Logo PrakticaDie bekannte Kameramarke aus Dresden kann in diesem Jahr auf eine 60-jährige und durchaus wechselvolle Geschichte zurückblicken. Sie reicht von der in Dresden entwickelten mechanischen Spiegelreflexkamera bis zu digitalen Kompaktkameras, die heute von Herstellern in Fernost bezogen werden:

Die erste Praktica wurde im Jahre 1949 von den Mechanik Kamera Werkstätten VEB Niedersedlitz gebaut, die auf die 1919 von Benno Thorsch und Paul Guthe in Dresden gegründete Kamera-Werkstätten Guthe & Thorsch GmbH zurück gingen (Mehr Klasse als Masse – Kamera Werk Dresden).

Im Jahre 1964 ging der Betrieb an der Bismarckstraße mit mehreren anderen Kameraherstellern in und um Dresden im VEB Pentacon auf, einem Kombinat der DDR-Wirtschaft. Bis 1989 arbeiteten in Spitzenzeiten ca. 9.000 Beschäftigte im Stammwerk und in den über die Republik verteilten Zweigstellen. Im Jahre 1985 wurde Pentacon in das Großkombinat VEB Carl Zeiss Jena eingegliedert.

Foto der Jenaflex AM-1

Praktica-Kameras wurden sowohl unter dem eigenen Namen als auch unter zahlreichen Handelsmarken wie Revueflex (Foto Quelle), Porst Reflex, Hanimex oder Jenaflex exportiert. Der wichtigste Importeur der Praktica in der Bundesrepublik war die in Berlin und Bad Kissingen ansässige Beroflex AG. Während die Geschichte der Dresdner Kameraherstellung bis zur Wende gut dokumentiert ist und in Kürze ein neues Buch über die Geschichte des VEB Pentacon erscheint, wird die historische Aufarbeitung danach eher lückenhaft.

Mit der politischen Wende im Herbst 1989 änderten sich auch die Arbeitsgrundlagen des Dresdner Kameraproduzenten Pentacon. Nach der Einführung der D-Mark in den neuen Bundesländern wurde schnell klar, dass die bisherige Produktion technisch überholt und in der bisherigen Form wirtschaftlich nicht mehr tragbar war. Am 30.6.1990 endete die Zugehörigkeit von Pentacon zum Kombinat VEB Carl Zeiss Jena, und schon einen Tag später wurde eine Pentacon GmbH gegründet. Trotz aller Anstrengungen, die Kameraproduktion unter nun veränderten Bedingungen fortzusetzen, mussten 3.000 bisherige Angestellte in Umschulungen untergebracht werden, da sie ihre Arbeitsplätze aufgeben mussten. Die neue Firma konnte kaum mehr als 3 Monate durchhalten: Am 2.10.1990 – mitten während der photokina – gab die Treuhandanstalt das Ende der damaligen Pentacon GmbH und ihre Liquidation bekannt.

Noch am Tag der Liquidation bekundete Heinrich Mandermann ein erstes Kaufinteresse an den verbliebenen Teilen des Dresdner Unternehmens. Mandermann, der schon seit den 1950er Jahren mit der Dresdner Kameraindustrie verbunden war, war 1969 auch einer der Mitbegründer der Beroflex AG, die eigens für den Vertrieb von Fotoerzeugnissen aus der DDR etabliert wurde. Für den Preis von 8,85 Millionen DM erwarb Mandermann die Pentacon GmbH i.L. Als Jos. Schneider Fernwerktechnik GmbH & Co. KG wurden die Dresdner Aktivitäten in Heinrich Mandermanns neu entstandenen Konzern eingegliedert. Die bekanntesten Unternehmen dieser Gruppe sind die Jos. Schneider Optische Werke in Bad Kreuznach, die Rollei Fototechnik in Braunschweig sowie ab 1996 Teile der Filmfabrik ORWO Wolfen (siehe auch: FilmoTec GmbH – ORWO-Filme aus Wolfen).

Logo von Pentacon

Dass der Name Praktica an Mandermann verkauft wurde und nicht dem Betriebsteil in Niedersedlitz, der heutigen Kamera Werk Dresden Optronics, zugeordnet wurde, lässt sich rückblickend wohl nur damit erklären, dass in der Bismarckstraße zur Wendezeit die Entwicklungsabteilung für Pentacon angesiedelt war und dort keine Kameraproduktion stattfand (siehe auch: Praktica – Gerangel um ein sächsisches Warenzeichen). Produziert wurde damals in der Schandauer Straße. Der dortige Ernemann-Turm ziert auch heute noch das Logo von Pentacon.

Mit der Neustrukturierung des Unternehmens konzentrierte sich die Fertigung im Wesentlichen auf drei Spiegelreflexmodelle, die teilweise auch weiterentwickelt wurden: die Praktica BMS (weitergeführte Produktion aus den 80er Jahren), die Praktica BX20s (eine Weiterentwicklung der BX20) und die Exakta 66 (basierend auf der Pentacon Six TL).
 

Foto der Praktica BX20s

Praktica BX20s
 
 
Foto der Exakta 66

Exakta 66

 
Die Marke Exakta geht auf die Ihagee an der Schandauer Straße in Dresden zurück. Sie war im Westen über die Ihagee West und die Firma Miranda Foto-Video in Nürnberg, die den Namen im Jahr 1982 erwarb und dann 1984 die erste Exakta 66 vorstellte, in den Einflussbereich von Heinrich Mandermann gekommen. Im Gegensatz zur Zeit vor 1989 wurden diese Kameras dann allerdings nicht mehr in Großserie, sondern einzeln in Handarbeit gefertigt. Die verbliebenen Restbestände an Ersatzteilen der verschiedensten Modelle wurden entweder eingelagert oder verschrottet (siehe auch: VEB Pentacon Dresden – Der letzte Produktionstag der Praktica). Teile des Maschinenparks wurden in die neue Firma übernommen, andere verkauft und ein großer Bestand ebenfalls verschrottet.

Foto vom Scan 5000

Mit dem Wandel von der analogen Kameratechnik hin zur digitalen Fotografie verschoben sich die Aktivitäten der Schneider Feinwerktechnik. Im Consumerbereich ging man dazu über, in Asien gefertigte Kompaktkameras unter der Marke Praktica zu vertreiben und die Entwicklung sowie Fertigung in Dresden auf andere feinmechanisch-optische Produkte umzustellen. Noch auf Betreiben Heinrich Mandermanns begann man in Dresden mit der Entwicklung verschiedener optischer Produkte: Mit dem 256-Graustufenscanner kam die erste Scannerkamera einer Produktreihe, die aktuell beim Modell Scan 6000 angekommen ist. Diese Scanner zum Einscannen dreidimensionaler Objekte haben im Aufbau zahlreiche Gemeinsamkeiten mit den früher produzierten Spiegelreflexkameras und konnten bereits vorhandenes Zubehör nutzen. Das Praktica-ED-System (EDS) wurde als erkennungsdienstliches System für die Innenministerien der Länder konzipiert (sog. Bertillon-Verfahren). Es bestand im wesentlichen aus zwei BX20s (der BX EDH für Halbbild- und der BX EDV für Vollbildaufnahmen), einem Steuergerät und einem Netzteil. In Zusammenarbeit mit Agfa wurde ein Long-Roll-Kamerasystem entwickelt. Ziel war ein neues Labor- und Package-Print-System (Agfa PPS) für die Schul- und Porträtfotografie. Nach dem Aufbau von fünf Kamerasystemen wurde das Projekt beendet, da Agfa das System am Markt nicht durchsetzen konnte.

1997 ging aus der Jos. Schneider Fernwerktechnik GmbH & Co. KG die Pentacon GmbH , Foto- und Feinwerktechnik hervor. Die produzierenden Teile des Vorgängerunternehmens wurden größtenteils umstrukturiert und in semi-eigenständige Profitcenter gewandelt. Die Entwicklung spezieller Prüfautomaten für die Automobilindustrie eröffnete neue Geschäftsfelder. Gerade in der Massenproduktion von Teilen mit hohen Qualitätsanforderungen konnte aufgrund der optischen Teileprüfung dieser Anlagen eine Kostenreduzierung erreicht werden. Weitere Standbeine, die aus der Tradition der Vorgängerunternehmen hervorgingen, waren die serielle Lohnfertigung (Drehen, Fräsen, Schleifen) sowie der Kunststoffspritzguss, deren Dienstleistungen man heute auch für externe Partner erbringt.

Logo Praktica

Auch wenn heute bei Pentacon keine Kameras für den Massenmarkt mehr produziert werden, so kann man offensichtlich das aus der feinmechanischen Fertigung entwickelte Wissen bis heute erfolgreich verkaufen. So ganz vergessen kann man die Geschichte der Kamerafertigung jedoch nicht. Als Referenz an die Geschichte der Dresdner Kameraproduktion ist ein virtuelles Kameramuseum geplant (das allerdings seit gut drei Monaten nichts zeigt als die Eingangsseite), in dem praktisch alle Praktica-Kameras aus Dresden ihren Platz finden sollen.

(CJ)