Einfach mal den Moment genießen und sich eine Auszeit nehmen. Als Fotografin und anerkannte Psychotherapeutin weiß Annie Green-Armytage, wie wichtig es ist, sich um ihr geistiges Wohlbefinden zu kümmern, selbst wenn sie mitten in einem wichtigen Fototermin steckt. Darüber schreibt sie in ihrer Kolumne.
Nach mehr als 20 Jahren Auftragsfotografie gibt es immer noch Zeiten, in denen mir alles zu viel wird. Mein Gebiet sind Gärten und Pflanzen, und diese bringen ihre eigenen Herausforderungen mit sich. Neben den normalen Herausforderungen wie Bilddiebstahl im Internet, Ausrüstungsausfällen und Änderungen des Auftrags in letzter Minute müssen Gartenfotografen auch mit dem Wetter zurechtkommen. Regen und Wind sind nicht gut für die Gartenfotografie. Genauso wenig wie das Aufstehen um drei Uhr morgens, um dann in einem Garten einen grauen, trüben Tagesbeginn zu erleben, obwohl die Wetter-Apps einen goldenen Sonnenaufgang versprochen haben. In letzter Zeit spielt der Klimawandel eine immer größere Rolle bei der Unvorhersehbarkeit. In diesem Frühjahr zum Beispiel hat es in unserem normalerweise wüstentrockenen East Anglia sehr viel geregnet, was dazu führte, dass die Pflanzen abstarben.

Bee on Astrantia ‚Roma‘. Foto: Annie Green-Armytage. Fokussieren: Konzentrieren Sie sich auf das, was vor Ihnen liegt, schalten Sie alle negativen Stimmen in Ihrem Kopf aus, und verlieren Sie sich in der Gestaltung des Bilds. Rechte Seite, links unten RUHE In einem Zustand der Ruhe kann man oft verschiedene Winkel, Farbkombinationen und Details im Gefüge von Gegenständen der Gestaltung des Bilds.
Ein Moment Auszeit: Kolumne von Annie Green-Armytage
Zu akzeptieren, was Tatsache ist, anstatt meiner Wunschvorstellung nachzutrauern, ist der einzig hilfreiche Weg aus solchen Situationen. Die Akzeptanz von Ereignissen, die sich unserer Kontrolle entziehen, ist natürlich nicht auf die Fotografie beschränkt, und für mich als Kontrollfreak immer noch ein hartes Stück Arbeit. Wenn ich in einem Garten während der goldenen Stunde bin, besteht der größte Stress darin, die Aufnahmen zu machen, die benötigt werden, und dabei gegen den unaufhaltsamen Sonnenaufgang anzukämpfen bis zu dem Punkt, an dem das Licht zu hart oder zu flach wird. An diesem Punkt kann der Druck, die Bilder innerhalb des Zeitrahmens einzufangen, zu einer Spirale werden und mich in den Kampf-oder-Flucht-Modus versetzen. Historisch gesehen war dies ein notwendiger Schutz, um uns in Zeiten der Gefahr zu schützen – wenn sich ein Tiger oder ein Wollmammut näherte, mussten wir unseren Körper darauf vorbereiten, entweder zu kämpfen oder wie der Teufel zu rennen. Mein sympathisches Nervensystem arbeitet also auf Hochtouren, was meinen Herzschlag in die Höhe treibt, meinen Mund trocken werden lässt und mein Gehirn manchmal in eine Art Shutdown versetzt, was nicht gerade hilfreich ist. Die Bauchatmung ist dann meine Ausweichstrategie. Dazu gehört, einen Moment innezuhalten und sich meines Atems bewusst zu werden. Ich konzentriere mich darauf, schließe die Augen und atme sanft aus dem Bauch heraus ein und aus. Das dauert vielleicht 30 Sekunden – dann kann ich weitermachen. Ich kann mich auf das konzentrieren, was vor mir liegt, alle negativen oder panischen Stimmen in meinem Kopf ausblenden und mich in dem Moment verlieren, in dem ich das Bild mache.

Agapanthus africanus with Stipa tenuissima on the terrace next to the barn. Foto: Annie Green-Armytage. Ruhe: In einem Zustand der Ruhe kann man oft verschiedene Winkel, Farbkombinationen und Details im Gefüge von Gegenständen wahrnehmen.
Die andere Sache, die hilft, ist der kreative Prozess selbst. Egal wie das Wetter ist (abgesehen von einem biblischen Sturm), es gibt immer ein Bild, das man machen kann. Wenn ich meinen Geist öffne, kann der Prozess fließen: Ich fotografiere von einem Gebäude aus in den Garten hinein, verlangsame die Verschlusszeit, um Windbewegungen einzufangen oder nehme Makrofotos von Regentropfen auf. Am liebsten fotografiere ich in einem Garten, nachdem ich mit dem Gartenbesitzer gesprochen habe, um die Geschichte hinter seinem Garten zu erfahren. Das schafft eine tiefere Verbindung, und ich kann die Landschaft dann mit neuen Augen betrachten, wobei ich auch irgendwie den Druck von mir genommen habe. Ich bin ruhiger, und dieses Gefühl der Ruhe ermöglicht es mir, mehr und besser zu sehen. In diesem Zustand fallen mir oft Blickwinkel, Farbkombinationen oder zunächst unauffällige Details im Gefüge der Objekte auf. Ich kann mir Zeit nehmen und auf eine nachdenklichere und friedlichere Weise in die Arbeit eintauchen. Dann wird mir bewusst, wie glücklich ich mich schätzen kann, draußen in der Natur zu sein und das zu tun, was ich liebe.

View down the garden with the house on the left as the sun rises through the Spanish chestnut tree, Castanea sativa. Featuring Rosa ‘Graham Thomas’ as a standard in the centre of the herb border, and R. ‚Mme. Alfred Carriere‘ in the left hand border. Also including Alchemilla mollis, various sages, Salvia cvs, golden marjoram, chives, and artichokes. Story Time: Am liebsten fotografiert Green-Armytage einen Garten, nachdem sie mit dem Besitzer gesprochen hat, um die Geschichte hinter seinem Garten zu erfahren. Foto: Annie Green-Armytage
Tipps für den kreativen Prozess
- Mit dem Stativ: Nehmen Sie ihre Kamera auf ein stativ, nicht nur für Langzeitbelichtungen. Das macht die Arbeit langsamer, aber durchdachter.
- Gedanken ziehen lassen: Wenn Ihr Gehirn zu arbeiten beginnt – sei es, dass es Ihnen sagt, Wie schlecht Sie sind, oder dass Sie sich fragen, was Ihre Fotofreunde von dieser Aufnahme halten werden -, nehmen Sie den Gedanken wahr, und stellen Sie fest, dass es nur Ihr Gehirn ist, das sich Geschichten ausdenkt.
- Nehmen Sie sich einen Moment Zeit: Seien Sie an dem Ort, an dem Sie fotografieren, schauen Sie sich um, und genießen Sie den Moment, an dem Sie sich befinden und das tun, was Sie mit Leidenschaft tun.

Primula auricula ‚Brookfield‘. In der Natur: Nehmen Sie sich Zeit und vertiefen Sie sich in die Arbeit. Machen Sie sich bewusst, wie glücklich Sie sind, draußen in der Natur zu sein. Foto: Annie Green-Armytage
Über die Fotografin Annie Green-Armytage
Annie Green-Armytage ist eine preisgekrönte Gartenfotografin und Autorin, die regelmäßig in Büchern und Magazinen weltweit veröffentlicht. In letzter Zeit hat sie ihre Arbeit in der Reise- und Straßenfotografie weiterentwickelt. Derzeit befindet sie sich auf ihrer ersten fotografischen Solo-Bahnreise durch Europa. Sie interessiert sich sehr für Klimapolitik, Rewilding und die Verbindung zwischen psychischer Gesundheit und Naturräumen. Außerdem ist sie anerkannte Psychotherapeutin.
Weitere Informationen auf ihrer Webseite www.anniegaphotography.co.uk und auf Instagram: @anniegaphoto
