Aufgrund der Überschwemmungen in Thailand kommt es zu Produktionsausfällen und in der Folge zu Lieferengpässen. Betroffen sind auch japanische Hersteller bei bestimmten Kameras, Objektiven und Druckern:

Seit dem Juli hat sich wegen der starken Regenfälle im gebirgigen Norden Thailands der Wasserspiegel der Flüsse und Stauseen dramatisch erhöht, die Wassermassen haben inzwischen große Teile des industriellen Kerns von Thailand erreicht und überflutet, auch in Bangkok steigt das Hochwasser, das Zentrum ist nach wie vor gefährdet. Offiziellen Angaben zufolge hat das Unwetter bislang über 350 Menschen das Leben gekostet; es sind Schäden in Milliardenhöhe entstanden.

Nachdem zuvor schon sechs Industrial Estates in Ayutthaha und Pathum Thani überflutet wurden, war zum Ende der vergangenen Woche auch der Industriepark von Bang Kadi nicht mehr vor den Fluten zu retten. In Bang Kadi besitzt Sony ein Werk mit etwa 3300 Beschäftigten, in dem laut Tech-On u.a. auch CMOS-Bildsensoren von Sony gefertigt wurden. Am 14. Oktober 2011 wurde die Produktion eingestellt, am 21. Oktober wurden die Fertigungsanlagen durch die Flut beschädigt.

Über den genauen Zustand in den einzelnen Parks sind bislang kaum Informationen bekannt. In der unmittelbar nördlich an Bangkok grenzenden Region von Rangsit steigt die Flut weiter an.

Aus dem trockenen Humor der Einwohner von Rangsit, die glaubten, das nächste Loy-Kratong-Fest, bei welchem kleine, aus Brot oder Styropor gebastelte Boote auf die Reise geschickt werden, im Wohnzimmer feiern zu können, wird langsam die blanken Angst. Inzwischen hat das Wasser schon die zweiten Stockwerke erreicht.

Der große IT-Markt Zeer Rangsit ist inzwischen geschlossen und das Wasser bewegt sich auf den ehemaligen Flughafen Don Mueang und die anschließenden Stadteile zu. Die inneren Stadtbezirke von Bangkok werden zu Lasten der umliegenden Wohngebiete geschützt und sind bislang noch trocken. So ist der Wasserstand der innerstädtischen Kanäle bislang noch nicht gestiegen und es treiben auch noch keine Kadaver aus den Geflügelfarmen des Hinterlandes durch die Stadt. Dafür wird das Trinkwasser in vielen Geschäften knapp und Milch ist ein seltenes Gut geworden.

Was inzwischen auch sehr selten geworden ist, ist das so typische freundlich-verlegene Lächeln viele Bangkoker. Jeder Ansatz eines Lächelns gefriert in Bruchteilen von Sekunden. Die meisten haben inzwischen wohl erfahren, dass sich das Wasser nördlich von Bangkok staut und einen Weg in den Golf von Thailand braucht, um aus den überfluteten Gebieten Zentralthailands abfließen zu können.

Die Kanäle von Samut Prakan, einer ebenfalls stark industrialisierten Region südlich von Bangkok, verfügen offensichtlich über knapp 100 funktionierende Pumpen, die das Wasser in den Golf von Thailand abpumpen können. Der Wasserspiegel in den Kanälen wurde in den letzten Tagen um 20-45 cm abgesenkt, um zusätzliches Wasser aus Bangkok aufnehmen zu können. Allein, das Wasser wird derzeit noch nicht durch Bangkok geleitet, weil man befürchtet, die Wassermengen in den Kanälen nicht so genau dosieren zu können, dass das Wasser innerhalb der Stadt nicht über die Ufer tritt.

Noch ist nicht abzuschätzen, wie lange die Überflutungen andauern. Und für viele Industriebetriebe dürfte der Aufwand mit den Aufräumarbeiten nicht beendet sein. Wer beispielsweise wie Nikon in seinem Werk in Ayutthaya etwa 50 % Zeitarbeiter beschäftigt, muss auch damit rechnen, in der Folge der Fluten neues Personal anzulernen, da die bisherigen Arbeitskräfte inzwischen besser bezahlte Tätigkeiten gefunden haben. Bei einer Arbeitslosenquote von 0,9 % wird die Nachfrage nach Arbeitskräften die Löhne nach oben treiben. Zudem steht für kommenden April eine Erhöhung des Mindestlohns an. Die ebenfalls angekündigte Erhöhung von Verbrauchssteuern im kommenden Frühjahr wird die Aufbauarbeiten möglicherweise beschleunigen.

Für die kommenden Wochen ist jedoch an einen Wiederaufbau noch nicht zu denken. Im Gespräch ist derzeit eine Dauer der Überflutungen von etwa drei bis sechs Monaten.

Vor allem die ausländischen Investoren, die in der Vergangenheit in Thailand ihre „Rundum-sorglos-Pakete“ gebucht und von den niedrigen Steuersätzen profitiert hatten, zahlen inzwischen den Preis für ihr geradezu blindes Vertrauen in die staatliche Verwaltung, bei der sich im Bereich der Wasserwirtschaft ein offensichtlich beachtlicher Nachholbedarf an Fachwissen zeigt.

Für die japanische Kamerawirtschaft, die dabei war, die Folgen des 11. März zu verarbeiten, ist das ein schwerer Schlag. Noch härter dürfte es aber die beiden wichtigsten Hersteller von Festplatten treffen: Seagate und Western Digital fertigen traditionell in Thailand und der Marktanteil der thailändischen Fertigung liegt bei über 50 %.

(CJ)
 
 
Hier die Zusammenfassung der vorläufigen Zustandsberichte der Hersteller, soweit sie sich geäußert haben bzw. uns Informationen vorliegen:

  • Canon: Zwei Fabriken in Ayutthaya haben den Betrieb eingestellt. Betroffen ist die Druckerproduktion.
  • Nikon: Lieferengpässe bei Nikkor-Objektiven und (APS-C-) Spiegelreflexkameras möglich. Nicht betroffen sind Nikon-1-Systemkameras, Coolpix-Kompaktkameras und High-End-Spiegelreflexkameras.
  • Sony: Die Auslieferung der NEX-7 verzögert sich um unbestimmte Zeit: „Aufgrund einer schweren Flut in der Provinz Ayutthaya in Thailand haben die Produktionsstätten der Sony Corporation in Thailand ihren Betrieb vorläufig eingestellt, die entsprechenden Auswirkungen werden zur Zeit im Detail geprüft. Aktuell ist die Markteinführung der NEX-7 betroffen, die sich von November 2011 auf einen späteren Zeitpunkt verschieben wird. Weitere Informationen können wir im Moment noch nicht bekannt geben.“, so Silke Bernhardt (Head of PR, Sony Deutschland). Sony Japan meldet zudem, dass sich die „Double Zoom Lens Kits“ von NEX-5N und NEX-C3 ebenso verzögern werden wie die alpha 65 (SLT-A65). Laut Tech-On erwägt Sony, die Produktion von Cyber-shot-Kameras nach China oder Japan zu verlagern.
  • Casio, Fujifilm, Olympus, Panasonic, Pentax, Ricoh, Samsung, Sigma und Tamron sind nach derzeitigem Kenntnisstand nicht betroffen.

Siehe auch:
Bangkok Post (aktuellste Nachrichten zum Hochwasser in Thailand)
Global fallout of Thai floods / Parts makers’ production delays expected to last months
Thailand Floods 2011 (Google Crisis Response)
Hochwasser beeinträchtigt Kameraproduktion in Thailand
 

(thoMas)
 

Nachtrag (25.10.2011): Durch das Hochwasser könnten indirekt alle Hersteller von Digitalkameras betroffen sein, denn Sony hatte wohl in der betroffenen Region auch die Herstellung von LCD-Monitoren konzentriert, was Lieferengpässe bei Kameramonitoren und Fernseh-Bildschirmen bedeuten würde. Und die Lieferengpässe bei Nikon sind offensichtlich nicht nur „möglich“, sondern sehr wahrscheinlich, v.a. was Wechselobjektive und Einsteiger-DSLRs angeht.