Vor wenigen Tagen hat Sigma mit dem 100-400mm F5-6.3 DG DN OS Contemporary ein Super-Telezoom für Sony E und Leica L präsentiert, das auf dem ersten Blick bereits durch zwei Eigenschaften besticht: einer kompakte, leichten Bauform und dem günstigen Preis. Doch kann es auch in der Praxis überzeugen, etwa bei der AF-Leistung und der Bildqualität? Ich hatte bereits Gelegenheit, das handliche Telezoom an der Sony Alpha 7R III für ein paar Tage auszuprobieren.

Gerade noch unter der 1000-Euro-Marke bleibt Sigma mit seiner unverbindlichen Preisempfehlung für das neue 100-400mm F5-6,3 DG DN OS – ein äußerst lukratives Angebot. Kostet doch das vergleichbare FE 100-400mm F4.5-5.6 G Master von Sony nahezu das Dreifache. Gut, das Sony ist ein Quäntchen lichtstärker. Aber kann man auf eine Drittel Blendenstufe Reserve in den meisten Fällen nicht verzichten? Wenn Bildqualität und Autofokus-Leistung stimmen, könnte das 100-400mm F5-6.3 von Sigma eine Alternative zum kostspieligen Sony-Original sein.

Sigma_100-400_Sony-Vergleich

Das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS (oben) fällt deutlich kompakter und leichter aus als das Sony FE 100-400mm F4.5-5.6 G Master (unten).

Ausstattung und Handling

Keine 20 Zentimeter Länge, gerade einmal gut 1100 Gramm Gewicht, 67 Millimeter Filterdurchmesser – das Sigma 100-400mm fällt sehr kompakt aus. Da habe ich es mir gerne mit der Alpha 7R III für einen nachmittäglichen Spaziergang durch das beschauliche Salzburg über die Schulter gehängt. Und das, obwohl die Street- und Architekturfotografie sicherlich nicht das bevorzugte Revier für das Super-Tele sind.

Sigma 100-400 Praxis

Dank seiner kompakten Bauform ist das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS bequem zu handhaben.

Die kompakte, leichte Bauform erreicht Sigma zum einen durch eine etwas reduzierte Lichtstärke. Sie macht Linsen mit geringerem Durchmesser möglich. Aber auch der üppige Einsatz von Polykarbonaten am Gehäuse des Objektivs reduziert dessen Masse im Vergleich zu einer massiven Metallkonstruktion spürbar. Dabei wirkt das 100-400mm F5-6.3 keinesfalls billig oder gar klapprig. Selbst nicht, wenn der Innentubus bei 400 Millimeter Brennweite um acht Zentimeter herausgefahren wird.

Sigma 100-400 bei 400mm

Bei Maximalbrennweite verlängert sich das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS um gut acht Zentimeter.

Nicht gespart hat Sigma bei der Ausstattung des 100-400mm F5-6,3 DG DN OS. Fast nicht. Denn eine Stativschelle liegt ihm nicht bei, die entsprechende Nut am Objektiv ist mit einem Gummiring verschlossen. Wer auf eine Stativschelle nicht verzichten kann, dem empfiehlt Sigma die TS-111 für das 105mm F1,4 DG HSM | Art – zum stolzen Preis von knapp 140 Euro.

Davon abgesehen hat Sigma an alles gedacht: Es gibt einen optischen Bildstabilisator (mit Sonderfunktion für Mitzieher), einen dreistufigen Fokus-Limiter und einen praktischen AF-/MF-Umschalter. Ebenfalls an Bord: Eine frei belegbare Funktionstaste (die standardmäßig als Fokus-Stopp funktioniert) sowie eine Verriegelung, damit das Objektiv nicht ungewollt ausfährt (die ich allerdings nicht gebraucht habe, weil der Zoom angenehm straff läuft).

Sigma-100-400_Bedienlemente

Fokus-Limiter, Fokusstopp-Taste, konfigurierbarer Bildstabilisator – das 100-400mm F5-6.3 DG DN OS von Sigma ist fast komplett ausgestattet. Nur eine Stativschelle fehlt, sie gibt es als Sonderzubehör.

In der Praxis hat sich für mich das geringe Gewicht des 100-400mm F5-6.3 als echter Pluspunkt erwiesen. Sogar an der recht zierlichen Alpha 6400 habe ich es ausprobiert und dabei Kamera und Objektiv stets fest im Griff gehabt. Gestört hat mich beim Handling eigentlich nur eine Kleinigkeit: Ist die Gegenlichtblende umgekehrt montiert, bedeckt sie bei kürzester Brennweite den Fokusring fast vollständig. Zudem gibt es noch eine wichtige Einschränkung beim 100-400mm F5-6.3 DG DN OS für E-Mount (es gibt das Objektiv ja auch noch für L-Mount): Mit Telekonvertern lässt es sich an einer Sony-Kamera nicht verwenden – auch nicht mit den Originalen von Sony!

Autofokus

Lichtschwachen Zoomobjektiven wird gerne nachgesagt, nicht mit dem zackigsten Autofokus punkten zu können. Eine Binsenweisheit, die noch aus Zeiten der SLR-Kameras stammt. Denn bei diesem Kamera-Typ schlucken Hilfsspiegel viel Licht auf dem Weg zum AF-Modul. Ganz anders bei der spiegellosen Sony Alpha 7R III: Ihr sensorbasierter Autofokus harmoniert mit dem lichtschwachen Sigma-Zoom erfreulich gut.

Wie immer, wenn es um die AF-Leistung geht, musste Redaktionshündin Janna ran und apportieren. Dabei hat das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS seinen Job wirklich ordentlich erledigt. Hat die Alpha 7R III Janna erst einmal sicher erfasst, folgt ihr der Autofokus mit dem Sigma-Zoom erfreulich sicher und rasch, selbst bei einer Serienbildrate von 8 Bilder/Sekunde. Das fast dreimal so teure Sony FE 100-400mm F4.5-5.6 G Master hat sich im Vergleich nur unwesentlich weniger Fehltreffer geleistet. Allerdings legt das Sony-Zoom die Schärfe noch exakter auf die Gesichtspartie von Janna, während das Sigma-Pendant in diesem Punkt ein klein wenig schludert. Doch angesichts der 42 Megapixel Auflösung der Alpha 7R III fällt diese Nachlässigkeit kaum ins Gewicht.

Sigma 100-400 AF-Beispiel

Bei Actionfotos macht das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS eine gute Figur, die Trefferquote ist hoch. (Klick ins Bild öffnet 100%-Ausschnitt.)

Das Zoom von Sigma benötigt allerdings deutlich länger, um von der kürzesten Entfernungseinstellung (ca. zwei Meter) auf unendlich scharf zu stellen als das FE 100-400mm F4.5-5.6 G Master. Das Sony-Zoom kommt nämlich mit gleich zwei Fokusgruppen, eine fürs Grobe und einer weiteren für die Feinjustierung. Das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS setzt dagegen auf nur ein Linsenelement zur Fokussierung. Im Regelfall ist das kein Nachteil, nur bei sehr weiten Fokuswegen ist die Sony-Konstruktion im Vorteil.

Sigma 100-400 Nahaufnahme

Das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS ist zwar kein ausgewiesenes Marko-Objektiv, ermöglicht aber dank relativ kurzer Naheinstellgrenze einen maximalen Abbildungsmaßstab von ca. 1:4.

Bildqualität

Angesichts des günstigen Preises drängt sich natürlich die Frage auf: wo hat Sigma beim 100-400mm F5-6.3 DG DN OS eigentlich gespart? Doch wohl nicht bei der Bildqualität!

Keine Angst. Das handliche Super-Telezoom erledigt seinen Job wirklich gut. Abbildungsfehler wie Farbsäume durch chromatische Aberration oder abgeschattete Bildränder sowie Verzeichnungen leistet es sich nicht. Sicherlich auch ein Verdienst der Softwareentwickler. Denn im Sucher der Alpha 7R III konnte ich durchaus Farbsäume an Kontrastkanten ausmachen, die aber wohl auf dem Weg zur Speicherkarte aus den Bilddaten herausgerechnet werden.

Sigma 100-400 Vignettierung

Randabdunklung hat Sigma beim 100-400mm F5-6.3 DG DN OS gut auskorrigiert. Ob optisch oder digital per Software-Korrektur, lässt sich in Lightroom nicht feststellen. Das Ergebnis spricht jedenfalls für sich.

In Sachen Detailwiedergabe gibt sich das 100-400mm F5-6.3 DG DN OS ebenfalls keine Blöße. Gut, bei Offenblende zeichnet es etwas weich – insbesondere in den Ecken und am langen Brennweitenende. Abgeblendet auf F11 ist dann aber alles in Ordnung. Mit den 42 Megapixel der Alpha 7R III kommt das Sigma-Zom jedenfalls gut zurecht.

Sigma 100-400 Details

Das 100-400mm F5-6.3 DG DN OS bildet insgesamt scharf und detailreich. Bei offener Blende und am langen Teleende zeigt es allerdings leichte Schwächen. Abgeblendet auf F11 wie hier sind 400 Millimeter Maximalbrennweite problemlos nutzbar. (Klick ins Bild öffnet 100%-Ausschnitt)

Abstriche machen muss man allerdings bei der Bokeh-Wiedergabe. Spitzlichter im Unscharfen gibt das 100-400mm F5-6.3 DG DN OS mit einem ausgeprägten Rand wieder. Das lässt insbesondere kleinteilige Vor- und Hintergründe schnell unruhig wirken.

Sigma 100-400 Bokeh

Ein Bokeh-Wunder ist das 100-400mm F5-6.3 DG DN OS nicht gerade. Spitzlichter im Unscharfen erhalten einen Zwiebelschaleneffekt und wirken etwas körnig. (Klick ins Bild öffnet 100%-Ausschnitt.)

Mein Fazit

Mehr Telezoom als Sigma mit dem 100-400mm F5-6.3 DG DN OS bietet, braucht man als Besitzer einer Sony-Spiegellosen eigentlich nicht. Sigmas Alternative zum fast dreimal so teuren Pendant von Sony ist leicht, kompakt und günstig. Dafür verzichte ich gerne auf das letzte Quäntchen Lichtstärke und gebe mich mit der einfacheren (aber keineswegs billigen) Bauweise zufrieden. Zumal man bei den Kernkompetenzen praktisch keine Abstriche machen muss – bei Bildqualität und AF-Leistung. Für mich ist das Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS ein echter Preis-/Leistungskracher, dem man die eine oder andere kleine Schwäche gerne verzeiht.

PRO

  • exzellentes Preis-/Leistungsverhältnis
  • kompakt und leicht
  • schneller Autofokus
  • insgesamt gute Abbildungsleistung

CONTRA

  • Stativschelle nur als optionales Zubehör erhältlich
  • am langen Ende und in den Ecken etwas weiche Abbildung
  • unruhiges Bokeh
  • Kombination mit Telekonvertern an Sony-Kameras nicht möglich

Technische Daten: Sigma 100-400mm F5-6.3 DG DN OS ​

Produktbezeichnung100-400mm F5-6,3 DG DN OS | Contemporary
ProduktlinieC - Contemporary
VerwendungszweckReisen, Makrofotografie, Natur / Landschaft, Sport & Action, Tiere, Menschen / Portrait
ObjektiveigenschaftenDG, DN, OS, IF, CONV TC
KameraanschlussSony E-Mount, L-Mount
Brennweite (mm)100-400 mm
Lichtstärke (F)5-6,3
Optischer Stabilisatorja
KonvertertauglichAF/MF (1,4x/2x)
Bildwinkel (diagonal) max.24.4-6.2
Optischer Aufbau (Linsen/Gruppen)22 Linsen in 16 Gruppen
Anzahl Blendenlamellen9
Kleinste Blende (F)22-29
Naheinstellgrenze (cm)112 cm (W) - 160 cm (T)
Größter Abbildungsmaßstab1:4,1
Filterdurchmesser (mm)67 mm
Abmessungen - AD x Länge (mm)ca. 86 x 197,2 mm
Gewicht (g)1.135 g (L-Mount)
Mitgeliefertes ZubehörGegenlichtblende LH770-05, Gummiabdeckung PT-31
Optionales ZubehörTele-Konverter TC-1411, Tele-Konverter TC-2011, Stativschelle TS-111, USB-Dock UD-11, WR CERAMIC PROTECTOR 67mm, WR PROTECTOR 67mm, PROTECTOR 67mm, WR UV FILTER 67mm, WR CIRCULAR PL FILTER 67mm
Unverbindliche Preisempfehlung (UVP)999,- Euro