Foto Stephen Shore: Main Street and Second Avenue, North Dakota, 1973Heute ist der 1947 in New York geborene Stephen Shore ein Klassiker der amerikanischen Fotografie. Berühmt geworden ist er für seine Arbeiten, die seit den 70er Jahren bei seinen vielen Reisen durch die USA entstanden. Was er uns zeigt, ist nicht unbedingt Ungewöhnliches: Straßenkreuzungen, Dörfer und Städte, Tankstellen, Industriegebäude – das, woran man üblicherweise vorbeifährt

In den siebziger Jahren war das in der Fotokunst noch neu: den Alltag so ungeschminkt und in Farbe zu zeigen. Gemeinsam mit William Eggleston avancierte Shore zu einem Protagonisten der Farbfotografie – und das zu einer Zeit, als künstlerische Fotografie (so sah es etwa Walker Evans) noch ausschließlich in Schwarzweiß fotografiert werden sollte.
 

Foto Stephen Shore: Victoria Avenue and Alberta Street, Regina, Saskatchewan, 1974

Stephen Shore: Victoria Avenue and Alberta Street, Regina, Saskatchewan, 1974

 
Shore wurde zu einer Ikone der amerikanischen Farbfotografie: Er war der erste lebende Fotograf, dem das Metropolitan Museum of Art eine Einzelausstellung widmete. Schon Ende der siebziger Jahren wurde Shore auch in Deutschland ausgestellt. 1977 etwa war er in der Kunsthalle Düsseldorf zu sehen, später in der Hamburger Kunsthalle, im Städel in Frankfurt am Main, im Sprengel Museum in Hannover und jüngst im Rahmen der Ausstellung „Maloney, Meyerowitz, Shore, Sternfeld – New Color Photography der 1970er Jahre“ in den Hamburger Deichtorhallen.

Jetzt zeigt eine Ausstellung im NRW-Forum in Düsseldorf viele der schönsten Bilder Shores unter dem Titel „Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie“. Landschaften und Stadtansichten, Motels in Vorstädten, Parkplätze und Vergessenes am Straßenrand. Bilder, welche die USA als einen faszinierend-irritierenden Ort der Freiheit und Banalität darstellen. Bilder, die an fotorealistische Malerei denken lassen, die im Gewöhnlichen das Besondere entdecken.
 

Foto Stephen Shore: Main Street and Second Avenue, North Dakota, 1973

Stephen Shore: Main Street and Second Avenue, North Dakota, 1973

 
Vor allem mit der 1972 erstmals präsentierten Serie der „American Surfaces“ und später mit seinen „Uncommon Places“ gelang Shore der Sprung in die Sphäre der Kunst. Bald zählte er zu den wichtigsten Vertretern der „New Topographics“, jener Gruppe von Fotografen, deren nüchterne Abbildungen der damaligen Alltagsarchitektur, des urbanen Raums, an die gleichzeitig in Deutschland entstehenden Arbeiten von Bernd und Hilla Becher erinnern. Auch sie lieferten eine fotografische Recherche zu Stephen Shores Lebensthema: wie die Menschen die sie umgebende Welt gestalten und verändern.

„Mir scheint, dass die jüngere Künstlergeneration gerade in Deutschland eine Sicht verfolgt, die meiner verwandt ist. Die Arbeit von Bernd und Hilla Becher, mit denen ich seit langem befreundet bin, hat dieser Art von ‘Straight Photography’ den Weg geebnet“, sagte der zumeist mit der Großformat-Kamera arbeitende Stephen Shore einmal. Die Ausstellung im NRW-Forum versucht nun die Gegenüberstellung: Neben den wichtigsten Arbeiten von Stephen Shore präsentiert die Schau eine Auswahl von Arbeiten der Bechers und ihrer Schüler an der Düsseldorfer Kunstakademie. Zu sehen sind etwa Fotografien von Candida Höfer, Thomas Ruff, Thomas Struth, Axel Hütte, Andreas Gursky, Boris Becker, Laurenz Berges, Elger Esser und Bernhard Fuchs. Fotografien, die wie jene von Stephen Shore das Auge für die Schönheit des Profanen öffnen.

Jetzt ist Shore mit dem Kulturpreis der DGPh geehrt worden: Mit ihm würdigt die DGPh eine herausragende Persönlichkeit, deren Schaffen gleich mehrere Fotografen-Generationen geprägt hat. Die Verleihung des Kulturpreises findet am 11. September 2010 im NRW-Forum in Düsseldorf statt.
 

Foto Cedar Springs Road, Dallas, 1976

Stephen Shore: Cedar Springs Road, Dallas, 1976

 
Anlässlich der Ausstellung und der Preisverleihung wurde jetzt auch die Monographie „Uncommon Places“ in einer vom Künstler überarbeiteten neuen Fassung aufgelegt. Ein Buch über Amerika, das Landschaften, Straßen und Städte, ganz gewöhnliche Orte, in überaus präzisen, leuchtenden Farbfotografien zeigt. Die Bilder des fotografischen Langzeitprojektes entstanden zwischen 1973 und 1979 und erschienen erstmals 1982 bei dem amerikanischen Verlag „Aperture“. Jetzt wurde die damalige Auswahl von Shore vor allem um Porträts und Interieurs erweitert. Ein grandioses Buch: Selten waren sich Banalität und Brillanz so nah.

(Marc Peschke)
 
 
Alle Fotos aus: Stephen Shore, Uncommon Places
 
 
Ausstellung:

Titelseite Uncommon Places

Der Rote Bulli. Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie
NRW-Forum
Ehrenhof 2
40479 Düsseldorf
11. September 2010 bis 16. Januar 2011
Dienstag bis Sonntag 11 bis 20 Uhr, Freitag 11 bis 24 Uhr

Buch:
Stephen Shore
Uncommon Places – Amerika. Das Gesamtwerk (bei amazon.de)
Mit einem Text von Stephan Schmidt-Wulffen und einem Gespräch mit Lynne Tillman
188 Seiten. Gebunden
Schirmer/Mosel 2010
ISBN 978-3-8296-0129-0
49.80 Euro