Foto Szekessy, Schattenportait, 2004

1954 begann Karin Székessy zu fotografieren. Schon bald entwickelte sie einen ganz eigenen, surrealen Stil der Aktfotografie – inszenierte Fotos, die bis heute Rätsel aufgeben

In zumeist strengem Schwarzweiß gehaltene Fotografien von Modellen mit Masken, die oft mit mysteriösen Accessoires ausgestattet werden. Eine schöne Nackte mit einem Fischskelett etwa – oder zwei Frauen in reinweißem Interieur, die mit zartgliedrigen Pflanzen Gesicht und Brüste verdecken.
 

Székessy, Elbstrand, 1963  Székessy, 2 Cutouts für PW, 1965

Karin Székessy: Elbstrand (1963), 2 Cutouts für PW (1965)

 
1957 bis 1959 studierte Székessy am Institut für Bildjournalismus in München – in dieser Zeit entstanden ihre berühmten Puppenfotografien. 1971 heiratete die 1939 geborene Hamburgerin den Maler und Grafiker Paul Wunderlich – und die Kenner streiten sich seitdem, wer wen mehr beeinflusste: der erotische Grafiker die Fotografin – oder umgekehrt. Sei’s drum: Székessy fotografierte für die besten Adressen, für die „Zeit“ und das „Zeitmagazin“, die „Süddeutsche Zeitung“, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, „Playboy“ und „Twen“, entwickelte Werbekampagnen und erarbeitete große Reisereportagen.
 

Székessy, über den Stuhl gelegt, 1967  Szkessy, 2 Cutouts für PW, 1965

Karin Székessy: über den Stuhl gelegt (1967), Stilleben bei mir (2005)

 
Trotzdem ist der weibliche Körper ihre Spezialität geblieben – bis heute. Auffallend ist die Fähigkeit der Künstlerin, theaterhafte Bühnen für ihre Protagonisten zu schaffen, wie Max Bense über sie geschrieben hat: „Wir haben es nicht mit der fotografischen Fixierung einer vorgegebenen Welt zu tun, sondern mit der Wiedergabe einer vorgestalteten, einer statuarisch arrangierten Welt, in der selbst der Lichtraum nicht natürlich vorausgesetzt, sondern auf seine Handhabung, auf seine Gestaltbarkeit, auf Beleuchtung zurückgeführt wurde.“
 

Székessy, Joseph Beuys, 1960   Székessy, Lita Vivian Simone, 2003

Karin Székessy: Joseph Beuys (1960), Lita Vivian Simone (2003)

 
Eine andere Seite ihres Schaffens ist die Flüchtigkeit, der schnelle, impressionistische Foto-Blick. Dieser Gegensatz ist das unheimliche, stille Zentrum der betörenden Fotografien von Karin Székessy. Das Weibliche steht im Zentrum ihrer Fotografie – und selbstvergessen scheinen ihre Modelle die eigene Weiblichkeit mit großer Ernsthaftigkeit zu zelebrieren. Die Beziehung zu ihrem Modell ist wichtig, Zuneigung, Vertrauen die erste Voraussetzung, wie Székessy sagt: „Ein Mann kann sagen: zieh dich aus. Wir müssen erst einmal miteinander reden, Kuchen essen und uns vertraut machen.“ Dann geht alles ganz einfach. „Wichtig ist, dass die Modelle die Absurdität meiner Arbeiten verstehen.“

Es ist nicht der perfekte, schöne Körper vieler Werbebilder, der Székessy interessiert, statt dessen inszeniert sie erotische Tagträume von Frauen, die sich selbst genügen. Auch die Zeit scheint aus diesen Bilder gefallen, einige Interieurs könnten genauso vor hundert Jahren entstanden sein – und die gedeckte, düstere Farbigkeit lässt eine Atmosphäre entstehen, die zwischen Melancholie und Eros wechselt, die mehr der Sphäre des Traums als der Wirklichkeit anzugehören scheint. Der Surrealismus, die Poesie des Traums, hat im Werk Székessys deutliche Spuren eingegraben, auch wenn die Fotografin für ihr Tun eine einfache Formel gefunden hat: „Ich fotografiere weibliche Körper und dirigiere sie, damit sie schön sind.“
 

Foto Székessy, Mont Ventoux I, 2005

Karin Székessy: Mont Ventoux I (2005)

 
Auch wenn die Aura ihrer Arbeiten etwas anderes vermuten lässt: Székessy fotografische Rüstzeug fußt auf solidem Handwerk, die Helldunkel-Modulationen, die feinsinnigen Kompositionen, ihre Bildideen – etwa mit Vorhängen und Schleiern zu arbeiten – auch ihre Fähigkeit zu künstlerischer Abstraktion und der experimentelle Gestus vieler Arbeiten ist heute selten geworden.

Gut also, ihre Arbeiten nun bis zum 31. August in einer großen Ausstellung im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe am Steintorplatz gewürdigt zu sehen. Zur Ausstellung mit etwa 250 Arbeiten ist ein hervorragender Katalog erschienen, der den schlichten Titel „Karin Székessy – Photography“ trägt und nicht nur die Akte, sondern das Gesamtwerk in Wort und Bild vorstellt: Reportage, Orte und Menschen, Künstlerporträts, Kinder, Hunde, Stillleben, Blumen und Früchte, Landschaften und Akte. Bilder aus fünf Jahrzehnten.

(Marc Peschke)

 

Titelabbildung Photography

Buch:
Karin Székessy
Photography (bei amazon.de)
24 x 30 cm, 212 Seiten, Hardcover mit Schutzumschlag
176 Duoton- und farbige Abbildungen
Verlag Edition Braus. Heidelberg 2008
ISBN 978-3-89904-295-5
€ 39,90

Ausstellung:
Karin Székessy – Photography
17. April bis 31. August
Museum für Kunst und Gewerbe
Steintorplatz
20099 Hamburg
Telefon 040-42 81 34 27 32
Di bis So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 21 Uhr
 

Nachtrag (18.4.2008): Das Museum für Kunst und Gewerbe bittet, darauf hinzuweisen, dass es das Buch natürlich auch im Museum bzw. in der angeschlossenen Buchhandlung direkt zu kaufen gibt.