Lindemanns, Fachverlag für fototechnische Bücher und Foto-Fachbuchhandlung mit angeschlossenem Versand in Stuttgart, bezieht im August neue Räume. Das verheißt Sonder-Räumungsverkäufe und gibt uns Anlass, eine der wichtigsten deutschen Fotobuchhandlungen näher vorzustellen:

Wer steckt hinter Lindemanns Fotobuchhandlung? Wer heute den Herrn Lindemanns kennen lernen will, kommt um Jahre zu spät. Heinrich Lindemann, der Namensgeber, hatte die Buchhandlung im Jahre 1852 gegründet. In den 1920er Jahren wurde sie von Richard Coqui, dem Großvater des heutigen Inhabers Werner Götze, übernommen. Foto-Fachbuchhandlung LindemannsDie Buchhandlung besteht heute aus zwei, derzeit noch räumlich getrennten Einheiten: dem Stammhaus mit dem allgemeinen Buchsortiment, geführt von Friederike Götze, und der Spezialbuchhandlung für Fotografie und Film, dem Reich von Werner Götze.

Wer die in der Stuttgarter Nadlerstraße am Rande der zentralen Einkaufsmeile in der Innenstadt gelegene Fotobuchandlung besucht, sollte Zeit und etwas Kleingeld mitbringen. Die Zeit ist dem schier unerschöpflichen Sortiment an Fachliteratur geschuldet, das man hier – im Gegensatz zum gedruckten Katalog oder dem Online-Verzeichnis – mit Händen greifen kann. Das in der Buchhandlung vorrätige Sortiment umfasst derzeit über 5000 Titel. Da erklärt es sich fast von selbst, dass man bei Lindemanns meistens etwas mehr Geld lässt, als geplant. Die Verführung ist einfach zu groß.

Dabei hat auch der Fotobereich von Lindemanns Buchhandlung einmal ganz klein angefangen; mit einem Büchertisch. Und an einem solchen Büchertisch – beim 40. Jahreskongress des BFF in Stuttgart – haben wir Werner Götze getroffen und zur Geschichte von Lindemanns Fotobuchandlung befragt.

Wie kommt ein Buchhändler zur Fotografie?

Im Jahre 1975 brachte mich Hugo Schöttle, der damalige Chefredakteur der Zeitschrift Leica, dazu, einen Buchstand bei der Jahrestagung der DGPh zu machen, die in diesem Jahr in Stuttgart stattfand. Das war eine Aufbruchszeit in Sachen Fotografie und Fotobuch, und ich habe dort so gut verkauft, dass ich zunächst kaufmännisches Interesse am Verkauf von Fotoliteratur entwickelt habe. Zu dieser Zeit gab es im deutschen Buchhandel eigentlich nur ein paar wenige Kunstbuchhandlungen, die auch ein interessantes Fotobuchangebot geführt haben. Allerdings eben fast ausschließlich im Bereich Foto-Kunst. Portraitfoto Werner GötzeDie wohl schon damals wichtigste Buchhandlung dieser Art war Walter König in Köln, für mich lange „das“ Vorbild. Allerdings war mir die Eingrenzung auf Foto-„Kunst“ zu eng. Es war mir unklar, weshalb Kunden, die auch Fotolehrbücher oder auch Kamera-Sammelbücher kaufen, nicht auch Fotobildbände kaufen sollen. Diese Angebotseingrenzung war mir unsympathisch und so habe ich meine Fachbuchhandlung von Anfang an einfach als eine reine „Foto-Buchhandlung“ verstanden, die thematisch alles anbietet, was es Gedrucktes zum Thema Fotografie gibt. Dies war für die damalige Zeit etwas völlig Neues und nach meiner Kenntnis gibt es bis heute keine weitere Fotofachbuchhandlung, die sich, wie Lindemanns, dem gesamten Themenspektrum der Foto-Literatur widmet.

Woher hatten Sie das fotografische Fachwissen?

In der Aufbauphase der ersten fünf Jahre habe ich von meinen Kunden erst einmal gelernt, was Fotografie ist, und was da alles dazu gehört. In dieser Zeit habe ich bereits fleißig begonnen, Angebotskataloge mit meinen Fotobüchern für den Versand drucken zu lassen. Im Laufe dieser Zeit habe ich auch bald damit begonnen, Bücher aus dem Ausland zu importieren, vor allem aus den USA. Das war damals noch nicht so einfach wie heute mit dem Internet. Da wurde noch fleißig mit Vorausrechnungen operiert und da man damals auch noch nicht so einfach länderübergreifend mit der Kreditkarte bezahlt hat, hat Lindemanns extra für den Einkauf ein Bankkonto in den USA eröffnet.

Und das alles neben dem „normalen“ Buchhandel?

Knapp 5 Jahre nach dem Anfang mit den Fotobüchern platzte unsere damals noch kleinere Buchhandlung aus allen Nähten und als sich die Chance ergab, in derselben Straße, ein paar Häuser weiter im ersten Stock, Räume zu mieten, habe ich kurzerhand zugegriffen. Für eine kleine Spezialbuchhandlung, die noch dazu weitgehend im Versand verkauft hat, erschien mir das damals vernünftig und zweckmäßig und als Anfangs-Lösung auch preiswert.

Wie wurde Lindemanns zum Verlag?

In den Anfangsjahren habe ich als junger Buchhändler noch alle mir angetragenen Ambitionen zur Erweiterung meiner Tätigkeiten in Richtung Antiquariat oder Galerie oder gar als Verlag abgeschmettert. „Schuster bleib’ bei deinen Leisten“ habe ich mir immer gesagt, und mich ausschließlich auf den „Handel“ mit Fotobüchern beschränkt. Aber kaum war die Fotobuchhandlung in die neuen Räume in der Nadlerstraße 10 im heimeligen Obergeschoss eingezogen, ergaben sich dort in größeren Räumen auch andere Möglichkeiten. Und so habe ich im Laufe der nächsten Jahre so richtig und der Reihe nach mit allen von mir selbst aufgestellten Tabus gebrochen.

Zunächst habe ich in den neuen Räumen neben den Büchern auch Originalfotos gezeigt. Also eine Galerie geführt. Das waren dann zwischen 1980 und 1993 stolze 44 Fotoausstellungen mit ausschließlich zeitgenössischen Künstlern. Dann habe ich begonnen, einige alte Fotobücher anzukaufen und antiquarisch weiterzuverkaufen. So beginnt ein jedes Antiquariat. Und zu guter Letzt habe ich begonnen, auch noch Fotobücher zu verlegen. Keine Fotobildbände, wie das viele Kunstverlage taten und noch tun, sondern Nischentitel, für die ein kleiner Bedarf besteht, für die sich aber kein Verlag findet. Das hat zunächst mit Reprints von alten Kamera-Büchern begonnen, ging dann weiter mit neuen Titeln im Bereich Fotogeschichte, wurde im Laufe der Zeit dann doch noch ergänzt um den ein oder anderen Bildband, den mir Fotofreunde – die ihr eigenes Fotobuch machen wollten – untergejubelt haben. Bis heute tragen ca. 200 Titel die ISBN 978-3-89506- des Lindemanns Verlages.

Irgendwann wurde unser Angebot dann noch massiv erweitert um Digitalnachdrucke von ca. 1500 verschiedenen Bedienungsanleitungen für ältere Fotoapparate, die mir Karl-Otto Kemmler, ein großer Sammler, dann in den Vertrieb gegeben hat. Kurz nach der Jahrtausendwende war die Zeit reif für das Internet. Für den aktiven Versand, den Lindemanns Fotobuch immer betrieben hat, war das natürlich sowohl eine Chance als auch ein Muss. Ich habe mir damals das Internet zunächst einmal genau angesehen, statt eine nichtssagende Domain ins Web zu stellen, und habe dann im Jahre 2002 meinen ersten, schon recht komplexen und umfangreichen Shop ins Web gestellt. Im Jahre 2008 hat Lindemanns Fotobuchhandlung den Shop komplett neu gestaltet und neu programmiert und hat alle Erfahrungen aus den ersten 6 Jahren dort einfließen lassen.

Und jetzt, wo alles läuft, wollen Sie umziehen?

Aber klar. Der Umzug hat ja nichts mit dem Web-Shop zu tun, sondern mit dem Ladengeschäft und den Räumlichkeiten für die Versandabwicklung. In den zwischenzeitlich 29 Jahren, welche die Fotobuchhandlung im ersten Stock in der Nadlerstr. 10 war, gab es immer wieder Überlegungen und Planungen, dieses „Provisorium“ im ersten Stock aufzugeben. Am verlockendsten erschien mir immer die Idee, die Fotobuchhandlung wieder mit der allgemeinen Buchhandlung unter ein Dach zu bringen. Das würde für uns vieles einfacher, schneller, bequemer und preiswerter machen. Und vor allem haben wir da einen Lastenaufzug und brauchen die Bücher nicht zu Fuß die Treppe herauf und wieder herunter tragen – unsere Bandscheiben werden einfach älter.

Und bevor Sie einen Treppenlift einbauen müssen, ziehen Sie um?

Ja – und jetzt habe ich mich aufgerafft und geplant, wie das platzmäßig funktioniert, wenn die Fotobuchhandlung in die Räume der anderen Buchhandlung einzieht, die ja inzwischen doppelt so groß ist wie sie zum Zeitpunkt des Auszuges der Fotobücher war. Und siehe da, mit etwas Planung und Anstrengung klappt das ganz wunderbar. Jetzt gilt es, das alles perfekt zu organisieren, den Umzug mit möglichst wenig Reibungsverlusten durchzuführen, und dann wird unsere Buchhändlerarbeit wieder ein klein wenig einfacher. Klar weinen wir – und auch einige unserer langjährigen Kunden – ein wenig dem vertraut gewordenen „Provisorium“ im ersten Stock nach. Aber die Vorteile überwiegen für mich, als nicht mehr ganz so junger Buchhändler, doch gewaltig und so traue ich mir dann auch körperlich wieder zu, die Fotobuchhandlung doch noch ein paar Jahre weiter zu betreiben.

Und den Umzug nutzen Sie jetzt auch als Gelegenheit, sich von den Bänden zu trennen, deren Einband im Laufe der Zeit etwas gelitten hat?

Bei einem so umfänglichen Buchsortiment, wie wir es unseren Kunden anbieten, gibt es im Laufe der Jahre doch so manchen Band, der zwar oft durchgeblättert wird, dann aber wieder ins Regal zurückwandert. Papier ist zwar geduldig, aber am Einband bleiben im Laufe der Zeit schon Spuren. Von diesen Exemplaren trennen wir uns im Vorfeld des Umzugs in einem Teilräumungsverkauf. Die jeweils aktuelle Angebotsliste finden Sie auf unserer Seite im Menue „Lagerräumung“.

(CJ)