Selten genug kommt es vor, dass Rollei bzw. Franke & Heidecke zu einem Pressegespräch nach Braunschweig laden. Geschieht das dann so alle 10-20 Jahre doch einmal, dann gibt es auch was zu berichten. Unter anderem interessante Details vom Neustart der „Manufaktur für Feinmechanik & Optik“, von Banken als Vernichtern von Arbeitsplätzen, von den Millionengehältern anderer, vom Lohnverzicht der Mitarbeiter und von der Arbeitsplatzsicherung und -schaffung:

Im Folgenden finden Sie das Manuskript der Rede, die Geschäftsführer Bodo Fischer so auch im Wesentlichen am 29.11.2006 anlässlich einer Pressekonferenz gehalten hat.

Ein mutiger Anfang mit großem Erfolg.

Ich darf mich bei Ihnen recht herzlich auch im Namen meiner Kollegen bedanken, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind. Es ist sicherlich ungewöhnlich, dass eine so „junge“ und „kleine“ Firma mit 89 Mitarbeitern zu einer Pressekonferenz einlädt. Franke & Heidecke GmbH – Feinmechanik und Optik – Braunschweig kann aber an eine 86jährige Tradition in Braunschweig anknüpfen und ist mit der Entwicklung und Geschichte der Fototechnik unauflösbar verbunden. Die vielen technischen Möglichkeiten, die Fotografen heute täglich nutzen, sind an diesem Standort entstanden. Bei dem Namen „Rollei“, der Markenname, der in den sechziger Jahren zur Umbenennung der Firma Franke & Heidecke in die Firma Rollei führte, bekommen viele Menschen in der Welt leuchtende Augen. Auf der „photokina 2006“ wurde dieses von vielen Besuchern unseres Ausstellungstandes deutlich dokumentiert.

Eine Kamera aus dem Hause Franke & Heidecke / Rollei ist mehr als ein Gerät zur Ausübung des Berufes oder des Hobbys. Die technische Qualität und die hohe Präzision der Produkte aus unserem Hause haben den Marktwert des Namens Rollei erschaffen und galten seit jeher als herausragende Leistung der feinmechanischen und optischen Produktionsfähigkeit eines Unternehmens.

Darum war es auch im September 2004 ein richtiger, wenn auch sehr mutiger Entschluss, die Technik der Firma Rollei zu erhalten und die Firma als Mitarbeiter geführtes Unternehmen fortzuführen. So konnten die in der Vergangenheit erworbenen speziellen Fähigkeiten der Mitarbeiter als volkswirtschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Wert in Braunschweig erhalten bleiben.

Die Rollei GmbH hat dankenswerter Weise die Entscheidung der Mitarbeiter, sich selbstständig zu machen, nicht nur mit getragen, sondern auch konstruktiv unterstützt. Diese konstruktive Hilfe wird auch für die Zukunft zugesichert und täglich praktiziert.

Insbesondere müssen wir auch unseren Lieferanten danken, die es mit uns nicht sehr leicht hatten und haben, weil die Finanzdecke eines neuen Unternehmens mit einem Stammkapital von nur 100 000,00 € ihnen oft viel Geduld abverlangt.

[An dieser Stelle hat Bodo Fischer in seiner wörtlichen Rede ausgeführt, warum den Lieferanten viel Geduld abverlangt wird: Aufgrund der knappen Finanzdecke können die meist erst bezahlt werden, wenn das Produkt verkauft ist; sie müssen also liefern und dann den Zeitraum von Produktion über Auslieferung bis hin zum Zahlungsziel abwarten, bis dann bei Franke & Heidecke das Geld eingegangen ist, um die Zulieferer bezahlen zu können.]

Dies besonders, weil die Banken einem „neuen“ Unternehmen ohne mindestens drei Jahresbilanzen und „hohen“ Gewinnen, jede finanzielle Hilfe abschlagen mit dem Hinweis, dass die nach Basel II vorgenommene Kundenbonitätsanalyse keine Kreditvergabe zulasse. Vorgelegte Verträge und Beauftragungen, eine gute Presse für hochwertige Produkte, lösen kein anderes Verhalten der Banken aus und lassen sie so zu Vernichtern von Arbeitsplätzen werden. Dies mag auch daran liegen, dass die meisten Banken keine wirkliche Kundenbindung mehr haben und die wirtschaftlichen Entscheidungen in Zentralen weit ab vom wirklichen wirtschaftlichen Geschehen getroffen werden.

Hinzu kommt, dass die von Managern geführten Banken nur noch die Interessen der Aktionäre vertreten ohne Rücksicht auf die langfristige Wirkung ihrer Verhaltensweisen auf die Gesellschaft und Volkswirtschaft. Wer Gehälter von vielen Millionen als selbstverständlich ansieht, kann doch auch nicht verstehen, dass eine Firma mit einem Umsatz von 7,0 Mio. € keinen Gewinn abwirft und der Unternehmer sich selbst nur ein Gehalt zubilligt, welches gerade zum Leben notwendig ist, um alles wieder ins Unternehmen zurückführen zu können. Die Volkswirtschaft lebt aber von den kleineren und mittleren Unternehmen, da diese die Steuerkraft des Staates bilden.

Warum führe ich dieses aus? Die Franke & Heidecke GmbH hat bis heute ohne staatliche Hilfe über achtzig Arbeitsplätze schon ca. 2 Jahre erhalten, in diesem Jahr 7 Auszubildende eingestellt (= knapp 10%) ! und ist aufgrund der Produktionsentwicklung in der Situation, mindestens 10 -15 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einstellen zu können.

Allein die angefallenen Sozialausgaben, die der Staat hätte tragen müssen, wenn es nicht den Mut zur Selbstständigkeit gegeben hätte, überwiegen bei weitem den Finanzierungsbedarf, den Franke & Heidecke hat. Nicht zu vergessen ist, dass die Umsätze bei Franke & Heidecke auch Arbeitsplätze in anderen Unternehmen sichern. Es ist nicht vermessen, wenn wir feststellen, dass bei den Materialzulieferern und Dienstleistungsunternehmen im Umfeld von Franke & Heidecke mindestens noch einmal 70 Arbeitsplätze gesichert werden.

Aber warum haben wir eigentlich diesen von mir erwähnten Finanzierungsbedarf?

Die Firma Jenoptik Laser, Optik, Systeme GmbH, Jena hat dankenswerter Weise der Franke & Heidecke GmbH den Auftrag erteilt, eine Mittelformatkamera zu entwickeln, die die Rolleiflex 6008 AF ablösen und den modernsten Anforderungen der Fototechnik entsprechen soll. Entstanden ist die neue Rolleiflex Hy6, eine analog und digital zu nutzende High-End Mittelformatkamera, die in ihrer Leistungsfähigkeit, ihrer Nutzerorientierung und mit ihrem Preis keine Konkurrenz zu fürchten hat. Sie setzt für die Profifotografie und den hoch engagierten Amateur neue Maßstäbe der Fototechnik.

Wie gut die Kamera angekommen ist, wurde auf der „photokina 2006“ sichtbar. An mehreren Ständen war die Kamera jeweils mit einem anderen Firmennamen zu finden. Nun können wir natürlich nichts dagegen haben, dass andere sich mit unseren Leistungen schmücken. Was immer draußen drauf steht – Franke & Heidecke ist drin!

Jenoptik hat über die von ihr finanzierte Entwicklung mit F&H einen Liefervertrag geschlossen, der eine erhebliche Produktionsauslastung für F&H bedeutet. Dabei wird von 1500 Kameras pro Jahr ausgegangen. Jenoptik wird aber die Kamera nicht selbst vertreiben, sondern dieses anderen Unternehmen übertragen. Aus diesem Grunde hat Jenoptik mit der Firma Leaf einen Liefervertrag abgeschlossen. Es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere Firmen Kameras des Modells Hy6 verkaufen wollen, um so im digitalen Mittelformatmarkt präsent zu sein. Für Franke & Heidecke bedeutet dieses immer eine gesicherte Teilauslastung der Produktion.

In bestimmten Märkten wird die Hy6 auch über die von Franke & Heidecke installierten Distributionswege vertrieben. Sicherlich ist es für unser Traditionshaus ein schwerer Weg, wenn unsere Leistungen mit fremden Namen den Markt besetzen. Aber ohne den Auftrag von Jenoptik hätten wir dieses fototechnische Highlight Hy6 nicht entwickeln können. Die Banken und auch die Stadt haben uns nicht geholfen. Ein Blick ins Internet unter dem Suchbegriff Hy6 macht aber deutlich, welche Weltreaktion unser Auftritt auf der „photokina 2006“ ausgelöst hat.

Ab April 2007 wird die Hy6 im Handel sein und gekauft werden können. Wir freuen uns auf die Reaktionen der Nutzer und sind davon überzeugt, dass wir wieder einmal die Leistungsfähigkeit der feinmechanischen und optischen Präzision aus dem Hause Franke & Heidecke GmbH, Braunschweig unter Beweis gestellt haben.

Gleichzeitig mit der Hy6 wurde auf der photokina auch die Tele-Rolleiflex 4,0/FT – die neue „Zweiäugige“ vorgestellt. Sie wird schon ab Januar 2007 in Serienproduktion gehen. Auch sie verdeutlicht die hohe Leistungsfähigkeit unserer Mitarbeiter. Dabei ist insbesondere zu erwähnen, dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch zeitlich begrenzten Lohnverzicht die Finanzierung der neuen Produkte ermöglichen. Franke & Heidecke ist ein gutes Beispiel für eine konstruktive Sicherung der Arbeitsplätze durch großes Engagement der gesamten Betriebsgemeinschaft.

Die Gesellschafter von Franke & Heidecke vlnr. Reiner Schönrock, Kay Franke, Bodo Fischer, Rainer Heidecke, Rolf Sabban, Karl-Heinz Krings und Hans Hartje. Foto: Sascha Gramann


Es ist uns auch gelungen, private Geldgeber von unserer Leistungsbereitschaft und unserem Leistungswillen zu überzeugen. Dies hat dazu geführt, dass wir heute eine private Finanzierungsmöglichkeit erschlossen haben. Neben Gesellschafterdarlehen, Darlehen aus der Industrie und Bürgschaften der Gesellschafter, haben sich stille Gesellschafter gefunden. Insgesamt haben wir heute ein Kapital von 590 000,00 € zur Verfügung und auch den Mitarbeitern ist die Möglichkeit gegeben, sich als stille Gesellschafter am Gewinn zu beteiligen. Wir werden auch noch weitere stille Gesellschafter aufnehmen, um die Produktion der vielen alten und neuen Produkte aus unserem Hause fristgerecht zu ermöglichen.

Franke & Heidecke wird im Jahre 2007 eine Auftragssumme von ca. 9,0 Mio. € erreichen. Diese muss vorfinanziert werden, wenn die Lieferungen vertragsgemäß erfolgen sollen. Aus diesem Grunde benötigen wir mindestens eine Finanzdecke von 1,0 Mio. € um just in time produzieren zu können. Darum haben die Gesellschafter beschlossen, dass grundsätzlich 40 % der Gewinne in der Firma verbleiben. Die darüber hinaus noch anfallenden Gewinne der nächsten Jahre werden in der Firma belassen und nur die stillen Gesellschafter werden gemäß ihres prozentualen Gewinnanteils ausgezahlt.

Wir werden natürlich weitere Produkte entwickeln und sind auch bereit dazu, unsere Fähigkeiten anderen Firmen zur Verfügung zu stellen. Dies ist auch für die langfristige Sicherung des Unternehmens notwendig. Diese nachhaltige Firmensicherung zum Schutze unserer Arbeitnehmer setzt eine kontinuierliche Entwicklung voraus. Darum mussten wir ausbilden und werden dies auch in der Zukunft tun, da die speziellen Fähigkeiten im Hause nur langfristig gesichert werden können, wenn der jetzt vorhandene Altersdurchschnitt der Mitarbeiter kontinuierlich durch Ausbildung verjüngt wird. Erziehung und Ausbildung bedeuten die Verlängerung der Gegenwart in die Zukunft. Franke & Heidecke ist eine Manufaktur im klassischen Sinne. Diese lebt nur, wenn „Vergangenheit und Gegenwart“ in Form der Leistungsfähigkeit die Zukunft sichern.

In den letzten Jahren ist im Fertigungsbereich der Firma Rollei GmbH nicht sehr viel investiert worden. Für die Zukunftssicherung ist es notwendig, erhebliche Investitionen im Bereich des Maschinenparks vorzunehmen. Ein modernes CNC-Bearbeitungszentrum wurde bereits bestellt. Wer durch unsere Produktionsanlagen geht wird schnell feststellen, dass ein erheblicher Investitionsstau besteht. Man muss aber auch beachten, dass wir die alten Maschinen und Werkzeuge noch in der Zukunft einsetzen werden.

So haben wir uns aufgrund des Besitzes von alten Teilen und Werkzeugen entschlossen, die legendäre Rollei 35 classic exklusiv zu verkaufen. Im 2. Quartal 2007 wird eine limitierte Anzahl von 200 Stück mit Urushi-Lackierung und vergoldeten Teilen in je 100 Stück – rot / grün, jeweils nummeriert von 1 – 100 herausgegeben. Mit diesem Produkt wollen wir, insbesondere den vielen Sammlern von Rollei-Kameras in der Welt, ein nostalgisches Highlight von nachhaltigem Wertbestand anbieten.

Die Franke & Heidecke GmbH, Braunschweig lebt. Sie hat noch einen beschwerlichen Weg vor sich. Sie benötigt auch konstruktive Hilfe und die Einsicht von Verantwortlichen der Stadt Braunschweig und des Landes Niedersachsen, dass es sich lohnt, besondere fachliche Qualifikation auch für die Zukunft zu erhalten.

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(thoMas)