Im Interview sprechen wir mit dem Fotografen und Künstler Greg Oakley, der seine langjährige Vogelfotografie mit eigens inszenierten Stillleben kombiniert hat, um das goldene Zeitalter der viktorianischen Illustratoren des 19. Jahrhunderts neu aufleben zu lassen.
Greg Oakley hat einen ganz eigenen Zugang zur Darstellung von Vögeln gefunden. Inspiriert von dem berühmten viktorianischen Vogelillustrator John Gould, nutzt Oakley die Fotografie, um hyperrealistische Vogelkunstwerke zu schaffen, die den Charakter der Tiere einfangen. Viele seiner Aufnahmen hat er in dem Buch Hommage to the Bird kombiniert, das farbenfrohe und einzigartige Darstellungen heimischer australischer und südostasiatischer Vögel enthält. Wir sprechen mit dem Fotokünstler über seine Fotografie, seine Inspiration und wie die Vogelbilder entstehen.

Stutzschnabel, Smicrornis brevirostris. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley
Interview mit Greg Oakley zu „Homage to the Bird“
Wie sind Sie zur Fotografie gekommen?
Vögel und die Natur haben mich schon immer fasziniert. Vor etwa 15 Jahren fing ich an, Vögel zu fotografieren–mit einer Fujifilm-Digitalkamera, die gerade mal 5 MB Speicher hatte. Es hat mir einfach Spaß gemacht, Dinge zu fotografieren, die ich in der Natur gerne beobachtet habe. Mit der Zeit habe ich meine Ausrüstung aufgerüstet und wurde auch besser darin, Vögel zu fotografieren. Vor etwa sieben Jahren kam dann der Punkt, an dem ich meine Fotografie mit einem künstlerischen Ansatz verbinden wollte. Ich wollte bewusst nicht mehr nur als Vogelfotograf wahrgenommen werden, sondern als Vogel-Künstler – aber im digitalen Bereich. Das fand ich spannend, weil viele Leute Vögel malen oder zeichnen, aber nur wenige digitale Illustrationen von ihnen machen. Ich hatte schon ein riesiges Archiv mit Vogelfotos – abertausende Bilder, die meisten in der freien Natur aufgenommen. Dafür habe ich fast immer ein Teleobjektiv genutzt, ein Nikon 300 mm f/2,8G ED VR, oft mit Telekonverter. Dieses Objektiv liefert unglaublich scharfe und klare Bilder. In Kombination mit meiner Nikon D850 konnte ich so nah heran, dass die Details super erhalten bleiben.
Ich habe mich zudem schon immer für historische Vogelmaler begeistert. John Gould ist ein großes Vorbild für mich. Ich wollte den Stil und das Gefühl seiner Werke einfangen, aber auf eine moderne Weise. Künstler wie Gould oder John James Audubon haben Vögel gemalt und sie in idealisierten, fast überrealistischen Szenen dargestellt. Das wollte ich digital umsetzen. Also habe ich angefangen, Vögel im Busch zu fotografieren. Ich hatte aber keine fertigen Sitzstangen, also habe ich Stunden im Busch verbracht, um Sitzstangen aufzubauen, und habe Vogelrufe, Wasser oder Futter genutzt, um die Vögel darauf zu locken. Das ist extrem zeitaufwendig. Man sitzt drei Stunden im Versteck und hat vielleicht fünf Sekunden, in denen ein Vogel auftaucht – wenn überhaupt. An manchen Tagen sieht man gar nichts.
Irgendwann habe ich beschlossen, mein großes Archiv an Vogelfotos zu nutzen und die Sitzstangen separat im Studio zu fotografieren. Ich suche dann Pflanzen aus, die zu einem bestimmten Vogel passen – das ist vor allem eine ästhetische Entscheidung. Der Vogel soll gut auf der Stange wirken. Manchmal klappt das auf Anhieb, manchmal nicht. Die Bilder sind ja wirklich gestaltet: Ich mache eine grobe Skizze davon, wie das Bild aussehen soll, und suche dann nach der passenden Pflanze. Das ist oft schwieriger, als es klingt, weil manche Pflanzen nur zu bestimmten Jahreszeiten blühen. Inzwischen habe ich mir auch eine ziemlich große Fotosammlung von blühenden Pflanzen aufgebaut. Dann gestalte ich das Bild und setze alles digital zusammen. So entstehen die Kunstwerke. Die Vögel werden in idealisierten Posen gezeigt. Oft sieht ein Vogel in der Realität gar nicht so aus. Ich kombiniere dafür fünf bis zehn Aufnahmen in verschiedenen Posen. Was man im Buch sieht, ist dann häufig eine Mischung aus diesen Bildern. Manchmal fehlen noch Teile, die ich ergänzen muss. Man kann nicht fünf Bilder zusammensetzen und erwarten, dass alles passt. Da muss ich dann digitale Malerei einsetzen, um alles nahtlos zusammenzufügen. Das ist ein aufwendiger Prozess.

Singsittich, Psephotus haematonotus. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley
Aber die Vogelporträts im Buch basieren alle auf realen Fotos?
Nicht ganz. Es sind neu geschaffene Kunstwerke, die auf Fotos basieren, die ich vor Jahren gemacht habe. Ich füge den Vogel in das Bild ein, ebenso die Pflanze. Es sieht also kaum noch aus wie die ursprüngliche Aufnahme. Wenn man einen Vogel auf einem Ast sieht, saß er in Wirklichkeit nie auf genau diesem Ast – vielleicht hat er sogar in eine andere Richtung geschaut. Ich benutze auch Blitzlicht. Für diese Bildserie wollte ich unbedingt einen flachen Look schaffen, ähnlich wie die historischen Künstler. Ihre Werke wirken hyperreal und zugleich unrealistisch, da sie ohne Schatten auskommen. Deshalb habe ich absichtlich einen Speedlight-Blitz verwendet, um die Farben des Vogels zu „glätten“.
Wann kam die Idee, aus der Bildserie ein Buch zu machen?
Ich war etwa zur Hälfte mit der Serie fertig, als ich dachte, dass sie sich gut in einem Buch machen würde. Viele befreundete Künstler und Leute aus der Verlagswelt, die ich kannte, sagten, die Werke würden sich perfekt für ein Coffee-Table-Book eignen. Aber ich hatte nicht das Budget, um ein Buch selbst zu veröffentlichen – das hätte Tausende Dollar gekostet. Also habe ich Verlage weltweit kontaktiert und ein paar Angebote erhalten. Zu dem Zeitpunkt war die Serie allerdings erst halb fertig.

Grünrücken-Nektarvogel, Cinnyris jugularis. Verbreitung: Australien, Südostasien. Foto: Greg Oakley
Den Eisvogel finden wir besonders stark. Können Sie uns sagen, wie diese Aufnahme entstanden ist?
Den Eisvogel habe ich vor Jahren an einem Flussufer fotografiert. Er ist auch in Australien ein heimischer Vogel. Für dieses Bild habe ich drei oder vier verschiedene Aufnahmen kombiniert. Die Pflanzen machen dabei einen großen Teil der Arbeit aus. Wenn ich einen Baum oder eine Pflanze gefunden habe, die mir gefällt, mache ich in der Regel 20 bis 30 Aufnahmen davon und bearbeite sie. Anschließend setze ich die Blüten in die gewünschte Position und kombiniere oft drei, vier oder fünf Bilder einer Blüte, um das richtige Ergebnis zu erzielen. Das ist viel mehr Arbeit, als es auf den ersten Blick scheint. In der Realität kann man das nicht so hinbekommen – es würde niemals so aussehen.

Azurzwergfischer, Ceyx azureus. Verbreitung: Austra- lien, Papua-Neuguinea. Foto: Greg Oakley
Auch hier kam ein Blitz zum Einsatz?
Ja, der Vogel wurde mit Blitz fotografiert, ebenso die Blume, damit es so aussieht, als wären beide in der gleichen Situation aufgenommen worden. Der Blitz „glättet“ die Farben des Vogels und lässt ihn mehr wie eine Zeichnung oder ein Gemälde wirken.
Welche Blitztechnik verwenden Sie?
Ich benutze ein Nikon Speedlight, das auf meiner D850 montiert ist–das ist alles. Im Studio verwende ich den normalen Blitzkopf, aber wenn ich Vögel in der freien Natur fotografiere, nutze ich einen Extender. Dieser wird am Ende des Blitzes befestigt und kann die Reichweite des Lichts verdreifachen oder vervierfachen, sodass es den Vogel erreicht. Dabei gilt es, viel auszuprobieren und anzu- passen, aber ich habe überall die gleiche Ausrüstung verwendet, um in der gesamten Serie einen konsistenten Look zu erzielen.

Tropfenlaubenvogel, Chlamydera guttata. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley
Sie haben alle Vogelaufnahmen mit Blitz fotografiert?
Die meisten. Inzwischen wird Blitz von Vogelfotografen recht häufig verwendet, aber das war nicht immer so. Der Trick besteht darin, das Bild nicht „überblitzt“ aussehen zu lassen. Dafür reduziert man die Blitzleistung – man will nur die Schatten auffüllen und die Details in den dunkleren Bereichen hervorheben. Oft sitzt ein Vogel in einem schattigen Bereich, und genau da hilft der Blitz, um die Schatten aufzuhellen und die Szene lebendiger wirken zu lassen.
Wie reagieren die Vögel auf den Blitz?
Manche stört der Blitz überhaupt nicht, während andere total erschrecken – einige fliegen sofort weg, sobald der Blitz auslöst. An einem Wasserplatz können zwischen fünf und 20 verschiedene Arten auftauchen, und wenn man den Blitz benutzt, gibt es ein bis zwei Arten, die ihn gar nicht mögen. Sie fliegen einfach sofort weg. Man merkt schnell, welche Arten empfindlich darauf reagieren. Wenn also eine bestimmte Art landet, weiß man, dass man den Blitz ausschalten muss. Andere hingegen lassen sich davon nicht beeindrucken – man kann den Blitz mehrmals auslösen, und sie schauen einen einfach nur an. Es ist faszinierend, warum eine Art den Blitz toleriert, während eine andere nicht damit klarkommt.

Schwarzkopfnonne, Lonchura atricapilla. Verbreitung: Indischer Subkontinent, Asien, Südostasien. Foto: Greg Oakley
Wie gehen Sie bei der Bearbeitung vor?
Ich mache zunächst grundlegende Anpassungen in Lightroom: Die Farbdynamik wird erhöht, die Schatten aufgehellt, die Lichter abgeflacht, mehr Details hervorgehoben und Schärfe hinzugefügt. Die gesamte Bildbearbeitung erfolgt in Lightroom. Das Ausschneiden und Zusammensetzen der Elemente erledige ich dann in Photoshop.
Wie lang dauert der Prozess etwa?
Manche Bilder dauern zwei Tage, andere können Wochen in Anspruch nehmen – wobei ich da immer wieder daran arbeite und nicht alles auf einmal mache. Im Durchschnitt würde ich sagen, dass es zwischen 20 und 40 Stunden dauert. Das umfasst das Fotografieren des Vogels, die Suche nach den Sitzstangen, den Aufbau im Studio und das Fotografieren der Pflanzen – also all die Vorarbeiten, die notwendig sind.

Gouldamadine, Chloebia gouldiae. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley
Sehen Sie sich selbst eher als Fotograf oder als Künstler?
Ich sehe mich als Vogel-Künstler. Ich habe Freunde, die reine Fotografen sind – einer macht Landschaften, der andere arbeitet im Studio. Niemals würde ich behaupten, so viel zu wissen wie sie. Ich kenne sie seit 25 Jahren beruflich, und sie beherrschen wirklich alle Feinheiten. Trotzdem bin ich ziemlich gut in der Fotografie geworden, vor allem in einem Studio-Setup mit Pflanzen. Auch das Fotografieren von Vögeln liegt mir mittlerweile. Wildlifefotografie ist eine anspruchsvolle Disziplin, und sie hat mit dem Aufkommen von sozialen Medien und Instagram einen regelrechten Boom erlebt – inzwischen gibt es Millionen von Vogelfotografen. Ich habe viele Jahre damit verbracht, es zu üben, und es hat mindestens zehn Jahre gedauert, bis ich einigermaßen gut darin war.
Doch neben der Kamera und dem Objektiv braucht es für Ihre Arbeit auch eine kreative Vision.
Absolut. Man muss im Feld sehr schnell reagieren, was die Einstellungen angeht. Das Licht verändert sich ständig, und darauf muss man vorbereitet sein. Meine Lieblingsbedingungen sind bewölkte Tage – wie bei vielen anderen auch. Hauptsächlich, weil sie die Schatten und Lichter abflachen. Das Licht wird gleichmäßiger, und man muss nicht ständig die Einstellungen anpassen, während man darauf wartet, dass ein Vogel landet–nur um dann die falschen Einstellungen zu haben. Und wenn der Vogel wieder weg ist, hat man die Chance verpasst. Die eigentliche Kunst besteht darin, zu wissen, wie das Licht um einen herum wirkt und wie die Kamera den Vogel in genau dem Moment einfängt, in dem er landet. Daran scheitern viele unerfahrene Vogelfotografen: Sie stellen ihre Kamera auf den Automatikmodus. Klar, moderne Kameras machen auch so ganz ordentliche Bilder, aber sie sind nie so gut wie eine Aufnahme, die manuell und richtig belichtet wurde. Die erfahrenen Fotografen wissen genau, wie sie das hinbekommen.

Prachtstaffelschwanz, Malurus cyaneus. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley
Sie haben Ihr Buch nach Vogelarten sortiert – warum?
Der Herausgeber und ich haben uns entschieden, die Vögel in taxonomischer Reihenfolge anzuordnen, so wie John Gould es gemacht hätte – die meisten Vogelführer tun das ebenfalls. Es ist aber eine gute Frage, weil wir nicht wollten, dass es ein rein wissenschaftliches Buch wird. Es sollte eine Hommage an die Vögel und die Vogelforscher des 18. und 19. Jahrhunderts sein. Gleichzeitig wollten wir der Wissenschaft ein wenig Tribut zollen.
Aus welchen Ländern stammen die Vögel im Buch?
Es ist eine Mischung: Etwa 70 Prozent der Vögel sind aus meiner Heimat Australien; die anderen habe ich auf Reisen fotografiert. Ich habe auch viele Vögel wie südamerikanische Aras in Zoos und Vogelparks aufgenommen. Vor ein paar Jahren war ich im Jurong Bird Park in Singapur [in Bird Paradise umbenannt]: Dort gibt es eine großartige Auswahl an Aras, die ich fotografiert habe.

Scharlachara, Ara macao. Verbreitung: Mittel- & Südamerika. Foto: Greg Oakley
Was hat Sie an den Arbeiten viktorianischer Vogelillustratoren fasziniert?
Die Art und Weise, wie die Vögel dargestellt wurden. Die Bilder waren schön anzusehen und lenkten die Aufmerksamkeit auf den Vogel. Es ging nicht darum, einen Vogel auf einem Ast zu zeigen, sondern ihm aus künstlerischer Sicht Charakter und Form zu verleihen. Interessanterweise waren die Zeichnungen zwar wissenschaftlich korrekt, aber oft nicht besonders lebensnah, wenn es um die Proportionen und Dimensionen der Vögel ging. Denn entweder entstanden diese von toten Vögeln oder anhand schneller Skizzen. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass die Vögel auf diesen Bildern manchmal ein wenig seltsam aussehen – aber ich fand das ganze Konzept trotzdem faszinierend.
In der Einleitung des Buchs sagen Sie, dass Sie Aspekte der Vögel manipulieren und sich künstlerisch nähern.
Bei manchen Vögeln sind bestimmte Gefiedermerkmale extrem schwer zu fotografieren oder zu illustrieren. Wenn man zum Beispiel einen Spix-Ara sitzend sieht, würde man nicht erkennen, dass die Blautöne des Gefieders leicht unterschiedliche Nuancen haben. Deshalb nenne ich es hyperrealistische Kunst: Der Vogel sieht in der Natur nicht immer so beeindruckend aus, wie ich ihn darstelle.

Grauscheitel-Säbler, Pomatostomus temporalis. Verbreitung: Australien. Foto: Greg Oakley

Über den Fotografen Greg Oakley
- Der Australier Greg Oakley wurde zunächst als Künstler ausgebildet, bevor er seine Karriere als Grafikdesigner begann.
- Bereits in seiner Kindheit war Oakley ein begeisterter Vogelbeobachter und bewunderte die Werke viktorianischer Illustratoren wie John Gould.
- Seine Liebe zu Vögeln führte dazu, dass Oakley im Erwachsenenalter die Fotografie für sich entdeckte. So fängt er mit der Kamera jetzt die Arten ein, die er in der Natur beobachtet.
- Auf Basis seines Portfolios an Vogelaufnahmen begann Oakley mit der Arbeit an einer Bilderserie, die in seinem Buch Homage to the Bird erschien, das Ende 2022 veröffentlicht wurde.
- Weitere Werke sind auf seiner Webseite zu finden www.gregoakleyart.com
Das Buch zum Interview „Homage to the Bird“
- von Greg Oakley
- erschienen bei The Images Publishing Group
- ISBN 978-1-86470-932-2, 220 Seiten, rund 56 Euro.
- https://imagespublishing.com
