Neues, Ungesehenes aus dem nigerianischen Alltag zeigen die Fotografien von George Osodi, die jetzt in Berlin zu sehen sind. Kritisch, engagiert, doch auch beseelt von der Poesie des Alltags:
Das feuchtheiße Lagos, die größte Stadt Nigerias. Etwa zehn Millionen Menschen leben hier. Oder sind es sogar 14 Millionen, wie andere Quellen behaupten? Einst ein Fischerdorf in der Lagune, heute eine Stadt, die beinahe aus allen Nähten platzt, die immer weiter wächst, deren Einwohnerzahl sich in den vergangenen 30 Jahren um ein vielfaches multipliziert hat.
George Osodi: Aus der Serie Lagos Uncelebrated. Okada Rider, 2007. C-Print on Alu-Dibond, 80×120 cm. 1/5
Rem Koolhaas, der niederländische Stadtplaner, hat einmal geschrieben, diese Stadt sei typisch für die Metropolen des 21. Jahrhunderts. Vielleicht ist sie auch deshalb ein so faszinierender Ort für einen Fotografen wie den 1974 geborenen George Osodi der immer schon hier lebt. Überbevölkerung durch massive Landflucht, ein kollabierendes, hoffnungslos veraltetes Verkehrssystem, endlose Staus, rasantes Wachstum und dennoch, irgendwie: das Leben funktioniert.
Betrachtet man die Bilder George Osodis, die jetzt in der Berliner Galerie Peter Herrmann zu sehen sind, dann ist man ob ihrer Unmittelbarkeit fasziniert. Sie zeigen die Probleme Nigerias, den alltäglichen Irrsinn des Verkehrs etwa. Unfälle oft mit Todesfolge sind hier Alltag. Ein grausiges Thema, das Osodi in Fotografien gießt, die den Schrecken auf paradoxe Weise mit skurriler Schönheit verbinden.
George Osodi: AJ City Body Builder, 2007. C-Print on Alu-Dibond, 80×120 cm
Oder jene Sportler in ihren maroden Trainingsstätten, wie der Muskelmann, der seine Hanteln in einer Bruchbude stemmt: Armut, Elend, das krasse Aufeinandertreffen von Arm und Reich, die Enge des Lebens, all das spart Osodi auf seinen Bildern nicht aus. Bis zu 30000 Menschen leben in Lagos auf einem Quadratkilometer, umbraust von tausenden „Okadas“, wie man hier die Mopeds nennt. Osodi zeigt uns ein Meer von Wellblechdächern selbst die Strommasten kennen hier keine Grenze mehr, unzählige Kabel sind mehr schlecht als recht befestigt: Oft gibt es gar keinen Strom und Wasser auch oft genug nicht: gut für die mobilen Wasserhändler, immerhin.
Sie ist faszinierend, diese Stadt. Eine Stadt, die nicht zu bewältigen ist, die einem Organismus gleicht, in der die Müllentsorgung ein riesiges Problem ist. Bei der vergangenen documenta 11 konnte man bereits Osodis zwischen 2003 und 2007 entstandene Bildserie „Oil Rich Niger Delta“ im Kasseler Aue-Pavillon bewundern, engagierte Reportage-Bilder des im Niger-Delta aufgewachsenen „Associated Press“-Fotografen, welche die fatale Umweltzerstörung durch die Ölindustrie im Delta zeigen.
George Osodi: Aus der Serie Devil’s Dexterity. DD 31, 2007. C-Print on Alu-Dibond, 80×120 cm. 1/5
Galerist Peter Herrmann hat darauf verzichtet, die bekannten Bilder Osodis zu zeigen und präsentiert stattdessen C-Print auf Alu-Dibond im Mittelformat Neues, Ungesehenes aus dem nigerianischen Alltag. Es ist die erste deutsche Einzelausstellung: kritische, engagierte Reportage-Fotografie eines Mannes, der Fotografie vor allem als ein Kommunikationsmittel versteht, das womöglich einen Wandel hervorzurufen vermag. Kritisch, engagiert, dennoch auch beseelt von der Posie des Alltags. Mit großer Lust setzt Osodi auf leuchtende Farbigkeit in seinen Bilder, wie er erzählt: „Farbe ist doch wunderbar“, sagt er. „Ich möchte die Schönheit zeigen, auch angesichts von Chaos und schwierigen Verhältnissen. Je bunter, desto besser.“
(Marc Peschke)
George Osodi: Aus der Serie Lagos Uncelebrated. Lagos Soccer, 2007. C-Print on Alu-Dibond, 80×120 cm. 1/5
Ausstellung:
George Osodi
Bis 18.4.2009
Galerie Peter Herrmann
Brunnenstr. 154
10115 Berlin
Telefon 030-88 62 58 46
Der Titel politisch korrekt?
Der Titel Farbe ist doch wunderbar zeigt zwar, dass es sich um Farbfotos handelt.
Aber man könnte es missverstehen und in einem rassistischen Hintergrund gegenüber Menschen mit Afrikanischer Abstammung bzw. in Afrika lebenden Menschen sehen, wenn man den so spitzfindig wäre.
Der Begriff ,,Farbiger” gehört nämlich leider auch nicht zu den politisch korrekten Begriffen.
Aber man will ja die ,,political correctness” nicht übertreiben. Und sicherlich hat dies hier keinen rassistisch gemeinten Hintergrund, zumal diese Bildreportage von George Osodi die Lebensumstände der Stadtbewohner hier zeigt. Und die gezeigten Bilder doch zum Teil zeigen wie ärmlich die Verhältnisse dort sind.
Gut Licht,
Photongraph
Politisch Korrekt
hat noch keinem genutzt! Und die Leute hier in Kenya und anderswo bezeichnen sich auch einfach als Schwarz. Also Farbe ist einfach Farbe.
Das mit ‘in Afrika lebend’ ist so eine Sache: da gibt es die Schwarzen, die Weissen, die Araber (auch “zugereist”, kommen eigentlich aus Arabien, und haben die Berber und Tuareg verdraengt, und oft entlang der Kueste gesiedelt), und Inder. Alle sind seit mehr oder minder viele Generationen auf dem Afrikanischen Kontinent zu Hause.
Uebrigens leben auch nicht alle Schwarzen schon immer dort wo sie heute sind. Die Maasai zB sind auch erst “kuerzlich” nach Ostafrika eingewandert.
Alles nicht so einfach, wenn man mal genau kuckt. Seis drum!
Die Bilder sind farbig mehr ist damit nicht gemeint, und sie sind exzellent. Kommt mir doch einiges bekannt vor. Sehr authentisch!
Fabian Haas
http://www.fabianhaas.de, http://www.earwigs-online.de
Nairobi, Kenia