Die Pandemie lässt die Welt schrumpfen. Ferne Landschaften, fremde Städte, feiernde Menschen – alles tabu. Was uns Fotobegeisterten bleibt, ist der Mikrokosmos vor der Haustür und in der Wohnung. Das hat auch Sigma erkannt und bereits letzten Herbst mit dem 105mm F2,8 DG DN Macro ein Makro-Objektiv der hochwertigen Art-Serie für Sony E und L-Mount herausgebracht. Wie gut das Objektiv für ca. 750 Euro Kleines groß herausbringt, habe ich in den letzten Tagen an der Sony Alpha 7R IV Tagen ausprobiert.
Dass die Pandemie die Nachfrage nach Objektiven stark verändert, hat ein Hersteller wie Sigma natürlich sofort festgestellt. Nicht mehr lange Teletüten oder Weitwinkelobjektive standen im Fokus der Foto-Enthusiasten. Jetzt sind es plötzlich Makro-Objektive, mit denen sich die Welt im Kleinen erkunden lässt, die nachgefragt werden.
Sigma hat blitzschnell auf den neuen Trend reagiert und im Herbst letzten Jahres das 105mm F2,8 DG DN Macro Art für Sony E und Leica L herausgebracht. Seine Naheinstellgrenze liegt bei knapp 30 Zentimeter, da bleiben keine 15 Zentimeter Platz mehr zwischen Frontlinse und Motiv. Summa sumarum kommt das Objektiv so auf einen Abbildungsmaßstab von 1:1. Das heißt: ein Objekt, das sich auf den Kleinbildsensor der Alpha 7R IV legen ließe, kann mit dem Sigma Makro formatfüllend aufgenommen werden. Vergleichbar von Sony ist das FE 90mm F2.8 Macro G OSS. Es kostet im Handel rund 200 Euro mehr als Sigma-Pendant, ist jedoch mit einem optischen Bildstabilisator ausgestattet.
Mit seiner geringen Naheinstellgrenze empfiehlt sich das Sima 105mm F2,8 DG DN Macro Art also bestens, um Kleines wie Frühlingsblüten, Modelle oder auch Ausschnitte aus Größerem zu entdecken und abzulichten. Natürlich bleibt es weiterhin ein mittleres Tele, das aufgrund seiner hohen Lichtstärke gerade auch für Porträt- und Sachaufnahmen geeignet ist.
Handling und Ausstattung
Bereits mein erster Kontakt mit dem Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art fällt sehr erfreulich aus. Das Objektiv wirkt mit seinem kühlen Metalltubus ausgesprochen wertig, ein echter Vertreter der Art-Familie eben. Blendenring und der üppig dimensionierte Fokusring drehen sich weich und satt, die Gegenlichtblende ist teilweise mit einem griffigen Gummiüberzug versehen. Ein kleiner Schieber schaltet die Blende von stufenloser Regelung auf eine klassische Rastblende um. Schalter gibt es auch, um zwischen Autofokus und manuellem Fokus zu wechseln sowie für einen Fokuslimiter. Mit ihm lässt sich der Fokusbereich einmal auf den Nahbereich von 29,5 bis 50 Zentimeter begrenzen, zum anderen von 50 Zentimeter auf unendlich.
An eine Fokusstopp-Taste hat Sigma ebenfalls gedacht. Gerade bei einem Makroobjektiv mit seinem sehr langen Fokusweg ein wichtiges Ausstattungsdetail, sollte der Autofokus einmal partout sein Ziel nicht finden. Auf einen optischen Bildstabilisator verzichtet das Sigma-Makro allerdings. Das mag der Bildqualität zugutekommen, die Alpha 7R IV stabilisiert das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art jedoch nicht so wirkungsvoll wie das Sony-Objektiv mit integriertem OSS.
Nicht gespart hat Sigma dagegen beim optischen Design. Es ist mit 17 Linsen in zwölf Gruppen recht komplex geraten. Wettergeschützt ist das 105er von Sigma obendrein. Sehr praktisch finde ich den Blendenring, mit ihm lässt sich die Arbeitsblende auch bei ausgeschalteter Kamera vorgeben. Wer die Blende lieber an der Kamera steuert, bringt den Blendenring am Objektiv in Stellung A – das Objektiv bietet also beide Bedienoptionen.
Fokussieren mit dem Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art
Bei Makro-Objektiven muss die Fokusgruppe zwischen unendlich und Naheinstellung deutlich weitere Wege zurücklegen als bei herkömmlichen Objektiven. Makro-Objektive stellen daher in der Regel spürbar langsamer scharf als zum Beispiel auf AF-Geschwindigkeit getrimmte Sportoptiken. Nicht aber das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art. Sein Fokusantrieb arbeitet erfreulich flott, jedenfalls für ein Makro-Objektiv. Zwar nicht ganz so schnell wie das 90er Makro von Sony. Aber auf alle Fälle zackig genug für Tierporträts zum Beispiel.
In Sachen Autofokus gibt sich das 105er von Sigma also keine Blöße. Soll das Sigma-Makro manuell scharf gestellt werden, zeigt es sich allerdings nicht ganz so kooperativ. Das liegt vor allem daran, dass der Fokusring lediglich Steuersignale überträgt, also nicht mechanisch mit der Fokusgruppe gekoppelt ist. Die Konsequenz: es fehlt eine Entfernungsskale am Objektiv (und damit auch eine Skala für den Abbildungsmaßstab). So gibt es keine Chance, das Objektiv mal eben grob, auf sagen wir, 30 Zentimeter Fokusentfernung einzustellen. Das geht nur mit Blick in den Sucher. Zudem reagiert der Fokusantrieb nach meinem Geschmack recht indirekt, manuelles Scharfstellen fühlt sich für mich etwas artifiziell an, also wäre ein Gummiband zwischen Fokusring und der Fokusgruppe im Objektiv gespannt.
Bildqualität
Sigma verspricht nicht weniger, als dass das 105mm F2,8 DG DN Macro Art eine „überragende optische Leistung“ liefert. Hervorgehoben werden „eine ausgezeichnete Schärfe“, Bilder „ohne Farbsäume“, eine Koma-freie Abbildung sowie eine optische Konstruktion für ein besonders ansprechendes Bokeh.
Das klingt recht selbstbewusst. Kann Sigma die hochgesteckten Ziele erreichen – an der Alpha 7R IV mit 60 Megapixel?
In Sachen Schärfe und Detailzeichnung gibt sich das 105er Makro von Sigma schon einmal keine Blöße. Selbst bei Offenblende arbeitet es noch allerfeinste Details mit einer fast schon beängstigenden Klarheit heraus. Da werden in Blättern die filigransten Adern sichtbar, die augenscheinlich glattpolierte Oberfläche einer Münze erscheint auf einmal rau und zerklüftet wie unterm Mikroskop. Gut gemacht, Sigma!
Zu diesem hervorragenden Schärfeeindruck trägt sicherlich auch bei, dass das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art ein weiteres Versprechen einlöst: Das Objektiv ist zeigt keinerlei Farblängenfehler (auch als Bokeh-CA bezeichnet). Bei diesem Abbildungsfehler entstehen Farbsäume an Kontrastkanten im Unscharfen, und zwar vor der Schärfeebenen in einer anderen Farbe als dahinter. Da Makro-Aufnahmen aufgrund der im Nahbereich sehr kleinen Tiefenschärfe oftmals ausgeprägt unscharfe Bildbereiche aufweisen, können Farblängenfehler leicht lästig werden. Gut, dass Sigma sie hier so effektiv auskorrigiert hat.
Dass Sigma Objektive mit herausragend gutem Bokeh konstruieren kann, hat das japanische Familienunternehmen schon häufiger bewiesen – etwa mit dem 105mm F1.4 DG HSM Art. Auch das 105er Makro bleibt der Linie treu. Seine Bokehwiedergabe ist angenehm weich, ohne harsche Ränder oder störendem Zwiebelschaleneffekt. Und das gilt sowohl für das Hintergrund- wie auch fürs Vordergrund-Bokeh, auch noch um eine Stufe abgeblendet.
Die Bildqualität, die das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art an der Alpha 7R IV abliefert, ist beeindruckend gut und dürfte auch gehobene Ansprüche erfüllen. Gravierende Abbildungsfehler oder gar nur kleine Eigenheiten konnte ich nicht ausmachen. Selbst fieses Gegenlicht kann das Objektiv nicht zu unschönen Reaktionen provozieren, allenfalls die Kontraste nehmen in solchen Situationen etwa ab. Damit empfiehlt sich das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art nicht nur als Makro-Objektiv, sondern wird durchaus zum universellen Tele mittlerer Brennweite zum Beispiel für Porträt-, Produkt- oder Landschaftsfotos.
Mein Fazit
Wer Kleines groß herausbringen möchte, findet im Sigma mit dem 105mm F2,8 DG DN Macro Art ein bestens geeignetes Werkzeug. Das gilt vor allem für die Abbildungsleitung, hier hat Sigma mit dem 105er Makro einen Volltreffer gelandet. Selbst an der Sony Alpha 7R IV mit ihren rund 60 Megapixel stößt es nicht an seine Grenzen. Schärfe und Detailfülle sind hoch, Abbildungsfehler hat Sigma gut auskorrigiert, das Bokeh kann sich wirklich sehen lassen. Das alles macht das teurere Sony FE 90mm F2.8 Macro G OSS auch nicht besser.
In Sachen Handling und Ausstattung hat mich das 105er von Sigma indes nicht in allen Punkten überzeugt. Ein optischer Bildstabilisator fehlt, manuelles Fokussieren ist mit dem elektronisch gekoppelten Fokusring weniger komfortabel. Über jeden Zweifel erhaben ist dagegen die Verarbeitungsqualität. So bleibt unterm Strich, dass das Sigma 105mm F2,8 DG DN Macro Art für derzeit rund 750 Euro eine sehr gute Wahl ist – so einem der Bildstabi in der Kamera reicht und man mit den kleinen Komforteinbußen beim manuellen Scharfstellen leben kann.
PRO
- Innenfokussierend
- hervorragende Bildqualität mit hoher Schärfe und sanftem Bokeh
- Blendenring umschaltbar zwischen stufenloser Steuerung und rastend
- hochwertige Verarbeitung mit Metalltubus
- auch als universelles Tele-Objektiv einsetzbar
CONTRA
- keine Skalen für Entfernung / Abbildungsmaßstab
- elektronisch gekoppelter Fokusring macht manuelles Fokussieren etwas umständlich
- kein Bildstabilisator
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Technische Daten: Sigma 105mm F2,8 DG DN MACRO | Art
Produktbezeichnung | 105mm F2,8 DG DN MACRO | Art |
Produktlinie | A - Art |
Verwendungszweck | Makrofotografie, Reisen, Natur / Landschaft, Tiere, Spezial |
Objektiveigenschaften | DG, DN, IF |
Kameraanschluss | Sony E-Mount, L-Mount |
Brennweite (mm) | 105 mm |
Lichtstärke (F) | 2.8 |
Konvertertauglich | Ja, mit SIGMA Tele-Konverter. Ausgenommen E-Mount. |
Bildwinkel (diagonal) max. | 23.3 |
Optischer Aufbau (Linsen/Gruppen) | 17 Linsen in 12 Gruppen |
Anzahl Blendenlamellen | 9 |
Kleinste Blende (F) | 22 |
Naheinstellgrenze (cm) | 29,5 cm |
Größter Abbildungsmaßstab | 1:1 |
Filterdurchmesser (mm) | 62 mm |
Abmessungen - AD x Länge (mm) | 74 mm x 133,6 mm |
Gewicht (g) | 715 g |
Mitgeliefertes Zubehör | Köcher, Frontdeckel, Rückdeckel, Gegenlichtblende LH653-01 |
Unverbindliche Preisempfehlung (UVP) | 749,- Euro |
Habe mir vor kurzem das 105/2.8 Macro zusammen mit dem wunderschön verarbeiteten Sigma 45/2.8 Contemporary zugelegt. Das 105er ist schon ohne digitale Eingriffe bemerkenswert gut korrigiert. Bin mit den Ergebnissen mehr als zufrieden.
Die focus-by-wire-Technik ist ja nun schon einige Jahre etabliert. Jedes Objektiv spricht da etwas anders an. Finde daran kann man sich recht schnell gewöhnen.
Eine Fokus-Skala habe ich persönlich nicht vermisst, verwende häufig ohnehin den AF oder gleich die Naheinstellgrenze. Für Videozwecke genial finde ich den de-click-Schalter zur stufenlosen Blendeneinstellung, der ebenfalls angenehm gedämpft läuft.
Werde mir dazu in absehbarer Zeit wohl noch den 2x-Telekonverter (L-Mount) zulegen.