Raus auf die Straße, unter die Leute gehen. Eine Ausstellung und ein Bildband mit Fotografien von Helen Levitt:
Helen Levitt, New York 1940, 27,8 x 35,6 cm, Silbergelatine Baryt
Kaum eine Fotografin hat sich mit so einer Ausschließlichkeit einem bestimmten Ort gewidmet wie Helen Levitt. Die 1913 geborene amerikanische Fotografin arbeitete stets in New York – fotografierte Straßenzüge in der Lower East Side, in der Bronx, in Harlem und Brooklyn.
Helen Levitt, New York 1972, 35 x x 43 cm, Dye Transfer
Immer steht der Mensch im Mittelpunkt ihres Werks, das zum Bedeutendsten zählt, was die Street Photography hervorgebracht hat: Menschen in ihrer alltäglichen Interaktion. Eigentlich passiert in diesen Bilder gar nicht so viel: Menschen laufen über eine Straße, sehen sich an, sprechen miteinander, machen eine Lieferung, werkeln an etwas, begegnen sich, bleiben stehen. Es ist eine Poesie des Alltags, welche Levitts Schwarzweiß- und Farbfotografien bestimmt. Eine Poesie, die nicht zu verwechseln ist mit Sentimentalität: Stets stellt Levitt – die einem russisch-jüdischen Elternhaus aus Brooklyn entstammt – auch die Härten des Großstadtlebens, die Armut, deutlich aus.
Helen Levitt, New York 1974, 24,8 x 35,5 cm, Dye Transfer
Mitte der dreißiger Jahre beginnt Levitt zu fotografieren – mit Walker Evans teilte sie damals die Dunkelkammer. Schon 1943 zeigte das Museum of Modern Art eine Einzelausstellung Levitts, deren Werk bei der documenta X wiederentdeckt wurde und das man bis zum 25. Mai im Sprengel Museum in Hannover bestaunen kann: Anlässlich der Auszeichnung Levitts mit dem „Spectrum“-Preis durch die Stiftung Niedersachsen präsentiert das Museum eine Retrospektive mit 300 Arbeiten.
Helen Levitt, New York 1940, 35,4 x 27,9 cm, Silbergelatine Baryt
Die Ausstellung wird von einem opulenten Fotobuch begleitet, das ganz auf Text verzichtet. Nur ein kurzer Kommentar von Walker Evans aus dem Jahr 1969 führt in das Werk ein. Doch Levitts Bilder, darunter ungewöhnlich viele Kinder-Bildnisse, brauchen auch keine Worte: Sie alle lassen Augenblicke Gestalt werden – doch weisen auch weit über diese hinaus. „Antijournalismus“ hat die heute in Greenwich Village lebende Fotografin ihren Stil gerne genannt, der deutlich der Spur folgt, die Henri Cartier-Bresson legte. 1935 lernte Levitt Cartier-Bresson kennen: „Mir gefiel, was er tat, deshalb wollte ich es genauso machen: raus auf die Straße, unter die Leute gehen.“
(Marc Peschke)
Rechts im Bild: Helen Levitt, New York 1963, Fotograf unbekannt
Ausstellung
Helen Levitt
Sprengel Museum Hannover
Kurt-Schwitters-Platz
30169 Hannover
Bis 25.5.2008
Di 10 – 20 Uhr, Mi bis So 10 – 18 Uhr, Mo geschlossen
Buch
Helen Levitt: Fotografien 1937-1991 (bei amazon.de)
Text von Walker Evans
168 Seiten. 142 Abbildungen. 31 x 32,5 cm
Leinen mit Schutzumschlag
Hatje Cantz Verlag. Ostfildern 2008
ISBN 978-3-7757-2169-1
49,80 Euro
Sehenswerte Fotos
Das Cover des Levitt-Bandes kam mir irgendwie bekannt vor, und was finde ich da in meinem CD-Regal?
(baskischer Musiker und Sänger/1994)
Und die Musik passt hervorragend als Begleitung zum Betrachten der Levitt-Fotos.
(Sandler)