T/S Adapter von HasselbladWir haben uns eine Hasselblad H4D-40 und eine H4D-50 Multishot samt T/S-Adapter etc. genauer angesehen:

Endlich war es soweit! Nach einigen Wochen des Wartens bekam ich, zwar nur für 5 Tage – ein verlängertes Wochenende –, die Hasselblad H4D zum Testen (Technische Daten siehe Viel versprechend: Hasselblad H4D-40). Nicht nur eine H4D, sondern gleich zwei – eine H4D-40 (ca. 13.000 Euro netto) und eine H4D-50 Multishot (ca. 25.000 Euro netto) – damit ich überprüfen konnte, ob die 50 Megapixel einen deutlichen Vorteil gegenüber 40 Megapixel bieten, und ob Multishot (Mehrfachaufnahme) noch etwas bringen würde. Dazu gab es eine H2 mit 45×60-Magazin, weil ich als alter Filmphotograph gerne wieder einmal digital mit Film vergleichen wollte (nach Rücksprache mit einigen Kollegen und auch nach eigener Einschätzung entschied ich mich für den Kodak Ektar 100 als den wohl geeignetsten Film für diesen Test). Und natürlich Objektive: das HCD 4/28 mm mit T/S-Adapter, das HC 2,8/80 mm und das HC 4/210 mm. Für diese Leihstellung, die den erwarteten Umfang weit übertraf, möchte ich der österreichischen Hasselblad-Repräsentanz, Slach Bildtechnik, ganz herzlich danken!

Hasselblad H4D-40

Also zog ich aus – das Wetter war zum Glück gut –, und machte mit drei Kameras Vergleichsaufnahmen von Landschaften, Gebäuden und wie immer auch von meinen vielen Testcharts für die mehr quantitativen Auswertungen (siehe dazu Hasselblad H4D: Versuch einer Standortbestimmung, online ab 5.6.2010, 9:00 Uhr, und Hasselblad H4D: Testlabor-Ergebnisse, online ab 6.6.2010, 9:00 Uhr).

Möchten Sie gleich am Anfang eine kurze Zusammenfassung lesen?

Also gut, hier ist sie: Die H4D ist für die meisten Anwendungen das Ende des Mittelformatfilms. Sie ist so gut, dass es kaum mehr Sinn macht, gegen Digital zu argumentieren. Film ist gut, war immer gut, und wenn man das besondere Flair von Film möchte, so bleibt er weiterhin das Medium der Wahl – aber Farbwiedergabe, Auflösung und Gesamteindruck des fertigen Bildes haben mit der H4D digital eindeutig gewonnen.

Und wie schlägt sich die H4D gegen die vor kurzer Zeit getestete Leica S2? Nun, meiner Meinung nach (ich betone, es ist meine Meinung) ist die H4D der S2 überlegen. Die Gesamt-Bildqualität, das, was die die Amerikaner so treffend als „definition“ bezeichnen, ist bei der H4D ansprechender und besser als bei der S2. Das bedeutet nicht, dass die S2 nicht sehr gut wäre – es bedeutet für mich, dass die H4D besser ist. Bilder um das zu belegen, habe ich (siehe Hasselblad H4D: Versuch einer Standortbestimmung, online ab 5.6.2010; 9:00 Uhr), Diskussionen wird diese Meinung natürlich auch auslösen, aber eine Meinung zu haben, das ist mein Recht und meine Freiheit.

Die Kamera

Die H4D ist das Nachfolgemodell der H3D, und im Vergleich zu dieser ist manches besser geworden, sie zeigt aber auch einige nach wie vor vorhandene „Merkwürdigkeiten“, um es mal so zu formulieren. Dies sind vielleicht Kleinigkeiten, aber mich stören sie! Da ist erstens der Anschluss für den elektrischen Drahtauslöser und zweitens die Taste für die Spiegelvorauslösung. Beide Elemente sind nach wie vor an der Vorderseite des Gehäuses, zwischen Handgriff und Objektivbajonett, versteckt und ich erreiche beide entweder nur mit abgenommenem Objektiv (was für die Spiegelvorauslösung kontraproduktiv ist), oder mit meinem kleinen Finger: der Zwischenraum zwischen angesetztem Objektiv und Handgriff ist ein wenig arg schmal. Ich photographiere fast nur vom Stativ und verwende beide Funktionen recht oft, da mein Hauptinteresse der Architektur und der Landschaft gilt und mich die „dynamische“ Photographie nicht besonders interessiert. Daher ist es mir auch ganz egal, dass die H4D, so wie alle Modelle dieser Serie, keine Schnellschusskameras ist: sie schafft etwa 30 Bilder pro Minute (0,5 B/s) im Dauerbetrieb. Das ist für mich mehr als ausreichend.

Foto der Rückseite der H4D von Hasselblad

Nach wie vor, so wie bei der H3D, hört und spürt man den Spiegelschlag laut und hart (hier punktet die Leica S2 sehr deutlich). Vergleichsaufnahmen vom Stativ (ich verwende immer entweder ein Berlebach-Holzstativ oder ein ziemlich schweres Manfrotto-Stativ) zeigen deutlich, dass die Aufnahmen ohne Spiegelvorauslösung einen Tick unschärfer sind als die mit der Vorauslösung – und das fällt bei 40 oder 50 Megapixeln doch auf. Damit will ich nicht sagen, die ersteren wären unscharf, aber bei 200 % sieht man einen erkennbaren Unterschied. Hier sehe ich nach wie vor eine Möglichkeit zur Verbesserung, denn Leicas S2 ist in dieser Beziehung deutlich besser.

Beide H4Ds, die ich hatte, stürzten gelegentlich ab, aber im Betrieb selbst verhielten sie sich ordentlich. Zu bemängeln habe ich, dass beide Kameras die Objektive nach dem Ansetzen nicht immer gleich erkannten – ich musste sie erst im Bajonett ein wenig hin- und her „bewegen“, damit die Elektronik der Belichtungszeitanzeige zu arbeiten begann (vielleicht ein Demokamera-Effekt?). In den vier Tagen stürzten die Kameras während der Arbeit dreimal komplett ab; dann halfen nurmehr die Entnahme des Akkus und dann der Neustart – anschließend war alles OK, aber diese Art von Störung sollte nicht vorkommen.

Nun zu den positiven Veränderungen. Auffallend für mich war das viel bessere Display an der Rückseite. Hier sind die Angaben in der Literatur unterschiedlich: einmal liest man von 230.000 Pixeln, einmal von 460.000 Pixeln, weil die 230.000 mit einer „Double-Resolution“ Funktion ausgestattet sind. Beides ist mir recht, ich finde das Display deutlich besser und das ist wichtiger als die Pixelzahl allein. Die Farben sind viel besser, die Auflösung auch, und auch die Helligkeit.

Eine richtige Freude war es auch, durch den Sucher zu schauen, besonders jenen bei der H4D-50, der sichtlich besser als bei der H3D-39. Der aufsetzbare Prismensucher selbst ist ja gleich geblieben, die Veränderungen sind im Gehäuse und der Mattscheibe der Kameras zu finden.

Die Fokussierung wurde um die Funktion des „True Focus“ erweitert: Elektronik bemisst den geänderten Neigungswinkel, den die Kamera nach der initialen Scharfstellung einnimmt, und korrigiert die Schärfe entsprechend auf den zuerst erfassten Wert – das ist fein und funktioniert gut. Was mich aber erstaunte: der Autofokus hat bei kontrastarmen Objekten etwas Probleme. Die Aufnahmen mit dem 210-mm-Objektiv von einer Landschaft im Dunst musste ich manuell fokussieren (was ganz leicht geht, aber der AF sollte eigentlich auch auf kontrastschwache Objekte scharfstellen können). Die AF-Hilfsbeleuchtung ist im Vergleich zur H3D besser geworden, aber sie hat auch ihre Grenzen, wenn das Objekt zu weit weg ist.

Nach wie vor gibt es keine automatische Weißabgleichseinstellung (AWB), aber die Einstellung mit den verschiedenen Farbtemperatur-Vorgaben funktioniert besser als bei der H3D: ich konnte durchaus verwendbare JPEGs machen, die farblich akzeptabel waren. Und weil ich ohnedies alles im Hasselblad-eigenen 3FR-RAW Format photographierte, ist das letztlich nicht so wichtig.

Das Bildbearbeitungs- und Konvertierungsprogramm Phocus wurde für die H4D aktualisiert – die ältere Version 2.0 kann H4D-Bilder nicht lesen, man muss Version 2.01 Version laden und installieren. Deren Verwendung ist keine Option, sondern ein Muss, wenn man die eingebetteten Korrekturen von Vignettierung, chromatischer Aberration und anderer Bildfehler nutzen will. Beide essentielle Funktionen der Phocus Software, die NCS (Natural Color Solution) und die DAC (Digital Auto Correction), arbeiten perfekt und sind unentbehrlich. Auch die Moiréentfernung, die automatisch geht, funktioniert perfekt – ich habe bei allen Testaufnahmen kein Moiré gefunden; auch bei den sonst sehr empfindlichen Testcharts war Moiré kein Thema. Diese Software-Lösung ist besser als die auflösungsvermindernde Filterung durch ein Antialiasing-Filter (das es damals z.B. für die Kodak DCS760 gegeben hat).

Die Sensoren

Ein paar Bemerkungen zu den digitalen Sensoren der H4D. Wie bereits erwähnt, konnte ich den 40- und den 50-Megapixel-Sensor praktisch testen. Der 40-Megapixel-Sensor ist mit 33,1×44,2 mm etwas kleiner als der 50-Megapixel-Sensor (36,9×49,1 mm). Die unterschiedlichen Sensoren bieten auch unterschiedliche Belichtungszeitenbereiche: der 40er geht bis 4 Minuten, der 50er bis 32 Sekunden, der 40er kann bis ISO 1600, der 50er bis ISO 800 eingestellt werden. Etwas limitierend erscheint mir die Begrenzung der kürzesten Verschlusszeit auf 1/800 Sekunde. Bei den Außenaufnahmen bei strahlend schönem Wetter konnte ich mir nur durch Abblenden helfen (ich hatte keine Neutralgraufilter mitgenommen, da gemischtes Wetter vorhergesagt war).

Sensoren mit so vielen Megapixel bedeuten, dass die abgespeicherten Dateien recht groß werden – 80 MB für eine 3FR-Datei (16 Bit) sind nicht gerade wenig. Die Dateien in 8-Bit-TIFF zu speichern ist reine Platzvergeudung, denn die belegen pro Datei etwa 180 MB. Es ist auch dringend angeraten, schnelle CF-Karten zu verwenden, ist doch ein weiteres positives Merkmal der neuen H4D-Serie die höhere Schreib- und Lesegeschwindigkeit, die sehr angenehm auffällt. Wenn man Karten mit 300 MB/s verwendet, so ist die Kamera die Begrenzung, nicht mehr die Karte selbst.

Die Objektive

Die Objektive der Hasselblad haben zwei unterschiedliche Kennungen – HC und HCD; letztere sind die neueren Objektive, die speziell für die digitalen Hasselblads konstruiert wurden, wohingegen die HC-Versionen schon mit der H2 verwendet wurden. Das bedeutet in der Praxis, dass HC-Objektive an der H4D einen Formatfaktor von 1,1 aufweisen (sofern man nicht den 60-Megapixel-Sensor hat), die HCD-Objektive jedoch den Faktor 1,0 haben (bei Einsatz des 60-Megapixel-Sensors wird das Bildfeld leicht beschnitten). In der Praxis fällt das aber kaum auf.

Foto vom T/S-Adapter von Hasselblad

Der T/S-Adapter

… ist ein eigenes Kapitel. Man kann damit +/- 18 mm verschieben (Shift) und +/-10 Grad verschwenken (Tilt), was in der Praxis für viele Situationen ausreichend ist. Die Festbrennweitenobjektive von 28 mm bis 100 mm sind damit verwendbar; ich habe ihn mit dem HCD 4/28 mm ausprobiert. Das funktioniert prima, allein die Belichtungsmessung ist durch die Verstellung der optischen Achse etwas benachteiligt. Aber das ist kein großes Problem: erst messen und dann verstellen, dann passt alles. Die Bildqualität wird durch das T/S-System kaum verändert, die Anfangsöffnung verringert sich um 1,3 Blendenstufen, und die Brennweite wird um den Faktor 1,5 verlängert.

Eine attraktive Möglichkeit dieses Zubehörs ist die Herstellung von Panoramen. Man macht die Mittenaufnahme, dann je eine Aufnahme mit maximalem Shift rechts / links bzw. hoch / runter. Im Photoshop kann man dann die drei Aufnahmen sehr einfach zu einem Panorama zusammensetzen. Das funktioniert gut, es gibt nichts oder fast nichts zu korrigieren: ich habe es ausprobiert. Ein schönes Zubehör, nur mit 3.600 Euro (netto) leider recht kostspielig.

GPS-Adapter

Ein kleines „Zusatzspielzeug“ hatte ich auch mitbekommen: den GPS-Adapter. Der wird an der Seite der Kamera aufgeschraubt und verbindet sich automatisch mit der Elektronik. Die GPS-Daten werden dann zusammen mit den anderen Aufnahmedaten in der Datei gespeichert. Das Anbringen des Adapters ist leicht und die Lösung an sich funktioniert gut.

H4D-50 Multishot

Die H4D-50 MS, die ich geliehen bekam, bietet die Möglichkeit des Pixelshifts – also eine Mehrfachaufnahme zur Erhöhung der Auflösung bei nicht-beweglichen Objekten. Diese Funktion kann man nur mit dem Laptop durchführen, daher habe ich nicht viele Außenaufnahmen mit Multishot gemacht. Es war mir etwas zu mühsam, den Laptop mitzunehmen. Aber es hat funktioniert und die Ergebnisse waren die Mühe wert. Multishot ist nichts, was ich immer machen würde, aber wenn es auf ein wenig mehr Details ankommt, so ist es eine Option.

Beim Multishot wird der Sensor in vier aufeinanderfolgenden Belichtungen um jeweils ein Pixel verschoben, sodass nach den Belichtungen jedes Pixel jede Farbe gesehen hat, womit die effektive Auflösung von Farbe und Detail erhöht wird. Soweit die Theorie. Die Praxis zeigt eine leichte Verbesserung feinster Detailstrukturen und die absolute Notwendigkeit der Verwendung eines sehr – wirklich sehr –  stabilen Stativs. Logischerweise werden alle bewegten Strukturen während der Aufnahmefolge als farbige Geisterbilder aufgenommen: das ist recht interessant und dekorativ. (Mehr dazu in Hasselblad H4D: Versuch einer Standortbestimmung, online ab 5.6.2010; 9:00 Uhr.)

Die Bild-Auswertungen und -Beweise kommen dann morgen …

(Georg N. Nyman)
 
 
Siehe auch:
Hasselblad H4D: Versuch einer Standortbestimmung (online ab 5.6.2010; 9:00 Uhr)
Hasselblad H4D: Testlabor-Ergebnisse (online ab 6.6.2010, 9:00 Uhr)
Kleinbild kontra Mittelformat
Im Test: Leica S2