Einlassungen zur Grenzauflösung optischer Systeme, oder auch: Wie Sie die mögliche Auflösung eines Kamerasystems auf einen Schlag halbieren – blenden Sie einfach um 1 Stufe ab!

Mit der zunehmenden Packungsdichte der Sensoren – immer mehr Megapixel werden auf dieselbe Fläche gepackt, siehe z.B. Olympus’ OM-D (E-M5), Sonys NEX-7 oder auch Nikons D800 – stellt sich auch die Frage, welche Objektive das denn überhaupt noch auflösen bzw. abbilden können.

Noch vor der guten Konstruktion und der sorgfältigen Fertigung setzt diesbezüglich ein Parameter absolute Grenzen: das Licht.

Das Auflösungsvermögen eines optischen Systems wird zwingend durch die Beugung begrenzt (siehe dazu auch: Begrenzung der Auflösung durch Beugung). Das Licht, die Blende, und im Besonderen die Beugung des Lichts an der Blende stellen einen absolut limitierenden und auflösungs-begrenzenden Faktor dar: Mehr als das Objektiv an Details, sprich Auflösung, durchlässt, mehr geht nicht; egal, wie fein die Strukturen des Sensors (Pixelpitch) oder des Films (Korn) sein mögen.

Damit wir sehen, wovon wir reden, soll hier die Beugung im Bildbeispiel veranschaulicht werden:
 

Foto Heinrich Pniok

Motiv in Übersicht: Reine (99,99 %) Mangan-Chips, elektrolytisch raffiniert, typisch oberflächlich an der Luft oxidiert, sowie für den Größenvergleich ein reiner (99,99 % = 4N) 1 cm3 Mangan-Würfel.
Fotos: Heinrich Pniok.
Die Fotos sind frei und dürfen weitergegeben und / oder modifiziert werden entsprechend den Bedingungen der Lizenz Freie Kunst.

 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 2,8
 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 4
 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 8
 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 16 (Beugungsunschärfe wird sichtbar)
 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 22 (Beugungsunschärfe ist deutlich sichtbar)
 
 
Foto Heinrich Pniok

Blende 32

Die Ausschnitte sind pixelgenau in 100-%-Ansicht gezeigt; je ein Ausschnitt 500×500 Pixel aus der Gesamtaufnahme mit 5616×3744 Pixeln.
Aufgenommen mit Canon EOS 5D Mark II und Makroobjektiv EF 2,8/100 mm USM.

 
Die Auflösungsfähigkeit optischer Systeme

Was uns zu der interessanten Frage führt, wo denn wohl die sinnvollen Megapixel-Obergrenzen für verschiedene Formate liegen. Bzw. anders herum gefragt: Wie viel kann das optische Foto-System unter Idealbedingungen denn überhaupt nur auflösen?

Diese Frage wird umso interessanter, als sich immer mehr Digitalkameras der Beugungsgrenze nähern bzw. sie sogar überschreiten: die Sensoren sind so dicht gepackt, dass die Optik kaum mehr so fein auflösen kann. Damit wir uns nicht missverstehen: das hat erstmal rein gar nichts mit der optischen Qualität zu tun, sondern einzig mit physikalischen Gesetzmäßigkeiten (des theoretisch makellosen Objektivs).

Das stellt sich in der Übersicht so dar (zur theoretischen Untermauerung siehe Anhang #1):
 

Max. darstellbare Mio. Bildpunkte (Megapixel) *

Blende


1,4

2

2,8

4

5,6

8

11

16
Kompaktkamera 2/3"
(ca. 7×9 mm)
70 35 17,5 8,8 4,4 2,2 1,1 0,5
(Micro)FourThirds
(ca. 13×17 mm)
248 124 62 31 15,5 8 4 2
APS-C
(ca. 16×24 mm)
430 215 108 54 27 13,5 6,7 3,4
Kleinbild
(24×36 mm)
968 484 242 121 60 30 15 7,5
Mittelformat digital
(ca. 30×45 mm)
1512 756 378 189 94 47 24 12
Mittelformat digital
(ca. 40×54 mm)
2420 1210 605 302 152 76 38 19

* Die maximal darstellbaren Millionen Bildpunkte für die verschiedenen Aufnahmeformate wurden so ungefähr ermittelt und gerundet (siehe Anhang #2).
 
 
Die Öffnung bestimmt die Auflösungsfähigkeit eines optischen Systems

Wichtige Erkenntnis: Die Öffnung (Blende) ist ein ganz entscheidender Faktor für die Auflösungsfähigkeit eines optischen Systems. Je größer der Durchmesser im Verhältnis zur Brennweite, desto höher die theoretische Auflösung. Und – mit jeder Stufe Abblenden halbiert sich die darstellbare Auflösung.

Nun ist ein Objektiv bei Offenblende immer schlechter als bei moderater Abblendung – die theoretisch sehr guten Werte bei Blende 1,4 werden in der Praxis also kaum erzielt werden. Somit dürfte der Beugungs-Auflösungswert im Bereich Blende 2,8 (im besten Fall) bis Blende 5,6 in etwa dem praktisch erzielbaren Maximum entsprechen.

Was logisch klingt und ist, wird bei größeren Blendenwerten (= kleineren Blendenöffnungen) beachtenswert: Können im Kleinbildformat bei Blende 5,6 theoretisch noch rund 60 Millionen Bildpunkte aufgelöst werden, schafft der deutlich kleinere 2/3-Zoll-Sensor nurmehr rund 4,4 Millionen (die optischen Gegebenheiten bleiben zwar exakt gleich, gelten aber jetzt für eine viel kleinere Fläche). Wobei wir uns bei den Kompaktkamera-Sensoren auf den größten der kleinen Sensoren beschränkt haben: Es gibt auch noch kleinere Formate (siehe auch Pentax-Q-System und Typische Bildsensorgrößen bei Video- und Fotokameras bei wikipedia) – doch egal, wie viele Pixel die Hersteller da auch immer draufpacken mögen: beugungsbedingt bleibt die maximal vom Objektiv darstellbare Datenmenge auf die Tabellenwerte begrenzt.

Hier wird auch der Pixelpitch – die Sensor-Packungsdichte und die Größe der einzelnen Pixel – interessant und das lässt sich als Faustformel auch einigermaßen anschaulich fassen: Blende / 1,5 = „auflösefähiger“ Pixelpitch in µm. Beispiele: 2 / 1,5 = 1,3; 5,6 / 1,5 = 3,7. Bei Blende 2 werden also Sensoren, deren Pixel-Seitenlänge 1,3 µm oder größer misst, noch all das auflösen können, was das Objektiv anliefern kann. Bei Blende 5,6 muss das einzelne Pixel dafür schon mindestens 3,7 µm groß sein. Ist es kleiner (bzw. der Sensor scheinbar höher auflösend), dann ist das verschenkte bzw. „blinde“ Auflösung, kann doch das Objektiv gar nicht so viel Daten anliefern, wie der Sensor erfassen könnte.

Ganz einfach fasst das auch diese Faustformel, die für die Praxis hinreichend genau ist:

Blende max. = 2x Pixel-Seitenlänge

Bei der D800 von Nikon etwa ergibt sich eine Brutto-Seitenlänge für das einzelne Pixel von 4,9 µm (siehe auch die Tabelle in D800 / D800E mit 36 Megapixeln) – das heißt gemäß unserer Faustformel (2 x 4,9 = 9,8), dass Blenden jenseits der 10 zu meiden sind. Da es sich um Brutto-Pixel handelt (Sensor-Seitenlänge, geteilt durch die aufgezeichneten Pixel), die Pixel effektiv aber kleiner sind, entscheidet man sich praktischerweise für einen etwas niedrigeren Wert; im Beispiel für Blende 8 als die kleinste Blendenöffnung, sofern man jegliche Auflösungsverluste vermeiden möchte. Diesen Wert bestätigt auch die Tabelle oben, nämlich dass bei Blende 8 im Kleinbildformat maximal rund 30 Millionen Bildpunkte aufgelöst werden können (nochmals gesagt: so ungefähr – siehe Anhang #2).

Damit sind wir durch mit der theoretischen Abhandlung bzw. der praktischen Auflösungs-Rechnung. Es sei nochmals betont, dass die genannten Werte rechnerische Maxima sind. Wir gehen dabei vom theoretisch perfekten optischen System ohne jeden Fehler aus (ein sogenanntes „beugungsbegrenztes“ Objektiv, bei dem nichts als die Beugung die Leistung begrenzt); nicht berücksichtigt sind Auswirkungen wie Antialiasing-Filter, Signalverarbeitung (Stichwort Nyquist-Frequenz), das steigende Rauschen (= Detailverlust) bei höherer Packungsdichte der Sensoren, oder die notwendige Farbinterpolation eines Sensors mit Bayer-Mosaik (= Detailverlust).

Und vor allem nicht zu vergessen: die Körperunruhe. Ohne Stativ sind all diese Werte Makulatur bzw. reduzieren sich um rund 25 % (1/250 s Verschlusszeit), oder um ca. 50 % (1/125 s Verschlusszeit), und sichtlich mehr bei noch längeren Verschlusszeiten.

Derzeit bleibt nur, sich mit den vorhandenen Limitierungen anzufreunden, sie klug, aber nicht dogmatisch, in die praktischen Foto-Erwägungen einzubeziehen, und auf die perfekte Linse zu warten, die nicht mehr beugungsbedingt auflösungsbegrenzt ist.

Doch es gibt letztlich keinen Grund, nun gänzlich zu verzagen bzw. diese theoretischen Rechnungen als der Weisheit letzter Schluss zu begreifen. Denn:

Grau ist alle Theorie

– Das Gesagte gilt nur, wenn unter optimalen Voraussetzungen fotografiert wird. Stativ, Spiegelvorauslösung, keine Filter, beste Optiken … Da die meisten von uns das in den seltensten Fällen einhalten (etwa 98 % meiner Aufnahmen entstehen ohne Stativ), sind wir in der Regel mit (theoretisch deutlich) weniger als Super-Qualität zufrieden – und da spielt eine Blende mehr dann auch schon keine Rolle mehr.
– Der Schärfentiefegewinn kann – trotz ein wenig Beugung – ein Mehr an Bildinformation und Aussage bedeuten.
– Im obigen Bildbeispiel sind die Unterschiede deutlich sichtbar – aber nur bei optimaler Ausgabe auf gut A3 (rund 32×48 cm bei 300 dpi). Erfolgt die Ausgabe sub-optimal respektive auf kleinere Formate, sieht man umso weniger von den Beugungsunschärfen, und auch von den Aufnahmefehlern.
 

Foto Heinrich Pniok
 
 
Foto Heinrich Pniok

Dieses Beispiel zeigt im Extrem, dass die Anforderungen immer auch von den Ansprüchen und der Nutzung abhängen. Im Beispiel wurden die beiden Aufnahmen mit Blende 2,8 (oben) und Blende 32 (unten) um rund den Faktor 11 runterskaliert: von den Beugungsunschärfen bleibt rein gar nichts sichtbar, aber die größere Schärfentiefe der (bei größeren Ausgabeformaten miserabel schlechten) Aufnahme mit Blende 32 ist hier sehr willkommen.

 
Was für die Praxis bedeutet, dass unbesorgt die Faustformel „Blende max. = 2x Pixel-Seitenlänge“ befolgt werden kann. Bei einer 30+-Megapixel-Kleinbildkamera ist damit auch Blende 11 noch absolut praxistauglich; und auch Blende 16 geht bei unkritischen Motiven.

Andererseits zeigen unsere Einlassungen und die Tabelle auch, dass 16 Megapixel bei MicroFourthirds –  ebenso wie 24 Megapixel im APS-C-Format –  schon sehr sportlich sind, wohingegen im Kleinbild- und vor allem im Mittelformat durchaus noch Luft nach oben ist.

(thoMas)
 
 
Siehe auch:
Begrenzung der Auflösung durch Beugung
Bildsensor und Bildgestaltung
Bildgestaltung: Eine Frage des Formats – Teil I
Bildgestaltung: Eine Frage des Formats – Teil II
Beugung und förderliche Blende
Die Beugungsunschärfe
Lens Diffraction & Photography
Do Sensors „Outresolve“ Lenses?
 
 
Anhang #1:
Nachdem das Auflösungsvermögen eines optischen Systems zwingend durch die Beugung begrenzt wird, lässt sich mit folgender Formel näherungsweise die kleinste noch auflösbare Struktur berechnen: Das Beugungsscheibchen hat einen Durchmesser d = 1,35 µm * f / D (f / D = Brennweite / Blendendurchmesser = Blendenzahl). Gemäß Rayleigh-Kriterium wiederum lassen sich Strukturen dann noch unterscheiden, wenn die Maxima dieser Beugungsscheibchen, die auch Airy-Scheibchen genannt werden, einen Abstand haben, der dem Radius eines Scheibchens entspricht. Sprich, d/2 ergibt den Mittelwert der von einem optischen Systems darstellbaren Strukturgröße.

Anhang #2:
Erläuterung zu unserer Werte-Ermittlung: Tatsächlich variieren die Beugungsscheibchen-Radien mit der Wellenlänge des Lichts, und damit ändert sich auch die maximal erzielbare Auflösung. Beispielsweise ergeben sich fürs Kleinbildformat bei Blende 5,6 folgende Maximalwerte:

380 nm (blau) – 128 Millionen Bildpunkte
530 nm (grün) – 66 Millionen Bildpunkte
780 nm (rot) – 30 Millionen Bildpunkte

Sie sehen: Kurzwelliges blaues Licht löst sichtlich besser auf, langwelliges rotes Licht schlechter. Für die Angaben und Tabellen im Artikel wurde mit obiger Näherungsformel d = (1,35 µm * f / D) / 2 ein Durchschnittswert bestimmt, der den Beugungsscheibchen-Radius im Bereich gelb-grünen Lichts bestimmt. Da hier auch das Empfindlichkeitsmaximum des Auges liegt, scheint er als Mittelwert gut geeignet.
 
 
Alle Fotos: Heinrich Pniok.
Die Fotos sind frei und dürfen weitergegeben und / oder modifiziert werden entsprechend den Bedingungen der Lizenz Freie Kunst.
 

Nachtrag (10.7.2012): Die oben in der Tabelle genannten Werte sind um mindestens 1-2 Blendenwerte zu pessimistisch, wie hier nachzulesen ist: Von Megapixeln: Viel hilft viel.