Im Zusammenhang mit Katastrophen-Ereignissen wie dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs oder dem Brand der Herzogin-Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar tritt das Thema Langzeitarchivierung ins Licht einer breiteren Öffentlichkeit:
Seit dem Jahr 1961 werden Archive des Bundes und der Länder zur Sicherung auf Mikrofilm aufgenommen. Die Mikroverfilmung erfolgt im Rahmen des Zivilschutzes vom Bund selbst oder von den Bundesländern im Auftrag des Bundes. Zuständig für die Sicherungsverfilmung und die sichere Lagerung ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn (BBK Sicherungsverfilmung).
Zur Hoch-Zeit des Kalten Krieges und der Furcht vor einem Atomschlag, den man in tief in Bergmassive gegrabenen Bunkern zu überstehen hoffte, wurde die Langzeit-Archivierung von Urkunden, Akten und anderen für die Nachwelt wichtig erscheinenden Unterlagen begonnen. Die dauerhafte Einlagerung der Mikrofilme – bei einer im Lagerbehälter voreingestellten Luftfeuchtigkeit von ca. 30 % und konstanten Temperaturen – erfolgt seit 1975 im Zentralen Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland im Barbarastollen einem ehemaligen Versorgungsstollen des stillgelegten Schauinsland-Bergwerks in Oberried bei Freiburg (Barbarastollen). Die Betreuung – das Facilitymanagement – des Einlagerungs-Stollen erfolgt durch die Bundesanstalt für Vermögensaufgaben / Bima.
Die Aufnahme der Mikrofilme erfolgt in den Verfilmungsstellen, die beim Bundesarchiv, beim Geheimen Staatsarchiv und bei bestimmten Landesarchiven angesiedelt sind.
In den 1960er Jahren, als mit der Sicherungsverfilmung begonnen wurde, wurden in erster Linie Akten verfilmt, bei denen der Textinhalt und nicht eine eventuelle Illustration die Hauptbedeutung hatte. Es verwundert daher wenig, wenn alle Unterlagen auf Schwarzweißmaterial verfilmt wurden. Zudem gab es zum damaligen Zeitpunkt noch keine Farbfilmmaterialien, welchen man die erforderliche Langzeitstabilität zutrauen wollte. Zum Einsatz kamen ursprünglich unperforierte 35-mm-Filmrollen auf Triacetat-Basis mit einer Filmlänge von 100 Fuß. Da man mit der Langzeitstabilität des Triacetat-Trägermaterials nicht zufrieden war, wurde seit Beginn der 1970er Jahre auf Polyesterfilm als Trägermaterial umgestellt. Neben dem Vorteil der besseren Langzeitstabilität bot die nur etwa halb so große Materialdicke des Polyesterträgers den Zusatznutzen, dass auf einer Filmspule die doppelte Menge an Aufnahmen untergebracht werden konnte.
Auch heute erfolgt die Archivierung auf analoger Basis auf Filmmaterial von Kodak oder Agfa-Gevaert, die in Belgien auch heute noch Filme für spezielle Einsatzzwecke produzieren. Im Falle der Schwarzweiß-Mikrofilme werden inzwischen zur Verbesserung der öffentlichen Zugänglichkeit der Informationsinhalte auch Digitalisierungen von den mikroverfilmten Aufnahmen vorgenommen. Diese Vorgehensweise schont die Originale und lässt sich auch automatisieren.
Mit der Aufnahme der Archivierung von Kulturgütern, die aufgrund ihrer Beschaffenheit sinnvollerweise in Farbe archiviert werden sollten, hat sich ein etwas anderer Ablauf entwickelt. In Farbe werden heute vielfach zuerst digitale Aufnahmen angefertigt und dann über hochpräzise Laser-Belichter auf Film ausgegeben. Eingelagert wird dann wiederum das analoge Filmmaterial.
Der Vorteil der analogen Einlagerung besteht neben der längeren Erfahrung mit der Haltbarkeit des Materials auch in der größeren Sicherheit, dass spätere Generationen die Inhalte der Archive wieder nutzen können. Bei einer digitalen Speicherung benötigt man für das spätere Auslesen über die entsprechenden Lesegeräte und digital-analog-Umwandler. Solche Geräte sind schon heute für zahlreiche Speichermedien der letzten zwei Jahrzehnte kaum mehr verfügbar.
(CJ)
Ach nee,
Ach nee, schau mal einer an. Film wird also doch noch genutzt. Muss schlimm sein für die FT-Fanatiker, oder?
Ich würde gern mal wissen, wie viele Menschen der ‘jüngeren’ Generation bereits eine verlorene Kindheit haben, nur weil die digitalen Bildchen auf einer Festplatte, einer CD oder DVD abgeraucht oder unlesbar geworden sind.
Aber eigentlich interessiert das wohl kaum jemanden mehr in der modernen ‘5-Minuten-Kultur’ auf der digitalen Überholspur – es lebt sich offenbar auch ohne Rückblick auf die Wurzeln des eigenen Ich in einer degenerativen Gesellschaft…
Unter den Ambitionierteren
Unter den Ambitionierteren der ‘jüngeren’ Generation erfreut sich die Fotografie auf Film einer stetig wachsenden Beliebtheit! Das können die technikbegeisterten Foto-Onkels mit den brandaktuellen Kleincomputern vor dem Bauch garnicht begreifen.
Der einzig tatsächliche Nachteil der analogen Fotografie ist die nicht sofortige Verfügbarkeit der Bilder.
ach wie gut
ist es doch, dass sich manche Leute auf das ach so sichere Filmmaterial verlassen. Okay, soweit es sich um die Schwarzweißfilme handelt, die ich selbst entwickelt habe, scheinen die ziemlich sicher zu sein. Seit Beginn meiner Knipserzeit Anfang der 60er kann ich noch auf (fast) alle Negative uneingeschränkt zugreifen. Was die Farbbilder betrifft – E6 Fuji- und Ektachrome, C41 Farbnegative – sieht es teilweise schon deutlich schlechter aus, obwohl ich nicht gerade im Billiglabor entwickeln ließ. Die Super-8-Filme meiner Kinder sind bis auf die “geringfügigen” Kratzer (anscheinend) unverändert, bis auf die paar Rollen von Agfa und – zu meiner Schande muss ichs gestehen – die drei Rollen Revue, die von der fabelhaften Stiftung Warentest als dem gelben Riesen ebenbürtig getestet waren.
Vielleicht noch ein Beitrag eines unbekannten Gastes im Vorfeld einer Ausstellung mit (angeblich) 100 und mehr Jahre haltbaren Giclée-Prints: “Sind die Bilder es denn wert, so lange zu halten?” Er hatte noch nicht hineingesehen. Wie seine Meinung anschließend war, habe ich leider nicht mehr erfahren…
Äpfel und Birnen
Dass sich Arbeitskopien in digitaler Form leichter handhaben lassen, als analoge Mikrofilme, steht weitgehend außer Zweifel. Hier ging es aber nicht in erster Linie um Arbeitskopien, sondern um die Langzeitarchivierung.
Für die Bundesrepublik Deutschland findet die Lagerung im Barbarastollen statt, nicht die Verfilmung. Die Lagerung der analogen Filme ist äußerst personalextensiv im Gegesatz zu einer kontinuierlich erforderlichen laufenden Kopie digitaler Daten.
Analoge Filme werden einmal eingelagert und nur der Neuzugang fällt einmal als Aufwand an. Bei digitalen Systemen erhöht sich der laufenden Aufwand mit jedem Daten-Neuzugang.
Glauben Sie wirklich,
dass es sicht lohnt, den Webauftritt der Bundesregierung mit der gesamten Verlinkungsstruktur für die Nachwelt zu archvieren?
Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass ein System wie das “Internet” die derzeitige Anpassungsphase (von manchen auch als Krise bezeichnet) längerfristig in der uns derzeit geläufigen Form verfügbar bleibt?
Der Betrieb unserer digitalen Infrastruktur ist beispielsweise mit extrem hohen Energiekosten verknüpft, die möglicherweise morgen niemand mehr übernehmen will/kann.
hospes
Analog
Für die Langzeitarchivierung wird bei vielen Firmen längst wieder mit analogem Material gearbeitet, weil es in diesem Fall auch preiswerter ist. Ein System gibt es von Ilford und wurde auch auf der Photokina vorgestellt.
Trotzdem stimmt das natürlich mit der “5-Minuten-Kultur”. Eine Zeitschrift schrieb einmal “wenn es um die Speicherung geht, leben wir im finstersten Mittelalter. Unersetzliche Werte gehen fast täglich verloren. Nicht bei den Amateuren sondern in Bibliotheken”.
Und der Nachteil der analogen Sicherheitsverfilmung
besteht darin, daß das Kölner Archiv nicht verfilmt war!
Und dafür gibt es einen Grund.
Während Bilddateien überspielt werden können, um die Erfassung der archivarischen Daten vorzunehmen, sitzen die Mikroverfilmer auf ihren Filmrollen und kommen nicht zu Potte.
Mit anderen Worten, hätte man die Kölner Archivalien mikroverfilmt, dann wären die belichteten Filmrollen im selben Archiv neben dem Verfilmungsgerät gelagert worden und hätten auf ewig auf ihre Erfassung gewartet. Das bedeutet natürlich nicht auf ewig, denn sie wären ja beim Einsturz mit den Originalen untergegangen.
Post casum stellt sich dann die Frage, wie man die mikroverfilmten Hunderttausende oder Millionen(!) von Mikrofilmaufnahmen wieder verfügbar gemacht hätte. Denn die bloße Beerdigung im Bundesstollen hilft den “hinterbliebenen” Historikern noch nicht, ihre Arbeiten termingerecht fertigzustellen. Etwa nicht etwa durch Digitalisierung der Mikrofilmaufnahmen? Stück für Stück? – Hätte man da nicht gleich…?
Die Mikroverfilmer sind ausgerichtet auf Anfragen nach Einzeldokumenten, aber nicht auf Lieferung von arbeitsfähigen Komplett-“Kopien”. So etwas wäre nur datentechnisch möglich.
Köln ist kein künftiges Studienprojekt, mit dem sich wohlfeile Beamtenposten ihre Renten sichern, Köln ist die Bankrotterklärung der bisherigen Archivsicherungsstruktur.
Gast schrieb:
Mit anderen
[quote=Gast]Mit anderen Worten, hätte man die Kölner Archivalien mikroverfilmt, dann wären die belichteten Filmrollen im selben Archiv neben dem Verfilmungsgerät gelagert worden und hätten auf ewig auf ihre Erfassung gewartet. Das bedeutet natürlich nicht auf ewig, denn sie wären ja beim Einsturz mit den Originalen untergegangen.[/quote]
Sauber eingedoste Mikrofilme hätten den Einsturz und die anschließenden Wasserschäden wohl überlebt. Nur ein Brand (wie in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar) wäre ein Problem geworden.
Der Vorteil der analogen
Der Vorteil der analogen Einlagerung besteht neben der längeren Erfahrung mit der Haltbarkeit des Materials auch in der größeren Sicherheit, dass spätere Generationen die Inhalte der Archive wieder nutzen können. Bei einer digitalen Speicherung benötigt man für das spätere Auslesen über die entsprechenden Lesegeräte und digital-analog-Umwandler. Solche Geräte sind schon heute für zahlreiche Speichermedien der letzten zwei Jahrzehnte kaum mehr verfügbar.
Warum nun ausgerechnet Photoscala so einen Unsinn verbreitet, kann ich nicht verstehen.
Der Vorteil einer digitalen Lagerung wäre doch, Daten dezentral und in mehrfacher, verlustfreier Kopie zu archivieren. Um die Pflege der digitalen Daten muss sich Fachpersonal kümmern – Auch nicht anders als die Beamten, die sich um die Filme im Barbarastollen kümmern. Das nun ausgerechnet diese Daten in bestimmter Zukunft nicht mehr lesbar sein sollen, weil aus heiterem Himmel die Lesegeräte fehlen und alle Beteiligten Jahrzehnte “verschlafen” die Daten in ein anderes Medium zu überspielen, ist ein hanebüchenes Szenario.
Digitale Daten sind im Zweifel Einsen und Nullen. Das hat sich seit den ersten Tagen des Computers nicht geändert. Wer immer orakelt man werde seine Daten irgendwann nicht mehr lesen können weil sich ein “Dateiformat” geändert habe, hat einfachste technische Grundlagen nicht begriffen. Nicht die Maschine erklärt sich selbst für obsolet und mit einer nächsten inkompatibel, sondern das erzeugt der Mensch. Genau so wie es ihm obliegt dafür zu sorgen, das “Formate” immer lesbar bleiben.
Die Zukunft der Information ist digital, und das ist wirklich gut so.
Nur mal so ein Gedanke
Das Problem mit den Einsen und Nullen ist, dass sie da sein müssen.
Versuchen Sie mal, eine 5-1/4 Zoll Diskette heute zu lesen. Selbst wenn Sie noch ein passendes Diskettenlaufwerk finden, sind die Daten mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr lesbar, weil defekt. Ähnliches gilt für gebrannte CDs – nach wenigen Jahren sind die Daten verloren.
Digitale Daten müssen derzeit also ständig umkopiert werden. a) weil sich die Datenträger ständig ändern, b) weil sie nur 5-20 Jahre sicher gespeichert sind.
Wie war das mit der Knotenschrift der Inkas? Die war lange nicht lesbar, weil keiner wusste, wie. Die Knoten sah man wohl, allein die Lesevorschrift fehlte. Jetzt erst glaubt man, sie entziffert zu haben. Und das bei ein paar Knoten, in einem “Dateiformat”.
Allein Bilddatenformate gibt es zuhauf (RAW, JPEG, TIFF, PNG, GIF, …).
Aus Archivarsicht: ein digitales Medium / digitale Daten muss ich derzeit alle 5-20 Jahre in die Hand nehmen, auf Beständigkeit und Lesbarkeit prüfen und ggfs. umkopieren – und dabei veraltete Formate umkodieren. Analoges Material dagegen weiß ich für viele Jahrzehnte und auch Jahrhunderte sicher.
Vereinfacht: Analoges (Fotos, Papier, …) wird irgendwie, zumindest teilweise, Jahrhunderte überdauern, auch ohne Pflege, Archivierung usw. Digitale Daten sind unter solchen Umständen nach 20 Jahren zuverlässig futsch.
der besucher
Kopieren
Zumal es bei mehrfach vorhandenen digitalen(!) Kopien nicht nur kein Problem, sondern selbstverständlich ist, daß die Lesbarkeit durch regelmäßiges Kopieren auf neue Datenträger, und damit neue Speichertechniken, lesbar gehalten wird.
Das Umkopieren von digitalen Daten ist ein völlig standardisierter und nahezu automatischer Prozeß. Währenddessen könnte man den Beamten sogar anderweitig einsetzen.
Aber vielleicht liegt gerade dort das Problem?
Und die schnelle – auch verteilte- Verfügbarkeit digitaler Daten ist durch nichts mehr zu ersetzen. Das bedeutet, “Daten” werden auf jeden Fall benötigt. Dann soll man sie gleich richtig behandeln und archivieren.
Ein Archiv muß die künftige Gegenwart bedienen können, und nicht eine illusionäre Zukunft der Vergangenheit.
Außerdem mache man sich klar, daß inzwischen auch Originale eine digitale Form haben. Will man im Barbarastollen jedesmal den kompletten Webauftritt der Bundesregierung verfilmen, wenn ein neuer Pressetext online gestellt wird? Denn die Verlinkungsstruktur der Dokumente ist wesentlicher Teil des Originals.
Nun macht die Gegenwart einigen Vorpensionären vielleicht nochmal richtig Mühe.
Beton ist vergänglich, Intelligenz überlebt. Auch in den Köpfen.
Datensicherheit nur auf Film
Leider handelt es sich bei den Kommentaren, die eine digitale Speicherung favorisieren, nur um subjektive Spekulationen. Valide Erkenntnisse zur langjährigen digitalen Bildspeicherung gibt es bislang nur als Hochrechnungen. 100 Jahre alte analoge Bilder gibt es dagegen immer noch.
Seit Mitte der 80ziger Jahre habe ich einige Erfahrungen in der digitalen Speicherung von Daten sammeln können. Jede Migration der Daten in ein neues System war mit Datenverlusten verbunden (Selektion, defekte Daten). Die Mehrzahl der alten Daten existieren nur noch als Publiktion. Um die eigenen Bilder zu speichern, nutze ich daher ausschließlich analoge Technik = s/w Filme und Diafilm (selbst aus den 60zigern noch ohne Farbverschiebung).