auf der Höhe der Zeit und liefert keine Anlass zu negativen Überraschungen. Natürlich ist bei entsprechender Raw-Entwicklung noch eine Steigerung zu erwarten.
 

Randbemerkungen
Einer der ersten Blicke des Co-Autos galt übrigens dem Spiegel beim Objektivwechsel. Im Liveview-Modus bleibt der oben – so dass dem Einsatz des Uralt-Fisheyes nichts im Wege steht. Siehe Altes Fisheye – neue Kamera.

Nikon D750 und Fisheye 7,5 mm

Funktioniert: Nikon D750 und Fisheye-Nikkor 5,6/7,5

 
 
Nebenbei: Eine Synchronbuchse haben wir an der Kamera vergeblich gesucht. Wer sich mit seiner Studioblitzanlage verkabeln will und nicht drahtlos arbeitet, müsste also zum Mittenkontaktadapter für den Blitzschuh greifen.

Fazit
Nikon baut eine grundsolide Kamera, die kaum Wünsche offen lässt und die – auch wenn Nikon das Modell noch in die Schublade der Consumer-Geräte steckt – auch so manchen beruflichen Anwender überzeugen dürfte. Schön, dass Nikon dennoch auch vermeintlich unprofessionelle Ausstattung einbaut: Endlich wird in dieser Preisklasse ein beweglicher Monitor verbaut und auch auf den Aufklappblitz wird nicht verzichtet.

 

(Ralf Jannke / mts)
 

Ralf Jannke in schwindelnden Höhen

Ralf Jannke und die D750 in schwindelnden Höhen