Kienzle Phototechnik in Wildberg-Effringen in der Nähe von Stuttgart – älteren Semestern noch unter dem Namen Kienzle-Klatt bekannt – produziert ein umfangreiches Sortiment an Vergrößerern und Laborgeräten:
Als die Südtiroler Firma Durst im Jahre 2006 ankündigte, dass man den Bau von Vergrößerungsgeräten für das analoge Labor einstellen werde, sahen viele Beobachter schon das allgemeine Ende analoger Labortechnik. Doch bis heute werden noch Geräte von Dunco, Lucky / Fujimoto (Ende 2007 von Kenko übernommen), Kaiser Fototechnik und Kienzle produziert. Mit dem Schrumpfen des Marktes haben sich auch die Absatzwege verschoben. Im Fotohandel heute weniger präsent, wird analoge Labortechnik von kleinen spezialisierten Unternehmen auch heute noch weiter entwickelt und produziert und über Stützpunkthändler oder im Direktvertrieb verkauft.
Eines dieser kleinen, spezialisierten Unternehmen ist die Firma Kienzle Phototechnik in Wildberg-Effringen, die sich über mehrere Generationen zum Spezialisten im Fotolaborbereich entwickelt hat. Das heute von Wolfgang Kienzle als Einzelfirma geführte Unternehmen geht zurück auf die 1879 von Jakob Burkhardt in Stuttgart-Bad Cannstatt gegründete Modellschreinerei. Im Jahre 1897 tritt Paul Kienzle als Modellbaulehrling in die Firma ein und übernimmt zehn Jahre später den Betrieb. 1922 vergrößert sich der Betrieb und befasst sich schwerpunktmäßig mit der Herstellung von Bremsen und Pumpen.
Die fototechnische Linie des heutigen Unternehmens geht zurück auf die damals in Stuttgart-Feuerbach ansässige Firma Walter Klatt, die 1935 die im Hause entwickelte vollautomatischen Scharfstellung für Vergrößerungsgeräte patentieren ließ. Genutzt wurden die Patente in der Folge durch die Firma Ernst Leitz in Wetzlar. Im Hause Klatt wurden in den Jahren 1940-1955 die Vergrößerer Primos Spezial für Kleinbild und die Modelle Primos Standard, Junior sowie 6×6 I/II gefertigt. Im Jahre 1950 wurde die Arbeitsgemeinschaft Kienzle-Klatt gegründet. Zu den Ergebnissen dieser Zusammenarbeit zählten die Vergrößerer V69 (1951), R 35 (1955), TR 66 (1957) und V69 S (1960). 1961 erfolgt die Übernahme der Firma Klatt durch Ernst Kienzle. 1980 tritt der heutige Inhaber Wolfgang Kienzle in das Unternehmen ein, der vier Jahre darauf den Fotogerätebau übernimmt. 1982 übernimmt Kienzle die Fertigung der Wallner-Farbköpfe von der damaligen Firma Wallner.
Im Jahre 1989 wird der Fotogerätebau von Stuttgart nach Wildberg in das dortige Betriebsgebäude Fockenbrunnen verlagert. Im Betriebsgebäude in Wildberg war zuvor eine ausgelagerte Fertigung des im beengten Tal der Nagold ansässigen Kleiderfabrik Digel untergebracht. Mit der Umstrukturierung der Fertigung bei der heute noch in Nagold ansässigen Firma Digel war das Gebäude in Effringen frei geworden. 2003 erfolgte eine Betriebserweiterung und der Bau einer zusätzlichen Halle in Wildberg, sowie die Aufnahme der Plexiglasverarbeitung. Mit der eigenen Plexiglasverarbeitung sowie der im Betrieb vorhandenen Aluminium- und Stahlverarbeitung stehen heute alle für den Bau von Fotolaborgeräten benötigten Techniken zur Verfügung.
Das Lieferprogramm von Kienzle Phototechnik umfasst heute im Wesentlichen drei Vergrößerer-Baureihen: Die preisgünstige Kompaktvergrößerungsgeräte der Baureihe C sind erhältlich für die Filmformate 6×7 / 6×9 / 4×5“ / 5×7“/ 8×10. Bei diesen Geräten muss die Schärfe manuell eingestellt werden. Die klassische Baureihe A mit Parallelogramm-Führung des Kopfes besteht aus den Grundmodellen A35 (24 x 36 mm), A67 (6×7 cm) und A69S (6×9 cm). Die Geräte dieser Reihe sind sowohl mit manueller Scharfeinstellung, als auch mit Autofokus erhältlich. Noch umfangreicher sind die Ausstattungsvarianten der fünf Geräte der Baureihe T. Hier gibt es Versionen mit manueller oder motorischer Scharfeinstellung ebenso wie eine Autofokuseinrichtung.
Schier unerschöpflich ist die für die Vergrößerer vorhandene Auswahl der Beleuchtungssysteme. Vom klassischen Kondensorsystem über SW-Diffuseinrichtung, SW-VC-Gradationswandelköpfe, Split-VC-Gradationssteuersysteme bis zum Farbfilterkopf reicht die Grundauswahl. Es gibt Beleuchtungsköpfe für die manuelle Einstellung der Filterwerte, fernsteuerbare Varianten und Systeme mit Digitalanzeige. Die neueste Kopfvariante ist der LED-Split-V-Kopf. Aufgrund der konsequenten Modularisierung der Systeme können Modifizierungen zum gewünschten Gerät vergleichsweise einfach umgesetzt werden.
Daneben wurden aber auf Kundenwunsch auch zahlreiche Einzelstücke und Sonderanfertigungen realisiert. Aufgrund der hohen Fertigungstiefe können praktisch alle Verarbeitungsschritte im eigenen Betrieb durchgeführt werden. Damit ist auch die Nachfertigung von Ersatzteilen oder Umrüstungen für längst nicht mehr produzierte Vergrößerer anderer Marken möglich. Aufgrund zahlreicher Kundennachfragen hat sich das Sortiment an Laborgeräten inzwischen mit Vergrößerungsrahmen und Barytpapier Archivwascher deutlich ausgeweitet.
Für einen kleinen, handwerklich organisierten und flexiblen Hersteller wie Kienzle Phototechnik bietet auch ein geschrumpfter Markt für analoge Labortechnik offensichtlich noch immer genügend Potential zur Weiterentwicklung des Unternehmens. Da sich inzwischen auch die nächste Kienzle-Generation mit Vergrößerern beschäftigt (linker Hand eine Zeichnung der Tochter des Hauses), sollte das Unternehmen auf eine weiterhin erfolgreiche Zukunft blicken.
(CJ)
Nachtrag (30.3.2009): Bei den Vergößerer-Herstellern oben wurde – unverzeihlicher und unverständlicher Weise – Kaiser Fototechnik aus Buchen vergessen. Das wurde nachgetragen.
Eine Perle!
Ich sehe, meine kürzlich erworbene Linhof war die richtige Entscheidung und der Beginn einer langen Freundschaft.
Irgendwas muß man mit der bei der Digitalknipserei eingesparten Zeit und Geld ja anfangen.
Hoffentlich bringt mir der AF beim Kienzle-Vergrößerer nicht zu viel Automatik ins Labor. 🙂
af
😉 wenn der parallelogrammgeführte af zuviel automatik ist, dann ist auch der schalter für’s licht schon technischer overkill…
kienzle wäre schon eine passende ergänzung zur linhof. die sicherste prävention gegen die upgradeitis.