Fotografie kann Zeitgeschichte dokumentieren, kann Anregungen für die Architektur geben, kann Stille und Poesie evozieren, kann politisch Brisantes zum Thema machen, kann der Natur Raum schaffen. All das kann Fotografie – und noch viel mehr. Wir schauen mal wieder in Bücher – und besuchen Ausstellungen:

 

Ulrich Mack, Köln, 23.6.1963

Ulrich Mack, Köln, 23.6.1963
 
 
Foto Ulrich Mack, Berlin, 26.6.1963

Ulrich Mack, Berlin, 26.6.1963

 
Fotografie ist Zeitgeschichte, ist Teil eines kollektiven Gedächtnisses. Im Hirmer-Verlag ist jetzt ein Buch mit Fotografien von Ulrich Mack erschienen, das an ein ganz besonderes Ereignis in der deutschen Geschichte erinnert. „Kennedy in Berlin“ heißt der Band, der von Hans-Michael Koetzle herausgegeben wurde. Zu sehen sind zumeist unveröffentlichte Bilder jenes Besuchs im Jahr 1963, bei dem Kennedy die berühmten Worte sagte: „Ich bin ein Berliner.“ Fotografisch ist die Schwarzweiß-Reportage des damals jungen Fotojournalisten Ulrich Mack ausgezeichnet – gerade in ihrem Blick auf das, was am Rande des Spektakels liegt. Im Original sind die Fotos der noch bis Anfang Mai 2013 in der Kölner Ausstellung „Ulrich Mack – Reporter“ zu sehen.
 

Foto Christian Höhn, Shenzen, 2012

Christian Höhn, Shenzen, 2012
 
 
Foto Christian Höhn, Beijing, 2012

Christian Höhn, Beijing, 2012

 
Die Architektur chinesischer Megacities ist das Thema eines Buchs des Nürnbergers Christian Höhn, der seit zehn Jahren die Metropolen der Welt fotografiert. Seine Großstadtkulissen sind monumental, zeigen Anonymität und Entfremdung. Für dieses Buch hat Höhn vor allem die Städte Peking, Shanghai, Chongqing, Hongkong, Shenzhen und Qingdao fotografiert.
 

Miroslav Tichý, ohne Titel, ohne Jahr    Miroslav Tichý, ohne Titel, ohne Jahr

Miroslav Tichý, ohne Titel, ohne Jahr
© Miroslav Tichý / Jana Hebnarová
Courtesy Courtesy L. & N. Kalischek / Courtesy Galerie Juli Susin

 
Die Architektur spielt gar keine Rolle im Werk von Miroslav Tichý, dessen Werk bis zum 26. Mai bei ZEPHYR – Raum für Fotografie in Mannheim gezeigt wird. Im Kehrer Verlag ist das Buch zur Ausstellung erschienen, das den im Jahr 2004 durch Harald Szeemann für die Kunstwelt entdeckten Fotografen umfassend vorstellt. Eine obsessive Position sind diese heimlich aufgenommenen Frauenbilder – entstanden über Jahre ausschließlich in seinem Heimatort in Südmähren. Der Band spürt auch der ungewöhnlichen Lebensgeschichte Tichýs nach.
 

Foto Hans-Christian Schink, Minamisanriku, Minamimachi, Miyagi-Prefecture

Hans-Christian Schink, Minamisanriku, Minamimachi, Miyagi-Prefecture
© Hans-Christian Schink, Courtesy Galerie Kicken Berlin und Galerie Rothamel Erfurt/Frankfurt

 
 
Foto Hans-Christian Schink, Ogatsucho-Mizuhama, Miyagi-Prefecture

Hans-Christian Schink, Ogatsucho-Mizuhama, Miyagi-Prefecture
© Hans-Christian Schink, Courtesy Galerie Kicken Berlin und Galerie Rothamel Erfurt/Frankfurt

 
Hans-Christian Schinks neues Buch „Tohoku“ nimmt uns mit nach Japan, wo er nach dem Tsunami in der Region Tohoku fotografiert hat. Es gelangen dem 1961 in Erfurt geborenen Fotografen hier Bilder, die berühren – stille Fotografien von Landschaften, welche die Auswirkungen der Naturkatastrophe nur selten unmittelbar, dafür aber sehr subtil zeigen.
 

Foto Mathias Bertram

 
 
Foto Mathias Bertram

Foto & Copyright Mathias Bertram

 
Subtilität ist auch die Sache von Mathias Bertram, dessen Buch „Galerie der Straße“ im Leipziger Verlag Lehmstedt erschienen ist – in gewohnt schlichter, feiner Ausstattung. „Galerie der Straße“ zeigt auf 96 Seiten, wie viel Poesie auf Straßen und Plätzen zu finden ist. Seine Fundstücke auf verwitterten Hauswänden, auf Verteiler-Kästen und Müllcontainern, faszinieren in Formen und Farben – sie lassen an abstrakte Malerei denken. Eine wunderbare fotografische Entdeckungsreise, die zum langsamen, ruhigen Betrachten einlädt. Ein anderer, sehr ruhig fotografierter Band ist „Verlassene Orte“ von Sarah Hildebrand. Die Schweizerin fotografiert verlassene Orte – auf der Suche nach den Menschen, die einst hier lebten.
 

Foto Robert Häusser, Eierkontrolle

Eierkontrolle
Robert Häusser, 1963
© Robert Häusser

 
Ein absolutes Muss ist die Ausstellung von Robert Häusser im Forum Internationale Photographie der Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim. Noch bis zum 12. Januar 2014 zeigt man hier „Im Auftrag… Fotografien aus Industrie und Handwerk“: die Auftragsarbeiten des 1924 in Stuttgart geborenen Wegbereiters der zeitgenössischen Fotografie. Wer es nicht nach Mannheim schafft: Die Publikation zur Ausstellung präsentiert 100 Arbeiten, die für verschiedene Industriebranchen und Berufsgenossenschaften entstanden sind.
 

Brandstifter

 
Ein wenig Trauer um die Vergänglichkeit umwölkt das Werk des in Mainz lebenden Künstlers Stefan Brand alias „Brandstifter“. Dieser hat jetzt das Buch „Asphaltbibliotheque“ veröffentlicht: gesammelte Dokumente aus seinem Fundzettel-Archiv in Bild und Text. Diese Antikunst, die in der Tradition von Fluxus oder NO!art steht, hat einen ganz besonderen Reiz, wie Martin Büsser geschrieben hat: „Die ›Asphaltbibliotheque‹ zeigt, wie poetisch und vielschichtig eine einfache Idee durch künstlerische Neuanordnung werden kann: Das an sich Banale wird durch die Neukombination des Künstlers zu einer Erzählung, die dem Alltäglichen den Reiz des Geheimnisvollen verleiht. Welche Menschen steckten hinter all diesen Texten? In welcher Beziehung stehen sie zueinander? Brandstifter versteht es, das Profane mit Poesie aufzuladen, und motiviert damit auf anarchisch verspielte Weise, die alltägliche Welt als frei gestaltbares Kunstwerk zu begreifen.“

(Marc Peschke)