Gerhard Richter: Zwei Fiat, 1964Gerhard Richters Werk ist ohne die Fotografie nicht denkbar. Von Anfang an, seit Richter Anfang der 60er Jahre aus Dresden in den Westen übersiedelte, malte er nach fotografischen Vorlagen. Die Ausstellung „Bilder einer Epoche“ im Bucerius Kunst Forum in Hamburg stellt jetzt sein frühes Werk vor:

 
 
 
 

Gerhard Richter: Motorboot, 1965

Gerhard Richter: Motorboot, 1965
Privatsammlung. © Gerhard Richter, Köln 2011

 
„Historienbilder“ wurden Gerhard Richters Arbeiten genannt, Bilder, die eine Epoche in helles Licht stellen. Und tatsächlich widmete sich der Kölner immer wieder auch den großen Themen der deutschen Geschichte. Die nationalsozialistische Vergangenheit ist eines der immer wiederkehrenden Sujets – auch der Terrorismus der RAF, der in Richters Bildwelt als großer Zyklus auftaucht.

Jene 1988 entstandene Werkgruppe „18. Oktober 1977“, eine Leihgabe des New Yorker MoMA, markiert das Ende der Arbeit Richters nach fotografischen Vorlagen. Die Hamburger Ausstellung rückt jenes frühe Werk in den Fokus: großformatige Bilder, nach Fotos gemalt, die Wünsche und Sehnsüchte der frühen Bundesrepublik zum Ausdruck bringen: Autos malte Richter, Bilder von Urlaubsreisen, aber auch ganz Alltägliches wie einen Wäschetrockner oder einen Kronleuchter.

Wo fand Richter seine Vorlagen? Vor allem in den Illustrierten der Zeit: in „Quick“ oder „Stern“. Oft waren es auch Familienfotos, die Richter als Sujet seiner Malerei taugten, wie etwa jenes von „Onkel Rudi“ in seiner Soldatenuniform. Es war Richters erklärtes Ziel, seine Bilder an die fotografischen Vorlagen anzugleichen. Deshalb verwischte er die Farbe – auch, um „das zu viel an unwichtigen Informationen“ auszulöschen.
 

Gerhard Richter: Zwei Fiat, 1964

Gerhard Richter: Zwei Fiat, 1964
Museum Frieder Burda, Baden-Baden. © Gerhard Richter, Köln 2011

 
Zwei Fiats malte er im Jahr 1964, ein Motorboot ein Jahr danach, ein eigentlich banales Thema, doch in der Malerei Richters wirkt das Motiv hintergründig, symbolhaft und vor allem beunruhigend. Im Nicht-mehr-Erkennbaren, in der rätselhaften Stille liegt die Tiefe dieser Bilder. Richter sagte einmal, dass man in einem unscharfen Bild mehr sehen könne, als in einem scharfen.

In seinem Zyklus „18. Oktober 1977“ machte der 1932 in Dresden geborene Künstler den Tod der in Stammheim inhaftierten RAF-Mitglieder zum Thema – Bilder wie verwischte Schnappschüsse. Auch hier waren seine Vorlagen Fotografien aus Zeitschriftenarchiven. Die von von Uwe M. Schneede, dem ehemaligen Direktor der Hamburger Kunsthalle, kuratierte Ausstellung präsentiert 50 Leihgaben aus 25 deutschen und internationalen Sammlungen.

Richters Idee, seine Bilder nach Fotografien zu malen – Bilder von Sargträgern, von einer Sekretärin, von einer Rolle Toilettenpapier oder einem Mordopfer – nannte er damals ganz bescheiden seine „neue Macke“. Heute ist Gerhard Richter der am teuersten gehandelte zeitgenössische Maler – weltweit.

(Marc Peschke)
 

Gerhard Richter: Onkel Rudi, 1965

Gerhard Richter: Onkel Rudi, 1965
Gedenkstätte Lidice, Lidice. © Gerhard Richter, Köln 2011

 
Ausstellung:
Gerhard Richter. Bilder einer Epoche
Bis 15. Mai 2011
Bucerius Kunst Forum
Rathausmarkt 2
20095 Hamburg
Öffnungszeiten täglich 11-19 Uhr, Do 11-21 Uhr

Titel Gerhard Richter. Bilder einer Epoche

Buch:
Ortrud Westheider und Michael Philipp
Gerhard Richter. Bilder einer Epoche (bei amazon.de)
Beiträge von Hubertus Butin, Dietmar Elger, Dietmar Rübel, Uwe M. Schneede, Ortrud Westheider
216 Seiten
Hirmer Verlag. München 2011
ISBN 978-3-7774-3451-3
45 Euro