Die Menschen, de uns Miron Zownir zeigt, leben und sterben, wie es heute niemand müsste:
Die Menschen aus Miron Zownirs Fotografien bevölkern eine Art Zwischenwelt, eine Welt zwischen Leben und Tod. Sie sind in vielerlei Hinsicht beschädigt. Ihre Schäden, die sie im Laufe ihres Lebens erlitten haben, sind das Ergebnis eines schlechten Lebens, eines Lebens unterhalb der Möglichkeiten des Standes der Produktivmittel. Durch Armut, Obdachlosigkeit, Gewalt, soziale Kälte, Alkoholismus und körperliche Versehrtheit werden sie zugrunde gerichtet.
Sie leben und sterben, wie es heute niemand müsste. Sie leben und sterben, als gäbe es die gigantische Warenansammlung, von der Karl Marx schreibt, nicht. Sie leben und sterben, als gäbe es keine Wohnungen, Krankenhäuser, Prothesen, Kleidung und Nahrungsmittel. Ihr Leid ist nicht nur ohne Sinn, es entbehrt jedwede Notwendigkeit.

Miron Zownir, Bulgarien, 2009
Miron Zownir, St. Petersburg, 1995
Viele seiner Protagonisten hat Miron Zownir in U-Bahnhöfen erwischt. Dort hausen sie, im Stich, aber auch in Ruhe gelassen. Hin und wieder stößt Miron Zownir dort auf Leichen, einige besucht er regelmäßig über Tage hinweg. Außer dem Fotografen gibt es niemanden, der sich für die toten Körper zuständig fühlt. Sobald die Sicherheitskräfte den Fotografen bemerken, beginnen sie sich für ihn zuständig zu fühlen. Sind die Eingänge der U-Bahnhöfe die offenen Wunden von Moskau und St. Petersburg?
Anstelle von Symbolik hat man es hier mit etwas zu tun, das mit Dietmar Dath Drastik zu nennen wäre. Die Bilder sind das Ergebnis kurzer und heftigen Auseinandersetzungen zwischen Menschen, dem Fotografen und den Fotografierten. Die Fotografierten stoßen dem Fotografen zu, aber auch der Fotograf widerfährt den Fotografierten. Er sieht sie, während sie sehen, dass er sie sieht. Dann merken sie, dass es der Fotograf ist, der sie als letzter lebend sieht. Ihre Augen sind leer, aber sie sind auf ihn gerichtet. Einige seiner flüchtigen Straßenbekanntschaften bringen sich für ihn in Pose, einige zeigen ihm etwas.
Diese Spannungen, die zwischen dem Fotografen und den Portraitierten bei ihrem flüchtigen Zusammentreffen entstehen, sind den Fotografien anzusehen. Der Fotograf ist kein stiller Beobachter, kein neutraler Dokumentarist und nur selten ein heimlicher Voyeur. Er beansprucht seinen Platz in nahezu jedem seiner Sujets und ist in jedem Bild spürbar anwesend.

Miron Zownir, Lodz, 2011
Miron Zownir, Moskau, 1995
Zownirs Fotografien wirken verstörend. Ganz gleich, ob es sich dabei um die Prostituierten an den Sex-Docks im New York der späten frühen 80er oder um alkoholkranke Obdachlose im heutigen Kiew handelt erschreckend wirkt die Distanzlosigkeit, mit der der Fotograf seinen Modellen gegenüber tritt; erschreckend wirkt die Distanzlosigkeit, mit der dann schließlich ein Mensch dem Bildbetrachter begegnet, man könnte sagen: zustößt.
Radek Krolczyk
Ausstellung:
Miron Zownir
Offene Wunden Bilder aus dem freien Osteuropa
19. Januar 2013 bis 22. Februar 2013
Zentrum Aktuelle Kunst
Alexanderstraße 9b
28203 Bremen
Öffnungszeiten
Donnerstag – Freitag, 16 – 19 Uhr; Samstag, 13 – 17 Uhr und nach Vereinbarung
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog bei mox & maritz.

Miron Zownir, Moskau, 1995
Gegenüberstellung
Die Bilder treffen mich. Hier würde ich sehr gerne eine Ausstellung kuratieren. Jeweils ein Bild mit Themen aus dem Umfeld der Superreichen und jeweils ein Bild von Miron Zownir.
Gast schrieb:
Die Bilder
[quote=Gast]Die Bilder treffen mich. Hier würde ich sehr gerne eine Ausstellung kuratieren. Jeweils ein Bild mit Themen aus dem Umfeld der Superreichen und jeweils ein Bild von Miron Zownir.[/quote]
>Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.< Eine Ausstellung kuratiert? Bilder angesehen? Wäre da nicht vielleicht etwas anderes zu tun???
Gegenüberstellung
[quote=Gast]Die Bilder treffen mich. Hier würde ich sehr gerne eine Ausstellung kuratieren. Jeweils ein Bild mit Themen aus dem Umfeld der Superreichen und jeweils ein Bild von Miron Zownir.[/quote]
Herr Kurator, ich würde Sie gern nackt durch`s Dorf treiben, Sie dabai fotografieren und die Bilder hinterher auf dem Dorfplatz präsentieren. Sagen Sie wann es Ihnen passt. h
Die Personen auf den Bildern
[quote=Gast]mit solchen Bildern von Randexistenzen läßt sich auch hervorragend ein Klima der Beklemmung erzeugen, das die, richtig rezipierten, gesellschaftlichen Zustände besser durchsetzungsfähig macht – und die Gleichgültigkeit des Volkes besorgt den Rest.[/quote]
sind nicht Randexistenzen, sondern Menschen die am Rand leben.
Zownirs Fotografie
lernte ich vor 45 Jahren kennen. Und bin erstaunt, wie treu er sich selbst in all diesen Jahrten geblieben ist. Ich freue mich auf seine Filme, von denen im Rahmen dieser Ausstellung in Bremen zwei gezeigt werden.
Was manchem auf den ersten Blick als Distanzlosigkeit erscheint, ist meines Erachtens vielmehr Mirons extrem offener und immer naher Blick. Den vor allem auch die Fotografierten ertragen wollen und standhalten. Deshalb: nicht weglaufen, vielmehr hinschauen, wo die Welt gezeigt wird wie sie ist. Das gilt auch für den Zuschauer, der allein dadurch noch nicht zum Voyeur wird.
Dietmar Meisel
Jedes Volk
hat die Regierung, die es verdient. Auch wenn man’s nicht glauben mag.
Die Galerie traut sich was….
Unsere Regierung ist auf dem Weg die „Rahmenbedingungen“ zu schaffen die solche Zustände auch bei uns ermöglichen. Minijobs, 400 Euro Jobs, kein vernünftiger Mindestlohn und vieles mehr. Tolle Fotografen verdienen selbst mit dem Elend noch Geld und Ruhm mit solchen Ausstellungen.
Der Satz: „Der Fotograf ist kein stiller Beobachter, kein neutraler Dokumentarist und nur selten ein heimlicher Voyeur.“ kann man so nicht stehen lassen. Für mich ist das Fotografieren solcher Menschen eher eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts denn die Personen können sich gegen die Veröffentlichung nicht wehren. Ich möchte eine unterschriebene Einwilligungsbescheinigung sehen. Oder wenigstens den Hinweis darauf.
Machen Sie hier mal nicht den Anwalt…
[quote]denn die Personen können sich gegen die Veröffentlichung nicht wehren. Ich möchte eine unterschriebene Einwilligungsbescheinigung sehen. Oder wenigstens den Hinweis darauf.[/quote]
Die abgebildeten Personen gehen m.M. nach im Gegensatz zum Durchschnittsbürger davon aus, dass die gemachten Bilder in irgendeiner Weise verwendet werden und haben dem Bild im Bild offen erkennbar zugestimmt. Dass man Kameras für 1000de € nur zum Spass besitzt und die Bilder niemandem außer der genervten Ehefrau oder in irgendwelchen Foren zeigt, damit würden sie pragmatischerweise nicht rechnen – ich würds zumindest nicht, wenn ich seit Jahren nicht wüsste wo ich das nächste Stück Brot oder den nächsten Schuss herbekommen soll.
Ansonsten verbessern Sie mit Ihrer Sofa-Gutmenschen-Mentalität rein gar nichts – der Fotograf hat mit diesen Personen Kontakt aufgenommen/das Gespräch gesucht – davon hatten die Betroffenen mehr, als von Leuten die wegschauen und ihre Kinder wegziehen.
Fragen Sie mal was einen behinderten Menschen am meisten stört – Er/Sie wird mit großer Warscheinlichkeit sagen: „Das alle erst glotzen, dann wegschauen und dann einen Bogen um mich machen“
Was mich allerdings total nervt, sind die überall auf der Welt schaarenweise auftretenden „begnadeten“ Reportagefotografen (typischerweise mit CaNi und billigem Telezoom), die meinen Penner und Besoffene am Straßenrand aus der Distanz „abschießen“ zu müssen. Es spricht absolut nichts dagegen, das Elend im Bild festzuhalten – dann muss man sich aber auch trauen ihm von Angesicht zu Angesicht und im Gespräch zu begegnen. Dann und nur dann haben beide Seiten was davon!
Aber
mit solchen Bildern von Randexistenzen läßt sich auch hervorragend ein Klima der Beklemmung erzeugen, das die, richtig rezipierten, gesellschaftlichen Zustände besser durchsetzungsfähig macht – und die Gleichgültigkeit des Volkes besorgt den Rest.
Unsere Regierung ist auf dem Weg …….
Wohl richtig erkannt. Und dann geht ihr hin und wählt sie mit überragendem Ergebnis.