Foto Taube mit FotoapparatEine so skurrile wie interessante Ausstellung ist derzeit in Ulm zu sehen. Sie widmet sich einer Erfindung des hessischen Apothekers Dr. Julius Neubronner – der Brieftaubenkamera:

 

 

 

Straßenbild am Eschenheimer Tor, Frankfurt am Main, um 1910

Straßenbild am Eschenheimer Tor, Frankfurt am Main, um 1910
Foto: Stadtarchiv Kronberg

 
Als Brieftauben das Photographieren lernten

Absonderliche Blickwinkel, schräg liegende Straßenzüge, ins Bild fliegende Schlösser, geschwungene Kanäle – wenn Brieftauben fotografieren, entfaltet sich eine Welt wie eine Traumsequenz, deren Nachklang uns beim Aufwachen noch staunen und in den Traum zurücksehnen lässt.

Vor über 100 Jahren erfand der hessische Apotheker Dr. Julius Neubronner (1852 – 1932) die Brieftaubenkamera. Sie war 40 Gramm leicht, trug einen komplizierten Selbstauslöser-Mechanismus und zwei Objektive, je eines auf der Vorder- und auf der Rückseite des Apparats. 1908 wurde sie patentiert.
 

Foto Julius Neubronner mit Taube

Julius Neubronner mit Taube
Foto: Wikimedia Commons
 
 
Foto Tauben mit Fotoapparaten

Tauben mit Fotoapparaten
Foto: Wikimedia Commons

 
Ergänzend zur Kamera entwickelte er den fahrbaren Taubenschlag mit einer bis zu sechs Meter hochschraubbaren Hebeplattform und einem Multi-Funktionsraum, der als Dunkelkammer oder Schlafraum dienen konnte. Er ermöglichte den mobilen Einsatz der Brieftaube, etwa zur militärischen Aufklärung. Doch Neubronners Bemühungen, das Militär vom Nutzen der Brieftaubenfotografie zu überzeugen, schlugen fehl. Das Fotografieren aus dem Flugzeug hat die Brieftaubenkamera überholt.

Julius Neubronner, der seit seiner Knabenzeit leidenschaftliche Amateurfotograf war, war geschäftstüchtiger Unternehmer, führte die Kronberger Apotheke im Rang eines Hofapothekers der Kaiserin Friedrich und gründete eine noch heute existierende Fabrik zur Herstellung von Papierklebestreifen. Neubronners Vorfahren lebten einst in Ulm, wo die Familie in Zünften organisiert waren. Andere Ulmer Neubronners gehörten dem Patriziat an. Julius Neubronners Urgroßvater verließ Ulm im Jahre 1749.

Die Ausstellung zeigt eine Auswahl der Fotografien, die Neubronners Tauben bei ihren Flügen von Landschaften rund um Kronberg, von Städten, Straßenfluchten und Häusern machten und die sich im Stadtarchiv Kronberg erhalten haben. Ergänzend zeigen wir das 2004 entstandenen Brooklyn Pigeon Project der New Yorker Architekten Benjamin Aranda und Chris Lasch, die, ausgehend von ihrer Idee des Stadttaubenschwarms als experimentellem biologischen Satelliten, Tauben mit kleinen batteriebetriebenen Videokameras und Mikrofonen ihre spiralförmigen Bahnen über Brooklyn ziehen ließen. So kamen Aranda/Lasch an reale Vogelperspektiven auf ein topografisches Muster der Stadt.
 

Foto Schloss Friedrichshof bei Kronberg im Taunus

Schloss Friedrichshof bei Kronberg im Taunus
Foto: Stadtarchiv Kronberg

 
Zur Ausstellung erscheint Band 16 der Reihe “edition stadthaus”:
Über Julius Neubronner und wie er die Brieftaubenphotographie erfand
Dr. Julius Neubronners Bericht darüber, wie er als12-Jähriger im Jahre 1864 zwei Taler in Porträtfotos von sich selbst investierte und wie er vierzig Jahre später die Brieftaubenphotographie erfand, an welcher selbst das Kriegsministerium vorübergehend Interesse zeigte. Ergänzend dazu eine Betrachtung von Karla Nieraad über Tauben im Krieg. Erhältlich im Stadthaus (3,50 €), ISBN 978-3-934727-38-0

 
 
Ausstellung:
Als Brieftauben das Photographieren lernten
28. November 2014 bis 11. Januar 2015 im Saalfoyer

Stadthaus Ulm
Münsterplatz 50
89073 Ulm
 

(thoMas)