Foto der Nikon D700Vor wenigen Tagen erst wurde sie präsentiert, die D700 – wir können bereits mit einem ausführlichen Test der Vollformat-Nikon aufwarten und vergleichen sie da, wo es hilfreich ist, auch mit der D3 und der D300: Welches also ist die bessere, die beste, Nikon?

Ich bin ein ziemlich glücklicher „homo photographicus“ weil ich schon einen Tag nach der offiziellen Präsentation der D700 eine Demokamera auf ein paar Tage geliehen bekam. Also hieß es, die Zeit gut nutzen, Aufnahmen machen, ausprobieren, testen, um dann zu einer Meinung kommen. Wenn Sie meinen ganzen Bericht nicht lesen möchten und nur eine Zusammenfassung möchten – hier ist sie: Kaufen Sie diese Kamera!

Die Kamera und ich

Foto der Nikon D700 mit MB-D10

Ich bin nicht oft so enthusiastisch, aber die D700 hat es mir einfach angetan – sie ist (gerade) noch leistbar, macht herrliche Aufnahmen, liegt hervorragend in der Hand, kann fast alles, und das sehr gut.

Ein Bericht sollte systematisch sein und versuchen, objektiv die Eigenschaften und Merkmale darzustellen – aber da dieser Bericht nicht von einem Roboter geschrieben wurde, ist er auch subjektiv gefärbt – durch mich, den Autor. Ich gebe zu: ich bin seit Jahren im Kleinbild sehr Nikon-affin, was aber nicht bedeutet, dass ich nur mit Nikon photographiere. Im Gegenteil, ich photographiere vor allem im Mittelformat mit zwei Rollei SL 66 (SE), einer Mamiya RZ67Pro II und im Großformat mit Linhof und Plaubel. Großformat dann, wenn ich Landschaften aller Art festhalten möchte.

Warum dann eine digitale Kleinbildkamera? Warum überhaupt Digital?

Die digitale Photographie hat in den letzten Jahren einen beeindruckenden Aufschwung genommen und hat die konventionelle Photographie, die Photographie mit Film, überholt. Der Grund ist nicht nur die stetige Verbesserung der Aufnahmesensoren, sondern auch die oft vorhandene Notwendigkeit, Bildinformationen praktisch sofort weiterverarbeiten und publizieren zu müssen, um mit der schnelllebigen Gesellschaft mitzuhalten.

Werbung etwa, früher für einen Zeitraum von vielen Monaten bis zu einem Jahr konzipiert, wird heute oft nur für wenige Tage oder Wochen produziert, um dann von neuer visueller Information abgelöst zu werden.

Die Liste digitaler Anwendungsbereiche ist lang und komplex und daher haben die führenden Kamerahersteller auch eine Reihe von Kameras entwickelt, die praktisch alle Anwendungsgebiete abdecken können. Die Nikon D700 passt nach meiner Meinung zum oberen Segment anspruchsvoller Photographen, die aber nicht schnellste Bildfolge und praktisch unbegrenzte Verfügbarkeit brauchen – Qualität ist wichtiger als maximale Schnelligkeit (dabei sind 5 bzw. 8 Bilder pro Sekunde ja nicht gerade langsam).

Gehäuse, Verschluss und Sucher

Die D700 ist kleiner als die Nikon D3 (außer man verwendet den optionalen Batterieansatz, der dann 8 B/s ermöglicht), leichter (etwa 250 Gramm leichter), und nur wenig größer als die D300, was vor allem dem Sucher geschuldet ist, der ja größer ist, weil die D700 einen Vollformatsensor hat und nicht wie die D300 den kleineren DX-Sensor. Der Größenunterschied zwischen D3 und D700 ist in der Produktaufnahme von Nikon gut erkennbar – wenn man allerdings das Batterieteil an die D700 ansetzt ist er praktisch hinfällig.
 

D700 (links) und D3 im Vergleich

 
Der Verschluss – nun ja, er ist nicht für 300.000 Aufnahmen ausgelegt, sondern für 150.000 Aufnahmen. Doch ist das ein Problem? Ich denke nicht. Sofern man 300 Aufnahmen pro Tag macht, ist die Kamera nach 1 1/2 Jahren wahrscheinlich reif für den Service – doch wer macht 300 Aufnahmen jeden Tag an 365 Tagen – die angepeilte Käuferschicht sicher nicht. Sie können leicht selbst ausrechnen, wie lange der Verschluss der D700 bei Ihrem Fotografieraufkommen mindestens halten wird.

Und wie sieht es mit dem Zeitablauf des Verschlusses aus? Schnell ist er – 4/100 Sekunden Auslöseverzögerung und 0,12 Sekunden Verzögerung beim Einschalten – das ist kaum merklich. Die D700 erzeugt ein hörbares Auslösergeräusch, das ist aber leise; die Vibration bleiben durchaus erträglich und im Rahmen des normalen Verhaltens eines Schwingspiegels. Außerdem kann man ja den Spiegel vorauslösen, was ich bei auflösungskritischen Aufnahmen fast immer mache.

Foto der Rückseite der Nikon D700

Der Sucher der D700, um mit einem der wichtigen Details fortzufahren, ist groß, hell und informativ, ohne überladen zu sein. Alle wichtigen Daten sind lesbar und vorhanden. Hier spielt der Vollformatsensor seine Vorzüge aus – für mich einer der Aspekte, warum ich Vollformatkameras den DX-Kameras vorziehe. Der Sucher zeigt etwa 95% des aufgenommenen Bildes, was das Umlenkprisma etwas kleiner als das der D3 macht, aber die fehlenden 5%, des Bildrandes – naja, die hätte ich schon recht gerne. Doch man kann auf Liveview umschalten, wenn das kritisch ist. 95% sind zwar „normal“ bei den meisten SLR-Kameras, aber die 99,5% einer D3 und D300 sind schon recht fein. Genau das, was man sieht, bekommt man auch.

Wenn man DX-Objektive, die für den kleineren Sensor also, verwendet, schaltet die Sucherfeldautomatik ein passendes Rechteck als Maske ein (bei der D3 ist es eine abschattende Vollmaske) und man sieht das kleinere Bildfeld – sehr praktisch!

Nur das 5:4 Formatverhältnis, das die D3 bietet, das hat die D300 (noch) nicht – dieses 5:4 ist für mich sehr attraktiv, da ich es gut für Portraits verwenden kann und es auch dem 4×5-Verhältnis einer Großbildkamera entspricht. Das 4:6 Verhältnis von 24×36 ist für Landschaftsaufnahmen oft eine bessere Wahl, aber nicht alles, was man aufnimmt, sind Landschaften.

Der Monitor auf der Rückseite – in Qualität und Größe dem der D3 gleichend – ist groß, hell und genau genug, um einige Vorentscheidungen, die Aufnahmequalität betreffend, fällen zu können.

Die „Live-View“-Funktion, die es ja erstmals bei der D3 / D300 gab, kann man nun mit dem künstlichen Horizont überlagern – ganz nett, nur nicht exakt genug, um die Kamera wirklich genau horizontal auszurichten – aber sicher für viele eine wertvolle Hilfe. Ich brauche den künstlichen Horizont nicht – er ist ja wie bei der D3 auch nur horizontal vorhanden, nicht aber für vertikale Aufnahmen, was vielleicht noch ein attraktives Hilfsmittel wäre.
 

Foto

Links: Virtueller bzw. künstlicher Horizont; rechts: LiveView einer Szene

 
Live-View ist recht nett, für mich aber durch den sehr hellen Sucher seltener interessant – nur in Fällen, wenn es wirklich auf den ganz genauen Bildausschnitt ankommt. Wie bereits erwähnt, zeigt die D700 ja nicht 100% des Bildes, sondern die üblichen 95%.

Die Bedienelemente sind praktisch exakt so wie bei der D300 angeordnet, da ist kaum ein Unterschied. Der Verschluss des Suchers (links des Suchereinblicks zu erkennen) ist wichtig – die Belichtungsmessung wird von Licht, das durch den Sucher fällt (z.B. bei der Arbeit vom Stativ), beeinflusst – bei durchschnittlich hellem Motiv um immerhin 1-2 Blendenstufen.

Ein nettes Feature, wie ich finde, ist der spezielle „Fn“-Druckknopf auf der rechten vorderen Seite, dem man irgendeine der vielen Funktionen zuordnen kann – ich habe diese Taste mit der Reihenbelichtungsfunktion belegt (nachdem ich diese lange gesucht hatte und dann endlich mit Hilfe des Nikon-Kundendienstes unter mehreren Lagen von Menüeinträgen verborgen fand).

Foto der Nikon D700

Die D700 hat auch wie die D300, einen eingebauten Blitz – nicht, dass dieser einen kraftvollen Aufsteckblitz ersetzen kann und will. Aber er ist gut – gut genug, um für viele Fälle als ausreichender Aufhellblitz zu fungieren. Wie alle diesen eingebauten Blitze schattet auch er (wie auch der der D300) den unteren Bildrand ab, sofern Objektive / Sonnenblenden großen Durchmessers benutzt werden – da ist der Abstand des Blitzes von der optischen Achse einfach zu gering. (Der ebenfalls neue Aufsteckblitz Speedlight SB-900 hat viele attraktive Eigenschaften und ist eine sehr interessante Ergänzung zur D700, nur leider nicht billig.)

Die Speicherung der Bilder ist auf eine einzige CompactFlash-Speicherkarte beschränkt (35 MB/sec Auslesegeschwindigkeit – schnelle Karten verwenden!) – ein Zugeständnis an die „nur“ semiprofessionelle Kundengruppe. Das simultane Backup wie bei einer D3 ist hier nicht möglich. Die CF-Karten sind allerdings sehr robust, und der eine Slot sollte nun wirklich fast immer reichen. Ich habe mit einer 4-GB-CF Karte gearbeitet, und auf dieser kann man 201 Aufnahmen im RAW-Format speichern – nicht genug für einen Sportreporter (sollte der wider Erwarten im RAW-Format und nicht im speichersparenderen und schneller speichernden JPEG-Format arbeiten), aber genug für fast alle anderen Anwender, finde ich. Außerdem gibt es ja noch 8-GB und 16-GB-Karten.

Gibt es bislang etwas, was ich an dieser Kamera nicht so schätze? Ja, zwei Dinge: Erstens die nur 95% Sucherinhalt und zweitens den etwas klein geratenen Akku angesichts so vieler visualisierender Funktionen, mit denen man auch gerne spielt und die alle Strom verbrauchen (dafür kann man aber das Batterieteil anschließen, das die Kamera aber wieder größer und schwerer macht).

Ein wenig Bedenken habe ich bei der einfachen Gummiabdeckung auf der linken Seite, die u.a. den Anschluss für das USB-Kabel abdeckt – sie schließt zwar ordentlich, ich denke aber, dass sie bei oftmaliger Betätigung nicht sehr lange geschlossen hält – der Schließmechanismus erscheint mir zu fragil.

Sensor und Empfindlichkeit

Die D700 bietet 12,05 Millionen Pixel auf 23,9×36 mm CMOS-Sensorfläche – genug, um die Aufnahmen auf A0 zu printen und dann aus „normalem“ Abstand zu betrachten. Die Empfindlichkeit ist, wie bei der D3, zwischen ISO 200 – 6400 einstellbar; mit Erweiterung nach unten auf ISO 100 und nach oben hin bis zu ISO 25600.

Wie bei der D3 sehe ich keinen nennenswerten Unterschied zwischen ISO 200 und 100 und im höheren Empfindlichkeitsbereich wird das Rauschen erst ab ISO 6400 aufwärts bemerkenswert. ISO 6400 ist als hohe Empfindlichkeit noch in Ordnung, das sichtbare Rauschen durchaus akzeptabel – damit hebt sich die D700 (und die D3) von den heute erhältlichen vergleichbaren Kameras deutlich ab und zeigt einen sehr attraktiven Wettbewerbsvorteil.

Was die D700 der D3 voraus hat, ist ein Vibrationssystem zum Abschütteln von Staubpartikeln vom Sensor – ich glaube, das wird genauso wenig toll sein, wie die vielen anderen Systeme, die bereits am Markt sind, aber es war wohl ein notwendiges Marketingfeature gegen die Hauptkonkurrenz Canon. Besser als alle Abschüttelmechanismen ist ein einfacher Staubblaser, ein Balg mit Düse vorne: billig und wirksam.

Rauschen (bei hohen ISO Werten) ist ein weiteres Merkmal von Digitalkameras: Hier soll ja auch die D700 die hervorragenden Algorithmen der D3 übernommen haben. Also habe ich die gleichen Tests, wie ich sie mit der D3 gemacht hatte, auch mit der D700 gemacht, um zu sehen, was passiert. Ich möchte nicht verheimlichen, dass es in der Nacht regnete, in der ich die Aufnahmen machte, und daher die Kontraste höher und die Häuserfassaden dunkler sind.
 

Foto - Empfindlichkeitsvergleich D700 und D3

Empfindlichkeitsvergleich D3 (links) und D700

 
Nicht ganz die D3 bei den ganz hohen ISO-Einstellungen. Ist das ein kleiner Kompromiss von Nikon oder haben der Regen und die damit etwas dunkleren Hausfronten doch so einen bedeutenden Einfluss? Wenn ich wieder Gelegenheit habe, die D700 zu bekommen, werde ich diesen Test wiederholen, da mich das wirklich interessiert! Was ich aus der gesamten Aufnahmereihe von über zwei Dutzend Aufnahmen sehe, ist, dass die D700 bis inklusive ISO 6400 gleich ausgezeichnet ist wie die D3, bei den beiden höchsten Stufen, ISO 12800 und 25600 jedoch erscheint mir, zumindest im Augenblick, die D3 der D700 leicht überlegen. Das mag sich als falsch erweisen, ist aber das das, was ich im Augenblick sagen kann.

Theoretische Auflösung und Ausgabegröße

Was mich als leidenschaftlichen „Hochauflösungsfreak“ immer interessiert, ist die Frage nach der Auflösung der Aufnahmen. Ich möchte keinen weiteren Beitrag zu der leidigen Diskussion um Megapixel beisteuern, ich möchte nur ein paar Überlegungen anstellen, um zu untersuchen, wie sich die 12 Megapixel auf Vollformat zeigen, und wie nicht.

Die Pixelgröße ist 8,4 Mikron wie bei der D3 – im Vergleich dazu hat die D300 bei einem Format von 23,6×15,8 mm 12,3 Megapixel, die daher viel kleiner sind – das bedeutet, wie bestens bekannt, mehr Rauschen, weniger eingefangene Photonen etc.

Ein Druck in bester Photoqualität sollte etwa 300 dpi (dots per inch; Punkte pro Zoll) haben, bei einer Größe von 10 inch sollten es also 3000 „dots“ sein. Die D700 erzeugt eine Bilddatei mit etwa 4250 x2800 Pixeln. Ohne Interpolation kann bei dieser Pixelzahl theoretisch eine Aufnahme bis zur Größe 9,5×14 inch – etwa A4 – gedruckt werden. Nun darf man aber die normale Auflösung eines durchschnittlichen menschlichen Auges nicht vernachlässigen: das sind etwa 6-7 lp/mm bei der Normdistanz von 25 cm, also etwa 150-180 lp/inch. Wenn man dann noch eine verlustarme Skalierung der digitalen Aufnahme mit 50% Vergrößerungsfaktor zulässt, so kommt man ohne Weiteres und ohne visuell feststellbare Qualitätseinbußen auf eine „erlaubte“ Druckgröße von rund A3+. Diese Größe ist aber nicht mehr für eine Betrachtung im „Normalabstand“ von etwa 25 cm gedacht – üblicherweise betrachtet man ein A3+ aus mindestens der doppelten Entfernung, wenn nicht noch mehr.

Unter diesen Umständen können Aufnahmen der D700 also getrost auf etwa A2 bis A1 vergrößert werden und das sollte doch für diesen Kundenkreis wirklich reichen. Auch wenn Aufnahmen kommerziell gedruckt werden, gehen die vielen feinen Details, die vielleicht noch in einem Inkjet-Einzeldruck sichtbar sind, im feinen Raster des Drucks unter (Ausnahme natürlich die hochqualitativen Kunstdrucke. Aber dafür würde ich auch keine D700 verwenden, außer ich setze die finale Aufnahme aus einzelnen Teilaufnahmen zusammen, wie ich es bereits mit einer D2x gemacht habe).

Bei solchen Anforderungen würde ich Ihnen eine Hasselblad H3DII-50 mit dem neuen 50-Megapixel-Sensor empfehlen oder, noch besser, eine gute alte Großformatkamera mit nachfolgendem Scan der Aufnahmen – pro Scan zwischen 1 GB und 3 GB – damit können Sie dann Wände tapezieren!

Auflösungstarget ISO 12233

Praktische Auflösung

Auflösung, ein immer interessantes Thema – da ist natürlich auch für mich interessant gewesen zu sehen, wie sich die D700 im Vergleich zur D3 verhält. Eigentlich sollte es ja keinen Unterschied geben, da die gesamte Aufnahmeelektronik und der Sensor von der D3 übernommen wurden. Daher photographierte ich sowohl das Auflösungstarget ISO 12233 (rechts) als auch den Siemensstern. Als Objektiv habe ich das 2,8/60 mm AF Makro von Nikon verwendet, eine hervorragend korrigierte Festbrennweite. Die Aufnahmen wurden von RAW in TIFF umgewandelt (in Capture NX2) und dann im Programm IMATEST ausgewertet, beginnend mit der Standardeinstellung ab Werk, Schärfungsstufe 2. Es ist sehr erfreulich, zu sehen, dass diese Standardeinstellung ziemlich genau die optimale Einstellung trifft – kaum Undersharpening, kaum ein Overshooting und die Auflösung von etwa 2250 LW/PH ist ordentlich und entspricht den Erwartungen an einen 12-Megapixel-Sensor bei Vollformat.
 

Chart D700; Schärfung 2

 
Zur Bestätigung der Tatsache, dass die Schärfung einen wesentlichen Einfluss auf die Modulationstransferfunktion (MTF) hat, hier die Stellung mit keiner Schärfung – also in Nulstellung an der D700:
 

Chart D700; Schärfung 0

 
Wie zu erwarten war, ist die MTF deutlich geringer. Im folgenden Beispiel wurde die Schärfung sichtlich verstärkt – hier Stellung 5 der Schärfungsskala der D700:
 

Chart D700; Schärfung

 
Bereits am eingeblendeten Ausschnitt (Crop; rechts oben) kann man das Überschwingen an der Kante erkennen, ein Effekt, der in einem Bild dann als Konturierung einer dunklen Grenzlinie auftritt – helle Ränder, die die dunkle Grenze umgeben.

Es ist deshalb immer wichtig, alle MTF Angaben mit Vorsicht zu genießen. Wenn nicht angegeben ist, bei welcher Bildschärfung und unter welchen anderen optischen Bedingungen die Aufnahmen gemacht wurden, so sind diese kaum oder gar nicht vergleichbar und wenig aussagekräftig – ein Fehler, der immer wieder in vielen Tests auch angesehener Fachpublikationen gemacht wird.

Eine weitere Methode, die MTF einer Kamera zu messen, ist die Aufnahme eines modulierten Siemenssterns. Es gibt dazu eine lange Liste von entsprechender Literatur und ich empfehle dem Interessenten, diese zu lesen, falls die Frage aufkommt: Warum ist der Stern moduliert und nicht nur rein schwarz-weiß und wieso ist diese Anordnung genauer und richtiger?

Jedenfalls sind die so erhaltenen Resultate sehr ähnlich denjenigen, die man mit der „slanted edge“-Methode erhält – hier zum Vergleich nur eines meiner vielen Ergebnisse – wieder mit der Schärfungsstufe 2 bei Blende 8 und ISO 200 in Adobe RGB – bitte beachten Sie: die Ergebnisse sind in Linienpaare/Bildhöhe dargestellt, was die halben Werte der sonst so oft genommenen Werte LW/PH (Linien/Bildhöhe) ergibt:
 

Grafik in Linienpaaren/Bildhöhe

 
Die Darstellung dieser Auswertung in der in vielen Zeitschriften üblichen Form von LW/PH ergibt die bereits vorher errechneten Werte von etwa 2500 bei MTF20 ohne Korrekturen. Viel realistischer ist es aber, die Werte bei MTF50 (also derjenigen MTF, wo die Kontrastfunktion noch 50% Amplitude hat) heranzuziehen – dann ergibt sich eine MTF von etwa 2000 LW/PH. Diese Werte sind etwa denen gleich, die die D3 erreicht hat (siehe Nikon D3 – Nikon D2Xs / How much better is Nikon’s new flagship?).

Weißabgleich

Was sich nicht verbessert hat, ist der Weißabgleich – in der automatischen Funktion arbeitet er genauso wie bei der D3: solange die Lichtqualität eher „normal“ ist, gibt es wenig Probleme. „Normal“ meint hier Tageslicht mit etwas Sonne und ein paar Wolken. Ändert sich jedoch die Farbtemperatur, so wird es etwas komplex – die Farbwiedergabe ist manchmal akzeptabel, oft aber nicht sehr beeindruckend. Da hilft dann die halbmanuelle Festsetzung des Weißpunktes mit der WB-pre Funktion und einem Weißwabenfilter – dann passt alles wieder ziemlich gut. Hier bietet der D700 eine sehr umfangreiche Anzahl von Voreinstellungen, und auch die Möglichkeit, individuell auf fast alles, was Licht gibt, einzustellen.

Mit der eingebauten Farbabstimmungsmatrix kann man auch manuell die Farbqualität von Weiß optimieren und so z.B. auf Metallhalogenidlampen einstellen – dies geschieht, indem man den Weißpunkt entsprechend dem rot-grün-blau-gelb Anteil des Lichtes verschiebt (eine La*b* Farbmatrix simuliert).  Umfangreich, aber gut durchführbar, sind diese Einstellmöglichkeiten, nur wäre es doch recht schön, wenn zumindest die 3200K-Kunstlichtvoreinstellung der Automatik etwas präziser wäre. Aber offenbar kann man nicht alles haben. Hier sieht man, dass das Farbmanagement von der D3 übernommen wurde: es ist recht gut, aber nicht perfekt.
 

Verlgeich von automatischem und manuellem Weißabgleich der D700

Links: kalt-weißes Leuchtstofflampenlicht bei automatischem Weißabgleich; rechts: mit ExpoDisc neutralisiert

 
Bei verschiedenen Beleuchtungsarten sind die Resultate mit denen der D3 praktisch identisch. Hier zeige ich ein Beispiel, das zugegeben ein unangenehmes Licht darstellt: kaltweiße Leuchtstofflampen. Links das Resultat in der Stellung automatischer Weißabgleich, rechts die mit dem Weißwabenfilter ExpoDisc und der Option WB-pre entstandene Aufnahme, die ich als sehr gut brauchbar bezeichnen möchte.

Foto Georg N. Nyman

Natürlich sind solche Lichtverhältnisse weder Standard noch „normal“, aber ich wollte ausprobieren, ob die D700 das Farbmanagement der D3 übernommen hat oder ob in der Zwischenzeit Verbesserungen eingeflossen sind. Bei üblichen Lichtverhältnissen kommt die D700 wie die D3 mit der automatischen Festlegung des Weißpunktes gut zurecht – außerdem sollte man nicht vergessen, dass alle automatischen Systeme auf bestimmten Vorgaben beruhen, und dies sind normale, einfache und übliche Muster und Farbkombinationen von üblichen Motiven unter üblichen Lichtverhältnissen.

Was mir gefallen hat, ist die mögliche Feinjustierung der Farbtemperatur und des Neutralpunktes mittels einer Farbmatrixeinstellung – sicher nicht einfach zugänglich, aber wirkungsvoll, wenn richtig angewandt.

Was den automatischen Weißabgleich angeht, habe ich die Hoffnung schon längst aufgegeben, der ist eben so, wie er üblicherweise ist: nicht perfekt. So gibt es immer noch etwas, wo man ein wenig nachdenken und ein wenig Können besitzen muss; sonst würde ja nur mehr die Motivklingel mit automatischen Selbstauslöser fehlen …

Farbwiedergabe

Die Qualität der Farbwiedergabe, ein weiteres sehr wichtiges Kriterium, ist mit der D3 vergleichbar, vielleicht sogar eine Spur besser. Gleichfalls ein 14-Bit-A-D-Konverter und die von der D3 bekannte EXPEED-Bildverarbeitung bei 16 Bit Farbtiefe. Die Farben sind für eine digitale Spiegelreflexkamera dieses Formats einfach hervorragend, wenn auch nicht perfekt (keine Farbwiedergabe ist perfekt – das ist aber ein ganz anderes Thema).

12 Bit, 14 Bit, 16 Bit – all das sind schöne Schlagworte, aber wie gut ist die Farbwiedergabe der D700? Wie bei der D3, besser, weniger gut, anders? Der Colorchecker SG wurde mit verschiedenen Einstellungen hinsichtlich der Farbsättigung und des Farbtones photographiert und dann mit dem Programm IMATEST ausgewertet.
 

Grafik Farbraum - Adobe RGB in Neutralstellung

Farbraum – Adobe RGB in Neutralstellung, Farbsättigung 0, Farbton 0 – also alles mittig ohne Abschwächung oder Verstärkung, Normlicht 6500K, Auto WB

Was mit den Diagrammen (es gibt noch viele mehr: Nikon D700 – Das Alpha und Omega digitaler Kleinbildphotographie?) gezeigt werden kann, das ist die Veränderung der Farbwiedergabe der Kamera. Mit geänderten Einstellungen kann man Diafilme oder Farbnegativfilme und dazu noch die Farbwiedergabe einzelner Marken simulieren – nicht perfekt, aber dem nahe kommend.

Interessant ist aber, dass bestimmte Farben kaum verändert erscheinen – auch dann nicht, wenn andere Farben wiederum stark geändert dargestellt werden – der Grund liegt in der Nichtlinearität der CIE1931-Farbraumdarstellung. Die einzelnen Farbbereiche sind unterschiedlich in ihrer Ausdehnung und gleich bewertete Farbtonänderungen haben eine ganz unterschiedlich graphische Länge in diesem Diagramm – so z.B. ist eine groß erscheinende Positionsänderung im Grün subjektiv vergleichbar mit einer klein erscheinenden Positionsdifferenz im Bereich Blau/Rot (McAdam-Ellipsen).

Aus den Aufnahmen und Auswertungen lässt sich auch ableiten, dass die Nikon D700 im Hinblick auf die Farbwiedergabe sehr gut ist. Um dies noch einfacher zeigen zu können, wurde auch die Standard-Gretag-Macbeth-Farbtafel mit den 24 Quadranten unter gleichen Bedingungen photographiert. Hier die entsprechenden Ergebnisse, ebenfalls für die Einstellung Adobe RGB als Farbraum in Neutralstellung , „0“ Farbsättigung und „0“ Farbton.

Die erste Darstellung ist die Abweichung der aufgenommenen Farbe von der theoretisch richtigen Farbe und der vielfach verstärkte Neutralunterschied – ist zu soll von hellstem Wert bis dunkelstem Wert, die darauf folgenden zwei weiteren Charts sind Darstellungen von Rauschen, Dichte und Linearität und die letzte, wieder farbige, Darstellung ist die auf 24 Felder beruhende Darstellung der Farborte im CIE1931-Diagramm:
 

Grafik Georg N. Nyman

Grafik Georg N. Nyman

Grafik Georg N. Nyman

Grafik Georg N. Nyman

 
Am letzten Diagramm, der Darstellung der Farborte im CIE1931 Farbraum, kann man erkennen, dass das Delta E hier bei dem einfacheren Colorchecker auf Grund der wenigeren Farben etwas kleiner ist als bei dem viel mehr Farben darstellenden Colorchecker SG – zumindest ist diese Schlussfolgerung recht logisch und kann eine gute Erklärung für den deutlich geringeren Delta-E-Wert abgeben.

Nikon hat als voreingestellten Standardfarbraum nicht Adobe-RGB sondern Nikon-sRGB – wenn man die gleichen Aufnahmen in jenem Farbraum macht, so kommen erwartungsgemäß etwas andere Ergebnisse heraus – bitte beachten Sie, dass Adobe-RGB einen größeren Farbraum beschreibt als sRGB, daher werden farbliche Abweichungen durch die forcierte Verlagerung der Farborte in den sRGB Farbraum hinein etwas größer und die Kamera erscheint etwas weniger farbkonsistent als in AdobeRGB.

Eine weitere Möglichkeit, die mich interessiert hat, ist die Option, ein Bild entweder mit 12 Bit oder 14 Bit Farbinformation aufzunehmen. Ich habe daher das IT8.7 Testchart in beiden Modi bei Normlicht aufgenommen – die Unterschiede sind in den hier gezeigten und für die Veröffentlichung komprimierten Illustrationen nicht sichtbar. Selbst im Original sind nur kleinste Unterschiede in den hellen Bereichen geringer Farbsättigung zu erkennen (bei entsprechend kalibriertem Monitor). Spätestens im Ausdruck aber wird davon nichts mehr sichtbar sein.
 

Foto

Oben 14 Bit; unten 12 Bit Farbtiefe

 
Die zarten Pastelltöne zeigen vielleicht etwas mehr Zeichnung und bessere Tonverläufe. Was ich nicht sehen konnte, was jedoch zu erwarten gewesen wäre, ist eine bessere Durchzeichnung der dunklen Bereiche – bei 14 Bit sollte ja besonders die Schattenzeichung besser werden. Doch auch bei einem Vergleich der RAW-Aufnahmen (NEF) konnte ich keinen Unterschied in den dunkleren Bereichen feststellen, nicht am Monitor und auch nicht in Photoshop mit Pipette und Info.

Da ist noch mehr

Ich habe versucht, innerhalb der kurzen Zeit, die mir die Kamera zur Verfügung stand, einige Funktionen und Eigenschaften mit Bildmaterial zu belegen bzw. zu untersuchen, wie sie sich auf die Aufnahme auswirken.

Eine der Funktionen, die ich interessant fand, ist die Vignettierungsminderung. Sie soll die Randabschattung mindern, wie sie v.a. bei kompakt konstruierten, aber lichtstarken Telezooms und Weitwinkelobjektiven häufig anzutreffen ist. Da ich kein 2,8er Telezoom habe, habe ich ein 2,8er Ultraweitwinkel genommen – das 2,8/14-24 G-ED. Die Aufnahmen brachten folgendes Ergebnis: Die Abschattung wurde nicht gemindert, egal, welche Einstellung man gewählt hat:
 

Foto Georg N. Nyman

Vignettierungsminderung aus (oben) und maximal

 
Warum? Nun, ich wurde dahingehend informiert, dass dieses Feature nur dann beginnt zu wirken, wenn die Abschattung schon fast zur Abdunkelung der Bildecken führt. Es greift nicht bei leichten Abschattungen, die vielleicht 1-2 Blendenstufen ausmachen. Nun gut, ist mir auch recht, nur sollte das irgendwo deutlich stehen.

Die beiden Bildstreifen oben zeigen den Effekt (oder auch nicht ) der Vignettierungskorrektur an der Längsseite (von linker Bildecke zur rechten Bildecke) der Aufnahme – ein blauer Himmel, oben die VK ausgeschalten, die zweite, untere Aufnahme auf maximale Stärke: Praktisch kein Unterschied festzustellen.

Einen ähnlichen Effekt habe ich übrigens beim neuen SB-900-Blitz gefunden – der hat eine verstellbare Ausleuchtungseinstellung – von normal über eher eng auf weit – auch kaum ein Unterschied bei einer weißen Wand festzustellen.
 

Foto Georg N. Nyman

Neutral – Standard – Brillant

 
Ein gut sichtbarer Effekt tritt ein, wenn man die Farbsättigung, den Farbeindruck, ändert – es gibt drei vorprogrammierte Varianten, die man aber noch weiter verfeinern kann, wenn man möchte – Neutral, Standard und Brillant. Hier die Ergebnisse – deutlich und gut sichtbare Unterschiede – links neutral, in der Mitte standard und rechts davon brillant.

Fazit

Die Nikon D700 ist meiner Meinung nach eine hervorragende Kamera, die nur sehr wenige Punkte aufweist, die mir weniger gut gefallen. Viele Vorteile gegenüber der D3 – wie etwa das geringere Gewicht, die kleinere Gehäuseform, der fast halb so hohe Preis (zur Zeit der Veröffentlichung), die bequemere Handhabung (weil etwas „einfacher“ konzipiert) – wiegen die wenigen Punkte mehr als auf, die ich nicht so gerne mag, wie etwa den nicht 100% darstellenden optischen Sucher oder die ein wenig knapper konzipierte Akkuleistung.

So komme ich zur Ansicht: Wenn man eine Nikon möchte und die derzeit rund 2500 Euro aufbringen will und kann, dann sollte die D700 unbedingt die Kamera der Wahl sein. Oder anders gesagt: Die D700 ist meines Erachtens derzeit Nikons bestes Pferd im Stall.

(Georg N. Nyman)
 
 
Produktfotos von Nikon, sonstige Fotos und Grafiken von Georg N. Nyman.