Infrarotstrahlung wird auch Wärmestrahlung genannt und ist allgegenwärtig, zum Beispiel in der Sonnenstrahlung. Nikon-Fotograf Holger Arndt berichtet von seinen Erfahrungen mit der Nachmittagssonne im Süden Kretas, um das Unsichtbare sichtbar zu machen.
Die Sonne scheint noch kräftig am Nachmittag über Kretas Süden. Die Landschaft ist hier schroffer, der Bewuchs wird spärlicher. Ein makelloser blauer Himmel erstreckt sich über das weite Meer. Das ist die Landschaft, in der Holger Arndt und Berta, das ist seine Nikon D90, ihrer Leidenschaft nachgehen. Etwas abseits der Küste, den Blick auf einen trockenen Hain gerichtet, nimmt er dort Bilder auf. Doch diese Bilder zeigen am Ende keine blühende Landschaft, keine satten grünen Bäume, sondern eine mystische und befremdliche Welt, die direkt auf einem anderen Planeten sein könnte. Holger Arndt ist Infrarotfotograf, seine Nikon D90 ist zu diesem Zweck extra umgebaut worden. Zusammen erschaffen die beiden abstrakte Kunstwerke, die den Betrachter ins Staunen versetzen. Kreta ist Arndts Lieblingsspielplatz. Die Landschaft und die kräftigen Farben sind auch ohne Infrarot-Ausrüstung ein grandioses Motiv. Die Entscheidung, tiefer in dieses Genre einzusteigen und den teilweise schwierigen Weg zu gehen, bereut er nicht.

Rot ist überall: Bei der Infrarotfotografie werden die unsichtbaren Farbspektren sichtbar gemacht. Foto: Holger Arndt
Infrarotfotografie von Holger Arndt: Das Unsichtbare zeigen
Um aus einem normalen Bild eine Infrarotaufnahme zu machen, sind einige Schritte nötig. Es gibt trotz aller technischen Entwicklungen, KI-Systeme und Presets in der Bildbearbeitung keine „einfache Lösung“. Doch was macht Infrarotfotografie so besonders? Der Bereich des menschlichen Sehens liegt bei 700 bis 1.200 Nanometer. Infrarot ist ganz unten und tiefer angesiedelt. Und es gibt noch ein Problem: Jede Kamera ist herstellerseitig gegen Infrarotlicht abgeschirmt. Um diesen Bereich überhaupt sichtbar zu machen, brauchen Sie also Hilfsmittel. Seit seiner Entdeckung 1910 durch Robert Wood gab es keine Chance, den Infrarotlichtbereich auf Film festzuhalten. So entwickelte sich der Infrarotfilm für analoge Kameras. Besonders während der Weltkriege wurde die Technik weiterentwickelt. Für digitale Kameras gibt es zwei Möglichkeiten, das Infrarotspektrum sichtbar zu machen. Die erste Methode ist ein Aufschraubfilter. Diese gibt es, wie normale ND-Filter in verschiedenen Stärken und unterschiedlichen Gewinden. Hier kommt noch der Nanometerbereich hinzu, in dem sie wirken. Besonders Grün, umgangssprachlich: „alles, was Photosynthese betreibt“, wird in den Spektren anders dar- gestellt. Der Schraubfilter bringt allerdings den Nachteil mit sich, dass Sie längere Verschlusszeiten wählen müssen, ermöglicht aber den unkomplizierten Einstieg. Auch Holger Arndt begann damit: „Es ging dann letztes Jahr mit einem 720nm-Schraubfilter los. Allerdings nervten mich dann ziemlich schnell die langen Belichtungszeiten, die man durch den Schraubfilter hat. Vier Sekunden und mehr waren da eigentlich immer Standard.“

Eine fremde Welt: Mit angepasstem Farbkanal erscheint das Motiv, als wäre es auf einer anderen Welt. Foto: Holger Arndt
Bildgewaltig umgesetzt
Die andere Möglichkeit ist der Umbau der Kamera. Das muss von einer Fachfirma erledigt werden. Dort wird der Infrarotfilter in der Kamera entfernt. Danach ist sie auch nur noch dafür zu gebrauchen. Ein harter Schritt, der sich aber durchaus lohnen kann, wie auch Arndt sagt: „Der Entschluss war definitiv eine gute Entscheidung für mich, und so hat die alte D90 neben der D7100 (Berta-Claudetta) und einer D500 (Berta-Gudrun) noch ein zweites Leben bekommen. Die normalen Belichtungszeiten wiederzuhaben, ist einfach großartig.“ Er ließ die Nikon auf 550nm umbauen. Der Look dieses Bereichs, von Enthusiasten nach dem alten Analogfilm „Kodak-Aerochrome“ genannt, begeistert ihn einfach. An seinem Nikonfuhrpark schätzt der Fotograf vor allem die Haptik und die intuitive Bedienung. Da er die Möglichkeit hatte, eine zuverlässige und funktionstüchtige Kamera weiter in Betrieb zu halten, musste er nur ein neues Problem bewältigen. „So hingen also meist zwei Kameras auf Kreta um meinen Hals.“ Ob per Aufschraubfilter oder nach dem Umbau, die Arbeit ist damit längst nicht vorbei. Das Bild, das aus der Kamera kommt, hat noch nichts mit dem typischen Look der Infrarotbilder zu tun. Eine recht aufwendige Bearbeitung steht den RAW-Dateien jetzt bevor. Am Anfang steht der Weißabgleich. Dieser ist besonders wichtig und muss jeweils von Bild zu Bild manuell angepasst werden. Der Wert richtet sich nach dem hellsten Grünton und kann von –72 bis 2200 reichen. Anschließend ist ein Programm wie Photoshop notwendig, das Farbkanäle vertauschen kann. Hier müssen der Rot- und der Blaukanal vertauscht werden. Danach folgen Anpassungen in der Gradationskurve und anderen Elementen, bis der gewünschte Look erreicht ist. Der Weg zum fertigen Bild bedeutet viel Experimentieren. Ein reger Erfahrungsaustausch befeuert die Kreativität derer, die uns in diese Welten eintauchen lassen.



