In einer E-Mail hat Reuters vergangene Woche freie Bildjournalisten informiert, dass die Nachrichtenagentur zukünftig keine JPEG-Dateien mehr annimmt, die von einem RAW-Konverter erzeugt wurden. Stattdessen sollen die Fotografen JPEGs liefern, die direkt von der Kamera aufgezeichnet wurden. Begründet wurde der Schritt mit Arbeitserleichterungen sowie der Einhaltung der hohen ethischen Standards der Nachrichtenagentur.

Publik gemacht hat die neuen Richtlinien von Reuters der Fotografen-Blog PetaPixel. PetaPixel wird unter anderem von dem ehemaligen Magazinfotografen Mike „Sharky“ James betreut. Ein Sprecher von Reuters hat die geänderten Richtlinien gegenüber PetaPixel bestätigt und begründet sie unter anderem damit, dass Reuters-Journalisten die Wirklichkeit möglichst unverfälscht wiedergeben sollen. Anders ausgedrückt: Bei Reuters ist man augenscheinlich der Meinung, dass RAW-Dateien einen größeren Spielraum zu Manipulation bieten.

Allerdings sind diese hohen ethischen Standards nicht der einzige Grund, warum Reuters RAW-Aufnahmen mit einem Bann belegt. Denn Reuters sagt auch, dass sich die Original-JPEG-Dateien aus der Kamera einfach schneller an den Kunden auszuliefern lassen. Zudem seien die JPEG-Daten heutiger Kameras derart gut, dass die Aufnahme in RAW keine technische Notwendigkeit mehr ist.

Ist der schnellere Workflow bei JPEG-Aufnahmen der eigentliche Grund, warum Reuters keine konvertierten RAW-Dateien mehr annehmen möchte? Schließlich lassen JPEG-Dateien ja fast ebenso viel Raum zur Manipulation wie RAW-Daten. Das aber schließt Reuters schon immer aus. Im Potographer’s Handbook ist penibel aufgelistet, welche Bildbearbeitungsprozesse Fotografen durchführen dürfen. Dazu gehört das Verkleinern auf maximal 3500 Pixel für die längere Kante. Auch Ausschnitte sind erlaubt – aber nur, wenn dadurch nicht die Bildaussage geändert wird. Ebenso gestattet sind einfache Helligkeits-, Kontrast- und Farbkorrekturen.

Offenbar ist es für Reuters auch kein Problem, dass viele Kameras JPEG-Dateien kräftig bearbeiten – von der Portraitretusche im entsprechenden Motivprogramm bis hin zu echten HDR-Aufnahmen, die heute ja ebenfalls mit vielen Kameras möglich sind. Um solche Tricks (und kräftig nachbearbeitete Originale) zu entlarven, gäbe es übrigens ein einfaches Mittel: Die originale RAW-Datei, so wie sie die Kamera aufgezeichnet hat.

Meine Meinung: Dass Reuters RAW-Dateien mit dem Hinweis auf die eigenen hohen journalistischen Standards bannt, ist schon ein starkes Stück. Damit wird jeder „RAW-Shooter“ unter den Generalverdacht der Bildmanipulation gestellt – ungeachtet dessen, dass sich JPEG-Aufnahmen ebenfalls massiv manipulieren lassen. Gar nicht davon zu reden, dass viele Kameras die Option bieten, Rohdaten im Wiedergabemodus zu JPEGs zu garen. Ich werde weiterhin bevorzugt in RAW aufzeichnen und meine Aufnahmen dann sorgfältig entwickeln – aber ich verkaufe meine Fotos ja auch nicht an Reuters.

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Wie halten Sie es eigentlich mit dem RAW-Format? Für die einen ist es ein digitales Negativ, das eben noch im RAW-Konverter veredelt werden muss. Für die anderen ist es eine Krücke – wer richtig in JPEG fotografiert, braucht schließlich keine nachträgliche Bearbeitung mehr. Und dann gibt es ja noch die Möglichkeit, RAW und JEPG gleichzeitig aufzuzeichnen und sich so alle Möglichkeiten offen zu halten. Oder fotografieren Sie analog und können über die Diskussion nur milde lächeln?

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(Martin Vieten)