Ausschnitt aus einem Foto von Malekeh Nayiny; Updating a Family Album„Iranian Photography Now“ – ein Überblick zur zeitgenössischen Fotografie im Iran – ist eine sehr spannende Reise in bisher unbekanntes fotografisches Terrain:

Iran und seine Hauptstadt Teheran haben wenig, zumindest auf dem Feld des unabhängigen Kunstmarkts. Es gibt nur wenige Galerien für zeitgenössische Kunst, wenige Sammler, keine vernetzte Künstlerszene, keine Infrastruktur. Es gibt kaum finanzielle Unterstützung, stattdessen gibt es: Zensur. Das Regime bevorzugt affirmative, propagandistische Kunst oder das traditionelle iranische Kunsthandwerk – ist an der Herausbildung einer jungen Kunstszene kaum interessiert. Immer wieder kommt es zu Repressionen, zu Ausstellungsschließungen durch die Sicherheitspolizei.
 

Foto Bahman Jalali; Image of Imagination

Bahman Jalali; Image of Imagination, 2003-05

 
Nur verwunderlich also, dass überhaupt qualitätvolle Kunst im Iran entsteht. Auch wenn im vergangenen Jahr im Museum für Neue Kunst in Freiburg die sehenswerte Ausstellung „iran.com – Iranische Kunst heute“ gezeigt wurde: Nur Weniges davon erreicht den Westen – wie man jetzt beim Blättern im Buch „Iranian Photography Now“ feststellt. Kaum ein Name ist bekannt. Man kann Entdeckungen machen.
 

Foto Malekeh Nayiny; Updating a Family Album  Foto Malekeh Nayiny; Updating a Family Album

Malekeh Nayiny; Updating a Family Album, 2002-06
 
 

Foto Seifollah Samadian; Water and Persian Rugs

Seifollah Samadian; Water and Persian Rugs, 2004

 
Viele der in dem Buch vorgestellten Fotokünstler und Fotokünstlerinnen wie etwa Shadi Ghadirian oder Sadegh Tirafkan arbeiten mit ähnlichen Themen. Oft geht es um die Umbrüche von Kultur und Gesellschaft, um das Mit- und Gegeneinander von Tradition und Moderne. Denn ohne Tradition geht es in der iranischen Gegenwartsfotografie nicht: Oft sind es kunsthandwerkliche Erzeugnisse, die Errungenschaften klassischer Kalligraphie oder Teppichkunst, die auch in der Fotokunst eine Rolle spielen – reich sind die Bezüge zur iranischen Geschichte.

Foto Shirin Neshat; Rebellious Silence

Eine der augenfälligsten Bildserien dieses Bandes stammt von Shadi Ghadirian, die Frauen mit einem Tschador zeigt, deren Gesichter durch Alltagsgegenstände wie Bügeleisen, Pfanne oder Besen verdeckt sind – eine deutliche, provozierende Kritik an dem gesellschaftlichen Druck, an Erwartungshaltungen, an klassischen Rollenbildern.

Die bekannteste der hier vorgestellten Künstler ist sicher Shirin Neshat, deren Arbeiten schon oft in europäischen Museen und Galerien zu sehen waren. Auf die Frage nach ihrer künstlerischen Motivation antwortete Neshat einmal, die Existenz von Grenzen, etwa die Zensur in ihrem Heimatland, ermögliche es erst, zum Kern der Dinge vorzustoßen. Bereits als Teenager verließ die 1957 geborene Neshat den Iran – um erst 1990, nach dem Kunststudium in den USA, ihre Heimat wiederzusehen.

Seitdem spürt sie jenem „Kern der Dinge“ nach. Bekannt geworden ist sie mit ihrer Fotoserie „Women Of Allah“, in der sie sich selbst und andere Frauen im Tschador zeigt. Doch überall dort, wo der Schleier die Haut der Frauen preisgibt, schreibt sie in persischer Schrift rätselhafte Texte ein, die jenen Fragen nachgehen, die Neshat berühren: „Ich verstehe meine Arbeit als bildlichen Diskurs zum Thema Feminismus und zeitgenössischer Islam – als einen Diskurs der bestimmte Mythen und Wirklichkeiten einer Prüfung unterzieht und zu dem Schluss kommt, dass diese viel komplexer sind als viele von uns gedacht hätten … Ich stelle lieber Fragen, als Fragen zu beantworten.“
 

Foto Amirali Ghasemi, Party

Amirali Ghasemi, Party, 2005
 
 
Foto Javad Montazeri; Women's Policy Academy

Javad Montazeri; Women’s Policy Academy, 2005

 
„Iranian Photography Now“ – der „erste Überblick zur zeitgenössischen Fotografie im Iran“, wie der Verlag schreibt – stellt insgesamt 36 Fotografinnen und Fotografen in Bildern und (englischen) Texten vor. Eine sehr spannende Reise in bisher unbekanntes fotografisches Terrain.

(Marc Peschke)

Titelabbildung Iranian Photography Now

 
 
Rose Issa (Hrsg.)
Iranian Photography Now (bei amazon.de)
Vorwort von Martin Barnes, Homi Bhabha
Einleitung von Rose Issa
Englisch
Gebunden. 236 Seiten. 189 Abbildungen
Verlag Hatje Cantz 2008
ISBN 978-3-7757-2257-5
€ 39,80 / CHF 69