Die Quartals- und Geschäftsberichte der Unternehmen werden besonders in unsicheren Zeiten mit Argusaugen betrachtet. Doch welchen Aussagewert haben die Zahlen, ja was ist überhaupt ein Geschäftsbericht?

Die Geschäftsberichte der Unternehmen bieten eine erste Grundlage, sich über die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Unternehmens zu informieren. Der Geschäftsbericht enthält etliche relevante Informationen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des jeweiligen Unternehmens. Dabei entscheidet die Interessenlage des Lesers über die Wichtigkeit des Informationsgehalts. Ein Börsenanalyst zieht sicherlich andere Schlüsse aus einem Geschäftsbericht als eine fotointeressierte Privatperson. Unlängst hat die Ruhr-Universität, Bochum festgestellt, dass Privatanleger nur selten Geschäftsberichte lesen. Für Otto-Normalverbraucher sind Geschäftsberichte zu detailreich und komplex. Nicht umsonst bietet der Buchhandel diverse Ratgeber mit Titeln wie „Bilanzen richtig verstehen“ oder „Finanzberichte richtig lesen“ an. Hier nun für alle eine kurze Anleitung für den besseren Durchblick im Geschäftsberichts-Dickicht.

Geschäftsberichte werden jährlich als Jahresabschluss, vierteljährlich oder halbjährlich veröffentlicht. Für die Listung im Prime Standard (Voraussetzung zur Aufnahme in den DAX) der deutschen Börse ist eine Berichterstattung quartalsweise notwendig. Ein Quartalsbericht liefert einen Zwischenstand der geschäftlichen Tätigkeit eines Unternehmens im laufenden Geschäftsjahr. Die Unternehmen nutzen die Geschäftsberichte aber auch zunehmend als Imageträger und Teil der Öffentlichkeitsarbeit. So kürt das Manager Magazin jährlich die Top-Reports aus 200 deutschen und europäischen börsennotierten Unternehmen.

Ein strukturierter Geschäftsbericht besteht nach den International Financial Reporting Standards (IFRS) aus der Gewinn- und Verlustrechnung, Bilanz, Kapitalflussrechnung, Darstellung der Eigenkapitalentwicklung und Anhang. Kapitalmarktorientierte Unternehmen sind innerhalb der EU seit dem Geschäftsjahr 2005 verpflichtet, einen Konzernabschluss nach IFRS zu erstellen. Nicht-kapitalmarktorientierte Unternehmen haben in Deutschland ein Wahlrecht bei der Rechnungslegung, nach IFRS oder nach dem Handelsgesetzbuch (HGB). Der Jahresabschluss, der an das Handelsregister eingereicht wird, muss nach dem HGB erfolgt sein. Gemäß der Vorschriften des HGB ist ein Lagebericht ein zwingender Bestandteil eines Jahresabschlusses. Börsennotierte Unternehmen in den USA müssen nach den Rechnungslegungsgrundsätzen der Vereinigten Staaten (US-GAAP) einen Jahresabschluss erstellen. Für ausländische Unternehmen können alternativ in den USA auch die Grundsätze nach IFRS angewendet werden. Die Unterscheidungsmerkmale der einzelnen Grundsätze zur Rechnungslegung würde diesen Rahmen sprengen. Hauptunterscheidungsmerkmal ist zum Beispiel, dass der Jahresabschluss nach HGB auch zur Ermittlung der Steuerlast dient, während nach US-GAAP ein rein handelsrechtlicher Jahresabschluss erstellt wird, der den externen Investoren als Informationsgrundlage zur Kapitalbeschaffung dient.

Aus den Geschäftsberichten lassen sich einige Kennzahlen herauslesen, die sinnvoller Weise über mehrere Jahre miteinander verglichen werden. Wichtig als absolute Zahlen sind:
Umsatz: Summe aller verkauften Erzeugnisse und Dienstleitungen aus der Geschäftstätigkeit bewertet zu Verkaufspreisen.
Nettogewinn: Positives Betriebsergebnis innerhalb eines bestimmten Zeitraums nach Steuern. Der Gewinn wird ermittelt über die Gegenüberstellung aller Erträge und aller Aufwendungen, ein Überschuss ist der Gewinn. Bei Abzug der Steuern ergibt sich der Nettogewinn.
Operativer Gewinn, Betriebsergebnis oder Ebit: Gewinn vor Zinsen und Steuern, Ebit (Earnings before interest and taxes) eignet sich zum Vergleich internationaler Unternehmen, weil regionale Besteuerungen nicht berücksichtigt werden.

Berechnung Ebit:
Jahresüberschuss
+/- außerordentliches Ergebnis
+ Steueraufwand
– Steuererträge
+/- Finanzergebnis

Cash-Flow: Innenfinanzierungskraft eines Unternehmens. Die Differenz aus Geldzufluss aus der Geschäftstätigkeit und Geldabfluss aus der Investitionstätigkeit eines Unternehmens, quasi der Zahlungsmittelüberschuss im Unternehmen. Der Cash-Flow lässt Rückschlüsse auf die Kreditwürdigkeit des Unternehmens zu.

Berechnung Cash-Flow z.B. indirekt:
Jahresüberschuss
– nicht zahlungswirksame Erträge
+ zahlungswirksame Aufwendungen

Je größer der Cash-Flow, desto besser ist die Liquiditätslage eines Unternehmens. Langfristig sollte also der Cash-Flow positiv sein, damit keine Finanzierungslücke im Unternehmen entsteht und über Eigen- oder Fremdkapital gedeckt werden muss.
 

Grafik Andrea Günaydin

Beispiel: Cash-Flow Entwicklung von Canon Corp.

 
Die Darstellung zeigt die Entwicklung des Cash-Flows aus der Geschäftstätigkeit (operating), der Investitionstätigkeit (Investing) und den frei verfügbaren (free) seit 2003. Canon konnte den Cash-Flow aus der Geschäftstätigkeit um 41 % über die Jahre steigern. Der Cash-Flow aus der Investitionstätigkeit ist um 142 % gestiegen, Canon hat demnach seine Ausgaben für Investitionen in Sach- und Finanzanlagevermögen erhöht. Der Free Cash-Flow verdeutlicht die Höhe der liquiden Mittel, die für die Dividenden-Ausschüttung an die Aktionäre oder für eine Rückzahlung von Fremdfinanzierungen verbleiben. Der Free Cash-Flow ist ein Indikator für die Banken über die Unternehmens-Bonität bei der Kreditvergabe.

Diese absoluten Zahlen sind je nach Buchungstechnik nicht immer vergleichbar. Denn Gewinn ist nicht immer gleich Gewinn, weil durch bilanzpolitische Gestaltung entsprechende Einflüsse nach oben oder nach unten hin möglich sind. Daher werden für eine Analyse die Zahlen ins Verhältnis gesetzt:

Eigenkapitalrentabilität (Jahresgewinn : eingesetztes Eigenkapital)
Diese Kennzahl zeigt die Verzinsung des eingesetzten Eigenkapitals an. Bei Unternehmen der gleichen Branche gilt: Je höher die Eigenkapitalrentabilität, desto positiver die Entwicklung des Unternehmens. Die Kennzahl ist stark branchenabhängig und sollte über mehrere Jahre verglichen werden.

Gesamtkapitalrentabilität (Ebit : Gesamtkapital)
Diese Kennzahl gilt als aussagekräftiger als die Eigenkapitalrentabilität, weil sie das Fremdkapital einbezieht. Sie gibt die Verzinsung des gesamten Kapitaleinsatzes im Unternehmen an.

Betriebsgewinnmarge oder Umsatzrentabilität oder Return on Sales (Ebit : Umsatz)
Kennzahl des Gewinnanteils am Umsatz. Sie zeigt an, wie viel ein Unternehmen in Bezug z.B. auf einen €1 verdient hat.

Cash-Flow Umsatzrendite (Cash-Flow : Umsatzerlöse)
Diese Kennzahl gibt an, wie hoch der Anteil der Umsatzerlöse im Zahlungsmittelüberschuss ist. Damit lässt sich die operative Ertrags- und Finanzierungskraft eines Unternehmens besser erkennen als mit einer reinen Gewinngröße.

Neben diesen rein rechnerischen Größen sind natürlich auch die Erläuterungen und Kommentare des Unternehmens zur Markt- und Unternehmensentwicklung, teilweise auch der Tenor zwischen den Zeilen, für eine Bewertung der Geschäftszahlen wichtig. Die Grenzen einer Analyse liegen letztlich in den Mängeln der Informationsbasis. So gibt es keine Informationen über die Qualität des Managements oder die künftige Liquidität. Letztlich fehlt sogar die Objektivität der Zahlen, da durch diverse „Buchungstricks“ das ausgewiesene Ergebnis vom tatsächlichen Ergebnis abweichen kann.

Die Aufzählung der Kennzahlen und absoluten Zahlen erhebt hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Es soll nur ein möglichst verständlicher Überblick gegeben werden. Bei tieferem Interesse bietet das Beratungsunternehmen KPMG eine im Internet frei zugängliche Broschüre zum besseren Verständnis der Rechnungslegung an (Geschäftsberichte lesen und verstehen).

(agün)