Am vergangenen Donnerstag haben die World Photography Organisation und Sony die Sieger der Sony World Photography Awards 2017 gekürt. „Photographer of the Year“ ist der Belgier Frederik Buyckx, die Auszeichnung für das beste Einzelfoto erhält der russischen Fotografen Alexander Vinogradov. 227.596 Fotos musste die Jury sichten, um einen Sieger in den mehr als 30 Wettbewerbskategorien zu küren. Eine Herkulesaufgabe, die dieses Jahr ein paar Fragezeichen hinterlässt.

Dieses Jahr feiern die Sony World Photography Awards ihr zehnjähriges Jubiläum. Und der Erfolg des nach Aussage der Organisatoren größten Fotowettbewerbs der Welt ist ungebrochen: 227.596 Fotografien wurden für 2017 eingereicht – so viele, wie noch nie zuvor.

Die Sony World Photography Awards (SWPA) sind zweigeteilt. Profi-Fotografen reichen Serien von fünf bis zehn Bildern in zehn Kategorien ein. Daneben gibt es noch den offenen Wettbewerb, der ebenfalls in zehn Kategorien unterteilt ist, und bei dem jeweils noch der Sieger eines National Awards gekürt wird. Hinzukommen noch ein Jugendwettbewerb für junge Fotografen bis 19 Jahre sowie den Student Focus für Studenten des Fachs Fotografie.

„Photographer of the Year“: Der Landschaftsfotograf Frederik Buyckx

Unter den Profis hat sich dieses Jahr der Belgier Frederik Buyckx mit seinen Landschaftsaufnahmen „Whiteout“ durchgesetzt, er wurde mit dem Titel „Photographer of the Year“ ausgezeichnet. Buyckx überzeugte die Jury mit seinen einfühlsamen Winterbildern aus Skandinavien, Zentralasien und vom Balkan. Obgleich Landschaftsaufnahmen nicht von der Aktualität leben, so zeigen sie doch, wie evident und zentral Landschaften im menschlichen Dasein sind – für Zelda Cheatle, Kuratorin der SWPA, Grund genug, dieses Jahr in Buyckx einen Landschaftsfotografen als „Photographer of the Year“ zu küren.

Frederik Buyckx: „Whiteout“

Grenzen der Still-Life-Fotografie: Henry Agudelo

Dass mit Buyckx dieses Jahr ein eher klassischer Fotograf besonders hervorgehoben wurde, soll aber nicht heißen, dass die Juroren des SWPA immer den Weg des geringsten Widerstands gesucht haben. Und so gibt es durchaus auch Entscheidungen, die hinterfragt werden sollten. Etwa die, den Kolumbianer Henry Agudelo mit seiner Serie „Indelible Marks“ als Sieger in der Kategorie Still Life zu küren. Agudelo hat kleine Hautfetzen fotografiert, die unveränderliche Kennzeichen wie Tätowierungen oder Leberflecken tragen. Die Hautstücke stammen von unbekannten Leichen und sollen Angehörige bei der Identifizierung helfen.

Einmal davon abgesehen, dass die Arbeiten Agudelos nicht gerade höchstes fotografisches Können widerspiegeln, muss die Frage erlaubt sein: Ist das noch „Still Life“-Fotografie? Oder sind die Aufnahmen eher der dokumentarischen Fotografie zuzurechnen, die ja gemeinhin keinen künstlerischen Anspruch erhebt? Vor allem aber stehen die Arbeiten Agudelos nicht für sich, erst im Kontext der von den Kuratoren zu den Bildern gesellten Texte werden diese überhaupt mit Sinn gefüllt.

Sabine Cattaneo lässt nicht nur Bilder sprechen

Dass die Fotografie für sich nicht immer die Intention des Fotografen transportieren kann, war auch eine Herausforderung für die Schweizerin Sabine Cattaneo. Doch sie hat diese mit ihrer Serie „Art. 115“, die sich in der Kategorie „Konzept“ mit dem Thema „aktive Sterbehilfe“ auseinandersetzt, gekonnt gemeistert. Art. 115 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs stellt „Verleitung und Beihilfe zum Selbstmord“ nur dann unter Strafe, wenn dies aus „selbstsüchtigen Beweggründen“ geschieht. Das alles und viel mehr erfährt der Betrachter durch die Texte, die Cattaneo neben ihre Bilder stellt. Zwar wirken die Fotografien, die sich auf das Zeigen von Räumen und Orten beschränken, auch für sich – vertieft wird ihre Bedeutung dann aber durch die textliche Begleitung.

Sabine Cattaneo: „Art. 115“

Porträts neu gesehen: George Mayer

Im Vorwort zum Bildband der diesjährigen SWPA schreibt Yosuke Aoki, Vice President and Head of Digital Imaging, Sony Europe: „Die grundlegende Natur der Fotografie erfordert es, dass in dieser Kunstform die technischen und kreativen Grenzen kontinuierlich neu definiert werden“. Das klingt fast wie auf den Leib geschneidert für den russischen Fotografen George Mayer, der mit seiner Serie „Light, Shadow, Perfect Women“ als überzeugender Sieger in der Kategorie „Porträt“ gekürt wurde. Meyer scheint geradezu eine neue Bedeutung für das Licht in der Fotografie gefunden zu haben, Licht ist bei ihm nicht nur Vehikel sondern wird zum integralen Bestandteil seiner sehr grafisch anmutenden Fotografien. Da wäre die Auszeichnung Mayers als „Photographer of the Year“ durchaus gerechtfertigt gewesen.

George Mayer: „Light, Shadow, Perfect Women“

Drill oder Träume? Die Sportfotografien von Yuan Peng

Weniger zwingend ist dagegen die Auszeichnung des chinesischen Fotografen Yuan Peng mit seiner Serie „The twin’s gymnastics dream“ in der Kategorie Sport. Schon der Titel der Bildserie führt etwas in die Irre. Pengs Arbeiten zeigen zwei Mädchen, Zwillinge, im Grundschulalter beim Training – Träume will der Betrachter hier indes nicht erkennen. Ebenso wenig die Begeisterung und den Enthusiasmus, den die Kinder aus der ostchinesischen Industriemetropole Jining laut Laudatio beim Drill zeigen. Was die Bilder transportieren sind Anstrengung, Schmerz und Verletzung.

Yuan Peng: „The twin’s gymnastics dream“

Alle Gewinner und Finalisten der Profi-Kategorien

Architektur:

  1. Platz: Dongni, China
  2. Platz: Julien Chatelin, Frankreich
  3. Platz: Diego Mayon, Italien

Dongni aus China hat die wachsenden Megacitys fotogriefiert.

Konzept:

  1. Platz: Sabine Cattaneo, Schweiz
  2. Platz: Gao Peng, China
  3. Platz: Alexander Anufriev, Russische Föderation

Zeitgenössische Themen:

  1. Platz: Tasneem Alsultan, Saudi Arabien
  2. Platz: Li Sony, China
  3. Platz: Lorenzo Maccotta, Italien

Die saudische Fotografin Tasneem Alsultan setzt sich in ihrer Serie „Saudi Tales of Love“ mit dem Thema Heirat und Scheidung auseinander.

Zeitgeschehen & Nachrichten:

  1. Platz: Alessio Romenzi, Italien
  2. Platz: Joe Raedle, USA
  3. Platz: Ivor Prickett, Irland

Alessio Romenzi hat in Sirte fotografiert, der selbst ernannten Hauptstadt des Islamischen Staates in Libyen.

Alltag:

  1. Platz: Sandra Hoyn, Deutschland
  2. Platz: Christina Simons, Island
  3. Platz: Alice Cannara Malan, Italien

Sandra Hoyn aus Deutschland hat in Ihrer Serie „The Longings of Others“ das schlimme Leben junger Prostituierter in Bangladesch dokumentiert.

Landschaft:

  1. Platz: Frederik Buyckx, Belgien
  2. Platz: Kurt Tong, Großbritannien
  3. Platz: Peter Franck, Deutschland

Natur:

  1. Platz: Will Burrard-Lucas, Großbritannien
  2. Platz: Ami Vitale, USA
  3. Platz: Christian Vizl, Mexiko

„African Wildlife at Night“ heißt die Serie, mit der Will Burrard-Lucas sich als bester Naturfotograf durchgesetzt hat.

Porträt:

  1. Platz: George Mayer, Russische Föderation
  2. Platz: Romia Ressia, Argentinien
  3. Platz: Ren shi Chen, China

Stillleben:

  1. Platz: Henry Agudelo, Kolumbien
  2. Platz: Shinya Masuda, Japan
  3. Platz: Christoffer Askman, Dänemark

Sport:

  1. Platz: Yuan Peng, China
  2. Platz: Eduard Korniyenko, Russische Föderation
  3. Platz: Jason O’Brien, Australien

Gewinner des Offenen Wettbewerbs: Alexander Vinogradov, Russland

Das klassische Porträtfoto „Mathilda“ des russischen Amateurfotografen Alexander Vinogradov wurde als bestes Foto aller Offenen Kategorien gewählt. Vinogradov ist damit der „Open Photographer of the Year“ und gewinnt 5.000 Dollar Preisgeld. Für sein ausgezeichnetes Bild eines jungen Mädchens hat ihn der Film „Léon – der Profi“ inspiriert.

Mit dem Bild Mathilda wurde der russischen Amateurfotografen Alexander Vinogradov als „Open Photographer of the Year“ ausgezeichnet.

Unter den zehn Gewinnern des Offenen Wettbewerbs ist auch der Deutsche Ralph Gräf, der sich in der Kategorie Reise durchsetzen konnte.

Jugendfotograf des Jahres ist Katelyn Wang, USA

Die 16jährige Schülerin Katelyn Wang aus Los Angeles, Kalifornien, erhält die Auszeichnung „Youth Photographer of the Year“. Unter den Fotografen zwischen zwölf und 19 Jahren im Jugendwettbewerb setzte sich ihr Foto zum Thema „Schönheit“ durch. „On Top of the World“ hat sie in Chile am See Pehoé aufgenommen.

Mit Katelyn Wang „On Top of the World“ hat Katelyn Wang ihr eher konventionelles Landschaftsfoto genannt, mit dem sie als „Youth Photographer of the Year“ ausgezeichnet wurde. Auf die Shortlist hatten es noch wesentlich spannendere Arbeiten geschafft.

„Student Photographer of the Year“: Michelle Daiana Gentile, Argentinien

Die 21jährige Michelle Daiana Gentile studiert an der „Escuela de Fotografía Motivarte“. Ihre Serie „Only Hope“ hat die Jury überzeugt. Zum Thema „Emotionen“ verbrachte sie zehn Tage mit Arbeitern einer alten Papierfabrik in Argentinien. In dieser Zeit entstanden die Fotos ihrer Gewinner-Serie. Ihre Universität erhält Foto-Equipment von Sony im Wert von 30.000 Euro.

Michelle Daiana Gentile aus Argentinien ist „Student Photographer of the Year“.