Foto der Rolleiflex Hy6Jenoptik bzw. deren Tochter Sinar wollen sich aus dem „nachhaltig negativen Geschäft“ mit Mittelformatkameras (= Hy6) zurückziehen – die Sinar AG, die dafür verantwortlich zeichnete, will aber nach wie vor professionelle analoge und digitale Fachkamera-Lösungen vertreiben – ohne Jenoptik:

Kurz zusammengefasst, wie es zu der Entwicklung kam:

  • Die Franke & Heidecke GmbH ist Nachfolgerin der Rollei Produktion GmbH (die neue Namensgebung war möglich, nachdem Kai Franke und Rainer Heidecke Gesellschafter wurden), die im Jahr 2004 die Gerätefertigung von der Rollei Fototechnic GmbH übernahm (im Nachinein zeigt sich, wie wortgenau Unternehmensmeldungen gelesen werden wollen, zeigte sich doch im Laufe der Zeit, dass F&H nur Auftragsfertiger war, wohingegen die Rechte und Vermögenswerte bei der Rollei GmbH lagen und liegen, die die Reste der alten, großen Rollei verwaltet: Rollei; tranchiert).
  • Die digitale Mittelformatkamera Hy6, vorgestellt auf der photokina 2006 und bei Franke & Heidecke gefertigt (wobei die Rechte an der Entwicklung bei Jenoptik lagen), fand großes Interesse und sollte von Sinar als „Hy6“, von Leaf als „AFi“ und von Franke & Heidecke als „Rolleiflex Hy6“ (ausschließlich mit Filmrückteil) vertrieben werden. Es kam zu Lieferverzögerungen bei Kamera und Objektiven.
  • Anlässlich der photokina 2008 wurde mit der Hans R. Schmid Beteiligungs-GmbH ein neuer Hauptgesellschafter für Franke & Heidecke vorgestellt und es sah gut aus für das Braunschweiger Unternehmen: Franke & Heidecke: Die Zukunft gehört uns!
  • Kein halbes Jahr später musste Franke & Heidecke, Auftragsfertiger der Mittelformatkamera Hy6, Ende Februar 2009 Insolvenz anmelden. Die Rede ist von Insolvenzverschleppung und geschönten Bilanzen, und von einer Klage der Hans R. Schmid Beteiligungs-GmbH gegen die Vorbesitzer.
  • Zum 1. Juli 2009 wurde bei Franke & Heidecke den Mitarbeitern gekündigt; die meisten sind bereits freigestellt, ein paar arbeiten noch im Service. Ende September 2009 ist dann wohl endgültig Schluss; sofern sich nicht doch noch ein Interessent für die Produktion findet.
  • Während der vergangenen Monate fand sich kein Interessent für die Manufaktur, auch nicht für Teile davon. Es steht schlecht um Franke & Heidecke und die Hy6; und auch die anderen Fertigungslinien der Braunschweiger.
  • Unterdessen übernahm Phase One die Kodak-Tochter Leaf, die ein Abnehmer der Hy6 (AFi genannt) war. Phase One signalisierte damals gleich, dass die Hy6 im eigenen Portfolio wohl nicht interessant sei.

Blieben allein Jenoptik und Sinar, wobei erstere einst die Entwicklungsrechte an der Hy6 hielten (wobei die Lage heute unklar ist – siehe Düstere Aussichten für Franke & Heidecke und die Hy6), und die Jenoptik-Tochter Sinar sie im Vertriebsprogramm hatte.

Jetzt hat Jenoptik offensichtlich die Nase voll bzw. sieht keine Zukunft mehr in der Hy6: Mit Leaf konnte man sich offensichtlich einigen („bestehende Lieferverpflichtungen wurden im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Kunden beendet“) und der Sinar AG steht anscheinend ein Management-Buy-Out bevor: „Das Geschäft der SINAR AG wird künftig außerhalb der Jenoptik weitergeführt werden.“

Die Pressemitteilung der Jenoptik AG dazu:

Jenoptik stellt Geschäft mit Mittelformatkameras ein. Ergebnis im 2. Quartal 2009 dadurch einmalig belastet.

Jena, 29. Juli 2009

Sowohl im 2. Quartal als auch im Gesamtjahr 2009 positives Konzernbetriebsergebnis vor Sondereinflüssen erwartet.

Aufgrund der Insolvenz des Lieferanten Franke & Heidecke sowie des signifikant beeinträchtigten Geschäftspotenzials im Bereich Mittelformatkameras (High-End) hat der Konzern entschieden, sich aus diesem nachhaltig negativen Geschäft zurückzuziehen sowie die damit verbundene Standort- und Portfoliobereinigung im In- und Ausland vorzunehmen. Bestehende Lieferverpflichtungen wurden im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Kunden beendet.

Mit dieser Maßnahme fokussiert sich Jenoptik weiter auf die Kerngeschäftsbereiche, das Ergebnis des 2. Quartals wird hierdurch jedoch kurzfristig beeinflusst. Die daraus resultierenden Sondereinflüsse, die infolge von Wertberichtigungen größtenteils nicht liquiditätswirksam sind, belaufen sich auf insgesamt 7,9 Mio Euro und wurden vollständig im Konzern-EBIT des 2. Quartals 2009 verarbeitet. Das Betriebsergebnis vor diesem Sondereffekt wird im 1. Halbjahr 2009 mit etwa 3 Mio Euro positiv ausfallen (31.03.2009: 0,4 Mio Euro). Darin enthalten sind rund 1 Mio Euro laufende Verluste aus diesem Geschäftsfeld, die in Zukunft entfallen werden.

Der Markt für High-End Kameramodule ist durch das aktuelle konjunkturelle Umfeld stark beeinträchtigt und beeinflusst die Geschäftsentwicklungen der Marktteilnehmer negativ. Auch Jenoptik ist hiervon betroffen und zieht sich aus dem Geschäft mit Mittelformatkameras zurück.

Das Geschäft mit Mittelformatkameras ist in dem Schweizer Unternehmen SINAR AG zusammengefasst. Garantie- und Serviceleistungen für die bisher verkauften Mittelformatkamerasysteme wird die SINAR AG weiter vollumfänglich erfüllen und auch nach wie vor professionelle analoge und digitale Fachkamera-Lösungen vertreiben. Das Geschäft der SINAR AG wird künftig außerhalb der Jenoptik weitergeführt werden.

Digital-Imaging-Aktivitäten der Jenoptik werden uneingeschränkt fortgeführt.

Das Thema der digitalen Bildverarbeitung ist und bleibt eine Kernkompetenz der Jenoptik für die Bereiche Medizintechnik, Life Science und Verkehrssicherheitstechnik bis hin zur militärischen Aufklärung. Diese Kernkompetenz wird Jenoptik beibehalten und ausbauen.

Konzern-Betriebsergebnis vor Sondereinflüssen soll 2009 positiv ausfallen.

Jenoptik erwartet aufgrund des weiterhin stabilen Beitrages der Sparte Verteidigung & Zivile Systeme sowie der Präsenz in verschiedenen Märkten im Gesamtjahr 2009 ein positives Konzern-Betriebsergebnis vor Sondereinflüssen.

Die ausführlichen Zahlen zum 2. Quartal und über das 1. Halbjahr 2009 wird der Jenoptik-Konzern am 13. August veröffentlichen.
 

(thoMas)