Eine so subjektive wie praxisorientierte Antwort auf die Frage, ob die alten sogenannten „Stangen-Nikkore“ nun schneller oder langsamer fokussieren als ihre modernen Nachfolger „AF-S“:

In den Foren wird immer mal wieder gerne behauptet, dass bestimmte Nikkore in ihrer alten Version, wo der Fokusmechanismus im Objektiv durch einen Motor im Kameragehäuse angetrieben wird, schneller sind als ihre AF-S Nachfolger, bei denen der AF-Motor bekannterweise im Objektiv eingebaut ist. Da die zu rotierende Frontlinse oder die innenfokussierte Linsengruppe in den alten AF-Nikkoren natürlich nicht in Bajonettnähe sitzt, wird der Antrieb über eine mehr oder weniger lange Welle – „Stange“ – durchgeführt. Daher der schnodderige Begriff „Stangen-Nikkore“.

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Speziell das 2,8/35-70 mm AF(D) Nikkor wird fast als Geheimtipp gehandelt. Und auch dem Tamron 2,8/28-75 in der ersten Stangen-Version für Nikon wird eine höhere AF-Geschwindigkeit angedichtet als der IIer Version.

Möglicherweise hat da der eine oder andere nicht sehr gründlich in die Bedienungsanleitung seiner Nikon D700 oder D300 geschaut. Dort ist diese identische Passage – offensichtlich nicht besonders gut ins Deutsche übersetzt – abgedruckt:

„Wenn mit den Objektiven AF 80–200 mm 1:2,8, AF 35–70 mm 1:2,8, AF 28–85 mm 1:3,5–4,5 (Neu) oder dem AF 28–85 mm 1:3,5–4,5 bei maximalem Zoom und gleichzeitig minimaler Scharfstellentfernung fokussiert wird, kann der Schärfeindikator erscheinen, wenn das Bild im Sucher auf einem matten Bildschirm nicht scharfgestellt ist. Stellen Sie den Fokus manuell ein, bis das Bild im Sucher scharfgestellt ist.“

Haben Sie den Text verstanden? Wie dem auch sei – „irgendetwas” ist da, was das Fokussieren mit den genannten Nikkoren an der D300/700 angeht.

Bei mir jedenfalls war mit diesen Kameras und in Verbindung mit dem 2,8/35-70 AF (und auch mit dem in der Anmerkung nicht erwähnten 1,4/50 AF-D) bei Basketball-Aufnahmen unmittelbar unter dem Korb die Zahl unscharfer Fotos extrem hoch (Entfernungsbereich 2-3 m). Obwohl es da nach einem Vorfokussieren aufs Netz des Korbes eigentlich nicht viel an Entfernung nachzuregeln gibt, wenn dann der Spieler ins Visier genommen wird. Das traf sowohl für ein stark gebrauchtes 2,8/35-70 mm als auch für ein zweites solches Objektiv in fast neuwertigem Zustand zu!

Nach dem Wechsel auf das AF-S-Nikkor 1,4/50 und die preisgünstige Alternative zum alten Zoom-Nikkor, das Tamron 2,8/28-75 mm Version II (mit AF-Motor im Objektiv), ergab sich ein vollkommen anderes Bild. Eine viel höhere Trefferquote, die ich in reinen Zahlen nicht belegen kann, da alles, was unscharf ist, beim Sichten sofort gelöscht wird.

Ich bezweifle nicht, dass die Stangen-Versionen möglicherweise tatsächlich schneller von Unendlich aufs heimische Bücherregal fokussieren als die Nachfolger. Möglicherweise aber nicht akkurat genug, wenn Bewegung ins Spiel kommt. Vielleicht regeln die neuen AF-Objektive mit Motor im Objektiv tatsächlich die entscheidenden Zentimeter noch nach, wo das Stangen-Nikkor bereits gestoppt hat – und der Fokus nicht stimmt. Oder liegt es schlicht am Unvermögen des Fotografen und Autors dieses Beitrags? Sicher spielt in der Sportfotografie neben der Erfahrung auch die Tagesform des Fotografen eine Rolle.

Mein Fazit jedenfalls lautet: An der Grundschärfe gerade auch bei voller Öffnung gibt es auch bei den alten Stangen-Versionen kaum etwas zu bemängeln, und sofern die Sportfotografie nicht zum Interessensgebiet gehört, kann man die alten Stangen-Nikkore bedenkenlos einsetzen. Was aber die Genauigkeit des (Nachführ-)Autofokus bei bewegten Bildern angeht, sind sie meiner Erfahrung nach nicht mehr up-to-date. Wer (schnell) bewegte Motive fotografieren will, sollte die modernen Alternativen wählen! Auch das 1,8/35 AF-S DX Nikkor (auch auf der D700! – siehe auch Viel Vermischtes; #11-09 ganz unten) liefert eine ordentliche Trefferquote unterm Basketball-Korb.

(Ralf Jannke)