Jede Menge Hass und Zynismus triefen aus einem Band, den sich das Boulevardblatt „Bild“ zum 60. Geburtstag hat verlegen lassen:

Zum 60. Geburtstag hat sich die „Bild“-Zeitung so einiges einfallen lassen. Da gab es die gigantische Verteil-Aktion, bei der jeder Haushalt in Deutschland eine kostenlose Zeitung erhielt – wogegen sich hunderttausende von Bürgern prompt zur Wehr setzten. Eine andere Art, sich selbst zu feiern ist das Buch, das nun im Kölner Taschen-Verlag erschienen ist.

„Das BILD-Buch“ heißt der Wälzer, der 13 Kilo wiegt und auf eine „Zeitreise“ durch die Nachkriegsgeschichte Deutschlands einladen soll. Vor allem ist es eine Reise durch das Universum des Boulevard-Journalismus – denn der Band versammelt „Bild“-Titelseiten aus den Jahren 1952 bis 2012.

Es sind bei weitem nicht die schlimmsten, die ehrverletzendsten und unappetitlichsten Titelblätter, die „Bild“ hier zusammengetragen hat. Nicht die schmutzigsten und reißerischsten Schlagzeilen. „Baader-Meinhof isst Kaviar in der Zelle“, „Sex auf Video: Steeger schlief mit ganzer Kapelle“, „Bundesliga-Hammer: 1. Tor mit Penis geschossen!“ – auch so klingen die Schlagzeilen der Boulevard-Zeitung, wenn auch nicht in diesem Jubelband.

Doch auch aus diesem 748-Seiten-Band im Zeitungsformat triefen jede Menge Hass und Zynismus, journalistisch geadelt durch den einstigen Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust, der dem Buchprojekt ein Essay beigesteuert hat. Warum sich ein renommierter Kunstbuch-Verlag und Aust für ein solches Projekt hergeben, bei dem sich die „Bild“-Zeitung vor allem selbst feiert? Es mag kaum das Interesse an 60 Jahren Geschichte gewesen sein.
 

Titelseite der 1. Ausgabe; BILD-Buch

Titelseite der 1. Ausgabe; BILD-Buch

 
Seit einigen Jahren ist die Auflage der „Bild“-Zeitung kontinuierlich rückläufig, seit 1985 hat „Bild“ beinahe drei Millionen Leser verloren – und so muten die Feierlichkeiten zum 60sten auch ein wenig an wie ein Abschied auf ein journalistisches Konzept, das sich in wenigen Jahren überlebt haben wird. Kaum eine Schlagzeile in diesem Band ist wirklich überraschend, wirklich verblüffend. Die Strategien der Bild-Zeitung sind immer die gleichen: Man appelliert an ein gemeinsames „Wir“ („Wir sind Papst!“), man will die Menschen in Furcht versetzen mit Superlativen, Dramatisierung, Polemisierung und Übertreibung – Max Goldt hat die Bild-Zeitung einmal ein „Organ der Niedertracht“ genannt.

Beim Blättern in diesem Buch wird man sich von Seite zu Seite bewusster, warum es gut ist, diese Zeitung – die seit 1986 109 mal durch den Presserat gerügt worden ist – nicht zu lesen. Es ist ein anmaßendes Buch. Wäre es nicht erschienen, niemand würde es vermissen. Als opulente Selbstdarstellung der „Bild“-Zeitung mag es taugen, als Werbegeschenk für gute Anzeigenkunden, doch als journalistischer Gang durch die Geschichte der Bundesrepublik kaum.

Bis in die jüngste Zeit polemisiert Bild, wettert gegen angebliche „Hartz-IV-Schmarotzer“, schürt Ressentiments, fordert „Nehmt den Griechen den Euro weg“, verkürzt, hetzt in dicken Lettern auf niedrigstem Niveau, erklärte jüngst eine quicklebendige Berliner Studentin für tot, leistet sich eine journalistische Panne nach der anderen – und prägt als immer noch auflagenstärkste Zeitung Deutschlands unseren Alltag. Das alles ist schon schlimm genug – und muss nicht auch noch in Buchform erscheinen.

(Marc Peschke)
 
 
Kai Diekmann (Hrsg.)
Das BILD-Buch
748 Seiten, 37,2 x 53 cm, 11 kg
Verlag TASCHEN, 20. Juni 2012
ISBN 978-3-8365-3863-3
99 Euro
 
 
Zum Weiterlesen:
60 Jahre BILD (von Springer)
BILDblog (kontra Springer)