Man mag den Blick nicht mehr von ihnen lassen, von diesen Nachkriegsbildern des Josef Heinrich Darchinger. Vom Trümmerland zum Wirtschaftswunder: Der Fotograf machte sich ein ganz eigenes Bild der jungen BRD:
1957 schon war vieles vergessen. Papa und Mama und Kind fuhren mit dem Käfer ins Grüne, mitsamt der Picknick-Decke und allerlei Proviant. Anderen ging es noch besser: Sie reisten schon wieder ins Ausland, diesmal ohne Uniform und Sturmgewehr. An den Gardasee etwa oder an die Adria. Es war die Zeit des bundesdeutschen Wirtschaftswunders und der Fotograf Josef Heinrich Darchinger war der größte Chronist dieser Jahre.
Man kann den Blick nicht von ihnen lassen, von diesen Bildern: die blonden Jungs in ihren Lederhosen, mit den Tretrollern unter den braunen Sandalen. Väter hatten sie manchmal keine mehr, die waren im Krieg geblieben. Wirtschaftsaufschwung, die Stätten der Produktion, die Fließbänder, aber auch der Blick in die Wohnstuben, das Freizeitvergnügen vor dem ersten Fernseher, die Szene der Halbstarken, die ihren Idolen wie James Dean mehr schlecht als recht nacheiferten all das fasste Darchinger in Bilder, die bis heute faszinieren.
Warum diese Faszination? Wohl, weil er auf seinen Reisen durch die Republik einen ganz unnachahmlichen fotografischen Stil erschuf. Beinahe wie Szenen eines Films wirken seine Fotografien, so farbkräftig, so ungemein plastisch: Beim Blättern in dem jetzt erschienenen Buch „Wirtschaftswunder. Deutschland nach dem Krieg 1952-1967“ meint selbst der Nachgeborene, dabei gewesen zu sein, ist beinahe versucht, zu sagen: Ja, so war das damals! Eine sonderbare, widersprüchliche Zeit voller Zuversicht und Tatendrang: Kinder lachen den Fotografen an, mit offenen Gesichtern, vor einem zerstörten Haus wenige Jahre nach Kriegsende und Holocaust. Der 1925 in Bonn geborene Darchinger muss beim Fotografieren schon gewusst haben, dass er gerade dabei ist, einen Schatz zu bergen.
Seit 1952 arbeitete Darchinger als Fotojournalist, lichtete für den „Spiegel“ und die „Zeit“ die Bonner Polit-Prominenz in edlem, zurückhaltendem Schwarzweiß ab. Auch das sind vollendete Bilder. Dennoch: Die allerbesten der grandiosen Fotografien des jetzt bei Taschen erschienenen Bandes sind jene, die das einfache Leben der Menschen zeigen. Menschen, nicht zu vergessen: Millionen ehemaliger NSDAP-Mitglieder darunter, die nicht mehr in die Vergangenheit blicken wollten, sondern nach vorne.
Und auch jene, an denen das Wirtschaftswunder vorüberzog, waren Darchinger nicht gleich. Wie der ehemalige KZ-Häftling, der seine schmale Rente auf einem Holztisch vor sich ausgebreitet hat: ein paar Scheine, ein bisschen Kleingeld. Etwas zuviel, um zu sterben. In diesem Wechsel der Perspektiven Darchinger zeigt die Welt des Aufschwungs genauso wie die der sozialen Schieflage liegt der Reiz des Buchs. „Jedes Foto ist auch ein Stück von mir“, sagte der heute immer noch in Bonn lebende Josef Heinrich Darchinger einmal. Das opulente Buch, das zudem zu einem ungewöhnlich günstigen Preis zu haben ist, beweist das auf jeder Seite.
(Marc Peschke)
Frank Darchinger (Hrsg.)
Josef Heinrich Darchinger
Wirtschaftswunder. Deutschland nach dem Krieg 1952-1967 (bei amazon.de)
Texte von Klaus Honnef
Deutsch, Englisch, Französisch
Gebunden. 288 Seiten
Taschen Verlag
ISBN 978-3836500197
29,99 Euro
Den Charme des Wiederaufbaus
können Fotografen derzeit auch in Gaza erleben und ablichten. Nur wird es dort wohl kein Wirtschaftswunder geben können, denn dann kommt schon wieder der nächste Schlag…
Der nächste Schlag wird kommen …
Beide Seiten arbeiten immerhin schon intensiv daran.
Die einen lassen ihre schweren Waffen in Bereitschaft, die anderen bauen schon wieder Waffenschmuggeltunnel (http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,602090,00.html).
Das was da abgeht, kann schon lange niemand mehr (bzw. jeder, ganz wie man will) rechtfertigen.
Wir zahlen das einfach und alles wird gut!
[quote=Gast]Nur wird es dort wohl kein Wirtschaftswunder geben können, denn dann kommt schon wieder der nächste Schlag…[/quote]
Och, so ne Art Wirtschaftswunder wird’s da sicher auch geben, ich verwette alles darauf, dass Deutschland sich trotz eigener Wirtschaftskrise großzügig am Wiederaufbau beteiligen wird, bevor Israel es dann wieder zusammen bombt. War ja in Beirut ganz ähnlich und auch der Gaza-Streifen ist ja Teil der deutschen Finanzspritze für Palästina. Was da also gerade zerbombt wird, haben wir zum Teil erst bezahlt, versteht sich doch von selbst, dass wir den Wiederaufbau dessen was wir bezahlt haben, auch wieder bezahlen.
Schliesslich ist ein Großteil der israelischen Bevölkerung ja jüdischen Glaubens, da bezahlt man als Deutscher doch gerne was die kaputt gemacht haben, statt irgendetwas von denen dafür zu fordern. Gehört sich so und die paar Tausend tote Palästinenser sollte man einem Volk, das den Holocaust hinter sich hat, einfach zubilligen.
Letztendlich haben wir über die Kohle, die wir immer noch an Isreal leisten, ja auch die Bomben mitbezahlt, viele davon wurden sogar in Deutschland gebaut, da gehört es dann doch mit dazu, dass wir ohne zu murren auch für die Schäden aufkommen, die damit angerichtet werden, zumal wenn durch ein Volk, das wir alle, also jeder einzelne von uns, vor 65 Jahren…
Ganz klar: was damals geschah darf man nicht verharmlosen, aber dass die Opfer von damals die Täter von heute sind und die ganze Welt dabei zusieht und nichteinmal Wirtschafts-Sanktionen androht, das stimmt schon nachdenklich!
Auch die Terror-Schläge gegen Israel darf man nicht wegdiskutieren, dass aber die über 1000 Toten, unzähligen Schwerverletzten die Gliedmassen verloren haben und die bis heute 22.000 Familien deren Häuser zerstört wurden, alles Terroristen waren, das darf man schon bezweifeln! Vom Verhältnis her ist das ähnlich, als hätte der Ami nach dem 11. September einfach mal pauschal die Atombombe auf den Irak und Afgahnistan geworfen!
In erdölfreien Zonen haben
In erdölfreien Zonen haben Araber auch dort kein Wirtschaftswunder, wo sie keine Israelis als Nachbarn haben
Laberhannes
[quote=Rumpelstilzken]Für das Versagen staatlicher Schulen sind DDDs Kommentare ein gutes Beispiel.
Aber ich weiß nicht, ob da eine Privatschule mehr gebracht hätte.
[/quote]
Ach ja!?! Was ist denn an meinem obigen Kommentar so abwägig?!? Argumentieren Sie mal zur Abwechslung anstatt immer nur Ihre pseudo-geistreichen Sprüche zu klopfen!!!
Dem Elend ganz nah
war man ja auch im Nachkriegsdeutschland …
Interessant, diese zwei Bücher so kurz nacheinander vorgestellt zu sehen.
Wahres Elend
[quote=Max Rheub]Dem Elend ganz nah war man ja auch im Nachkriegsdeutschland …
[/quote]
Ja. Und damals war – im Gegensatz zu heute – das Elend ganz real. Doch statt zu jammern (wie man das heute tut), hat man die Ärmel hochgekrempelt, in die Hände gespuckt und gemeinsam/solidarisch seinen Beitrag am Wiederaufbau geleistet. Und das ohne diese Vollkaskomentalität von heute, wo man bei jedem Problemchen bzw. bei jeder kleinster Einschränkung den Fürsorgestaat anbettelt!
In erdölfreien Zonen
sind die Parteien dafür auch meist militärisch (und medial) nicht so stark von eigentlich Unbeteiligten, die geografisch recht weit weg wohnen, hochgerüstet.
Erdölferne Kriege sind stille Kriege.
Sorry, aber bei diesem Thema werde ich immer sarkastisch – Sarkasmus als Ausdruck hilflosen Entsetzens.
Seltsam
es gibt die hier gezeigte Ausgabe für 29,99 € den Bildband in anderem Format für 9,90€.
http://www.lindemanns.de/shop/fotobuchhandlung/99207d-josef-heinrich-darchinger-wirtschaftswunder.php
und eine Ausgabe für 750,-€.
Habe die ersten beide Versionen verglichen und sehe keinen Unterschied in der Druckqualität.
Verstehe ich nicht.